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Was will eigentlich Österreichs Jugend?

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Aktualisiert
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©Getty Images

Sie stehen zur Demokratie, sind aber von der Politik enttäuscht: Junge Menschen fühlen sich von Regierung und Abgeordneten nicht gehört. Ihre Enttäuschung über das System hat sich in der Corona-Pandemie vertieft und hat seither nicht abgenommen. Mit Floskeln, Sparpakete würden auch für künftige Generationen geschnürt, gewinnt man das Vertrauen nicht zurück

Interessiert und enttäuscht

Ein Sparpaket geschnürt, Steuern und Gebühren erhöht, das Antrittsalter für die Korridorpen­sion angehoben, um die Finanzierung des Pensionssystems zu erleichtern – das mache man doch alles für die Jugend und die Sicherung ihrer Zukunft, erklärten Regierungspolitiker, wenn Murren laut wird. Doch was wollen eigentlich „die Jungen“? Was erwarten sie sich von der Politik? Fühlen sie sich von Regierung und Abgeordneten vertreten?

Um gleich mit einem Vorurteil aufzuräumen: Die Jugendlichen interessieren sich für Politik. Das Meinungsforschungsinstitut Foresight hat für die Studie „Junge Menschen & Demokratie 2024“ im Auftrag des Parlaments bei den 16- bis 26-Jährigen nachgefragt: 66 Prozent der Befragten gaben dabei an, sich zumindest einmal pro Woche in sozialen Medien (und da vor allem bei Insta­gram) über politische Themen zu informieren, 57 Prozent nutzen Tageszeitungen und andere Internetseiten, die Hälfte das TV-Angebot. Ebenfalls 57 Prozent sprechen zumindest einmal die Woche im Freundeskreis, 55 Prozent in der Familie über Politik. „Das Vorurteil, die Jugend hockt ohnehin nur am Handy und ist politisch nicht interessiert, stimmt ganz klar nicht“, sagt Foresight-Expertin Martina Zandonella.

Allerdings: Die Politikerinnen und Politiker haben das Vertrauen der jungen Menschen verloren. Das zeigt auch aktuelle Ö3-Jugendstudie, an der im Frühjahr 24.000 Jugendliche zwischen 16 und 25 Jahren teilgenommen haben (ebenfalls durchgeführt von Foresight). Nur 22 Prozent sagen da, dass sie der Politik vertrauen. Dabei steht diese Generation hinter der Demokratie. 57 Prozent vertrauen ihr. Zandonella dazu: „Das Vertrauen in das politische System ist in der Gesamtbevölkerung nach dem Ibiza-Video und während der Corona-Pandemie stark gefallen. Im Gegensatz zu anderen Bevölkerungsgruppen erholt es sich aber bei den Jugendlichen und bei Menschen im unteren Einkommensdrittel nicht.“ Zandonella ortet bei Jugend­lichen, „das Gefühl, dass sie von der Politik nicht gehört werden. Das hat vor allem seit der Pandemie zugenommen. Die Jugendlichen sagen: ,Wir mussten sehr viel Rücksicht nehmen, aber auf unsere Bedürfnisse hat niemand Rücksicht genommen. Uns hat niemand gefragt, was wir brauchen würden.‘“

Die Meinungsforscherin verweist zudem auf die große Zahl junger Menschen, die vom Wahlrecht ausgeschlossen sind. Sie sind zwar in Österreich geboren, engagieren sich in Beruf und Gesellschaft, haben aber nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und dadurch kein Wahlrecht. In Wien beispielsweise seien 42 Prozent der 16- bis 29-Jährigen nicht wahlberechtigt. „Und dennoch sind diese Menschen überzeugt davon, dass die Demokratie das System ist, in dem sie leben wollen.“

Welche Themen den Jugendlichen wichtig sind? Bei der Ö3-Studie befragt, wo sie Handlungsbedarf der Politik sehen, unterscheiden sich junge Menschen wenig von älteren: Wirtschaftskrise und die Schere zwischen Arm und Reich (je 81 Prozent), Zuwanderung (79), Pflege (77) und Klimakrise (75 Prozent) sind die Top5-Themen. Und da erwarte die Jugend von der Politik einfach, dass Entscheidungen getroffen werden, meint Zandonella.

Links, rechts – nicht Mitte

In den USA haben laut Umfragen 44 Prozent der 18- bis 30-Jährigen einen „positiven Eindruck“ vom Sozialismus, 40 Prozent vom Kapitalismus. In Deutschland war bei der jüngsten Bundestagswahl die Partei „Die Linke“ in dieser Generation höchst erfolgreich, in der Schweiz bei den Wahlen 2023 die Sozialdemokratische Partei. Kann man da­raus, wie die britische, in sozialen Me­dien erfolgreiche Autorin Grace Blake­ley, einen Trend nach links ableiten?

Nicht unbedingt. Bei der letzten Nationalratswahl war die FPÖ bei den jungen Wählerinnen und Wählern die stärkste Partei. Allerdings hätten es auch die KPÖ und die Bierpartei ins Parlament geschafft, hätte nur diese Altersgruppe gewählt. „Was wir bei jungen Leuten sehen, ist, dass sie im Vergleich zu Älteren mehr Richtung links oder rechts tendieren. Sie sind weniger in der Mitte verhaftet.“ Das war auch in früheren Jahren zu beobachten und ist keine Entwicklung der jüngeren Zeit.

Generell schneiden Regierungsparteien bei jungen Menschen schlechter ab als Oppositionsparteien. Die Grünen etwa hatten bei früheren Wahlen – vor allem aber in den Hochzeiten von Friday For Future – deutlich mehr Zuspruch von jüngeren Wählerinnen und Wählern, als sie es bei der jüngsten Nationalratswahl als Regierungspartei hatten. Man wird sehen, ob sie als Oppositionspartei das Vertrauen der Jüngeren zurückbekommen, harrt dort doch auch die FPÖ auf Stimmen.

Was Foresight-Forscherin Martina Zandonella bemerkenswert an den Jungen findet? „Das Pragmatische dieser Generation. Sie ist darin interessiert, was in der Welt passiert, sagt aber: ,Letztendlich kann ich die Dinge nicht ändern und muss schauen, dass ich mein eigenes Leben auf die Reihe bringe.‘“

Ein Freibrief für Regierende ist das nicht.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 22/25 erschienen.

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