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Er sei zuversichtlich, dass sich auch für das neue Modell genug Lehrkräfte freiwillig melden werden, weil das Angebot attraktiv sei, so Wiederkehr im APA-Sommerinterview. Wer in der Sommerschule unterrichtet, bekommt laut aktueller Regelung entweder rund 60 Euro pro Stunde oder muss im kommenden Schuljahr eine Stunde weniger unterrichten. Derzeit gebe es mehr Bewerbungen von Lehrern als Plätze, betonte der Minister. "Wenn sich nicht genug melden, soll es aber aus meiner Sicht auch die Möglichkeit geben, Lehrkräfte zu verpflichten. Denn für mich gilt, dass die Kinder ein Recht haben, dass sie eine Förderung im Sommer bekommen." Wiederkehr denkt dabei vor allem an Lehrer, die Erfahrung im Unterricht von außerordentlichen Schülern in den Deutschförderklassen bzw. -kursen haben.
Der oberste Lehrergewerkschafter Paul Kimberger (FCG) zeigte sich in einer Reaktion gegenüber der APA "sehr verärgert". Es sei eine "sehr unkluge Aktion", den Betroffenen derartige Pläne über die Medien auszurichten. Ohnehin hält der Lehrervertreter die Idee einer Sommerschul-Pflicht für außerordentliche Schüler in der geplanten Form für nicht umsetzbar, er ortet "politischem Aktionismus". "Ich bin gespannt, welche Konzepte und Zahlengerüste der Minister vorlegt und welche Lösungen sich daraus ergeben können."
Eine Verpflichtung wäre schlecht für das Lernklima, warnte Kimberger, der auch Probleme in der Praxis erwartet. Viele betreffende Schüler seien in den letzten beiden Ferienwochen gar nicht da bzw. könnten eine Verpflichtung ignorieren. Schon jetzt erscheine ein Drittel derer, die angemeldet sind, doch nicht in der Sommerschule. Außerdem werde wohl niemand ernsthaft glauben, dass ein Kind innerhalb von zwei Wochen Deutsch lernen kann. "Viel sinnvoller wäre es, endlich die Schulen in die Lage zu versetzen, während des Schuljahrs mehr Sprachförderung anzubieten", forderte er einmal mehr deutlich mehr Personal und Ressourcen für diesen Bereich.
Kritik kam auch von Grünen-Bildungssprecherin Sigrid Maurer. Die im Corona-Jahr 2020 eingeführte Sommerschule sei ein Erfolgsprojekt der türkis-grünen Regierung gewesen, ihre Weiterentwicklung sei grundsätzlich zu begrüßen. Die Regierung sorge aber einmal mehr mit "unausgegorenen Ankündigungen" für Verwirrung und Beunruhigung bei den betroffenen Lehrern. Lehrpersonal und Eltern bräuchten Klarheit zu den geplanten Abläufen und Verpflichtungen, forderte Maurer in einer Aussendung.
FPÖ-Bildungssprecher Hermann Brückl nannte Wiederkehrs Pläne wiederum "eine Beleidigung für jeden leistungswilligen Schüler und jeden engagierten Lehrer in diesem Land". "Nicht die Lehrer gehören bestraft, sondern jene Familien, die sich beharrlich weigern, ihren Beitrag zur Integration zu leisten." Wer nicht bereit sei, Deutsch zu lernen, müsse Sanktionen etwa bei der Familienbeihilfe und anderen Sozialleistungen spüren, forderte er per Aussendung.
Bereits fix ist, dass die Schulen mit Schulbeginn wie angekündigt 80 Prozent weniger Rundschreiben und Regelungserlässe aus dem Ministerium bekommen werden. Man müsse selbstverständlich Qualität und Ergebnisse kontrollieren, "das geht aber auch mit weniger Regelungen", so Wiederkehr. Das Blättern in Erlässen sei nicht mehr zeitgemäß. Stattdessen sollen die Schulen die Regelungen unkompliziert nachlesen können, wenn sie sie brauchen. Noch im Herbst sollen außerdem die ersten Maßnahmen zur Entbürokratisierung aus dem Projekt "Freiraum Schule" umgesetzt werden. Lehrer, Schulleitungen und Experten der Pädagogischen Hochschulen und Verwaltungspersonal hatten dafür im Juni 19.000 Vorschläge eingebracht, derzeit werden sie von Experten auf ihre Umsetzbarkeit geprüft.
Die Personalsituation für das neue Schuljahr, das in Österreich mit 1. September startet, sieht Wiederkehr im Vergleich zu den vergangenen Jahren "etwas entspannt". In einzelnen Bereichen gebe es regional weiter einen Lehrermangel, etwa in einigen Fächern an den Mittelschulen bzw. an den Volksschulen. Die Bewerbungslage sei mit einem Plus von 17 Prozent aber deutlich besser als zuletzt. "Das ist ein gutes Zeichen, nämlich dass es attraktiv ist, als Lehrkraft zu arbeiten", so Wiederkehr. Er hob auch das große Interesse am Quereinsteiger-Modell hervor, diesmal haben sich auch 2.000 Quereinsteiger um eine Stelle beworben. Schrittweise zurückfahren will Wiederkehr hingegen die Zahl der Studierenden, die schon sehr früh in ihrer Ausbildung bis zu 20 Stunden in der Klasse stehen.
"Eher die Ausnahme" werden laut Wiederkehr im Herbst die bundesweit neu ermöglichten Orientierungsklassen für Kinder und Jugendliche, die ohne Bildungserfahrung nach Österreich kommen und dort auf den Einstieg in das heimische Schulsystem vorbereitet werden sollen. "Aktuell ist der Druck durch Migration zum Glück nicht so hoch." Wegen des Aussetzens des Familiennachzugs seit Juli gelangen derzeit unter diesem Titel nur noch Härtefälle nach Österreich, dazu kommen andere Zuwandererkinder ohne schulische Vorerfahrung. Wiederkehr geht davon aus, dass es zumindest in Ballungsgebieten mit Herbst Orientierungsklassen geben werde. Durch das Gesetz sei man jedenfalls vorbereitet für Zeiten, in denen wieder mehr Kinder ohne schulische Vorerfahrung zuwandern.
Einen "großen Effekt" erwartet sich der NEOS-Politiker hingegen schon jetzt von der verpflichtenden Suspendierungsbegleitung ab Februar 2026. Schüler, die mehrfach wegen Gewalt, Drohungen oder Sachbeschädigung in der Schule auffallen, können bis zu vier Wochen suspendiert werden. Künftig werden sie an ausgewählten Schulstandorten zehn bis 20 Stunden pädagogisch und psychologisch betreut. "Es gibt dann eine Konsequenz, eine Sanktion, sodass man nicht, wenn man suspendiert wird, im Einkaufszentrum abhängen darf." Dieser Abbruch des Alltags sei wichtig, damit die Kinder und Jugendlichen ihr Verhalten reflektieren. Klar sei aber, dass es zusätzlich Präventionsarbeit brauche. Deshalb werde das Angebot der Schulpsychologie verdoppelt und die Schulsozialarbeit ausgebaut. Gleichzeitig mit der Suspendierungsbegleitung sollen die bereits angekündigten Verwaltungsstrafen für Eltern eingeführt werden, die nach problematischem Verhalten ihrer Kinder nicht mit der Schule zusammenarbeiten wollen.
Das Bildungsbudget sieht der Wiederkehr trotz der angespannten Wirtschaftslage gesichert - selbst wenn die Bundesregierung bei ihrem für 2025 und 2026 geschnürten milliardenschweren Sparpaket wegen der hohen Inflation und schlechten Wirtschaftslage noch einmal nachbessern müssen sollte. Es sei vereinbart, dass die Budgets der Ressorts halten werden, inklusive der Investitionen in die Bildung. Der Einsparungsbeitrag der Ressorts sei mit 1,1 Mrd. Euro ohnehin "gewaltig", so der Minister. Sollte es zusätzliche Maßnahmen brauchen, um das Budgetdefizit wieder unter die erlaubte Grenze von drei Prozent zu bringen, werde man sich aus Wiederkehrs Sicht etwa die Abschlüsse im öffentlichen Dienst und die Ausgaben für die Pensionen anschauen müssen.