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Das Weiße Haus hatte am Dienstag mitgeteilt, dass die USA einige wichtige Waffenlieferungen an die Ukraine stoppen, die dem Land unter der Regierung von Ex-Präsident Joe Biden zugesagt worden waren. "Diese Entscheidung ist getroffen worden, um die Interessen Amerikas an erste Stelle zu setzen, nachdem das Verteidigungsministerium die militärische Unterstützung und Hilfe unseres Landes für andere Länder auf der ganzen Welt überprüft hat", erklärte die stellvertretende Sprecherin des Weißen Hauses, Anna Kelly. Die Stärke der US-Streitkräfte bleibe unbestritten, betonte Kelly und fügte hinzu: "Fragen Sie einfach den Iran."
Zuvor hatten US-Medien berichtet, dass Washington angesichts eines Rückgangs seiner eigenen Munitionsbestände besorgt sei. Laut "Politico" erklärte ein US-Beamter, der anonym bleiben wollte, eine Überprüfung durch das Pentagon habe ergeben, dass die Bestände einiger der Ukraine zugesagter Waffen zu gering geworden seien und dass einige anstehende Lieferungen nun nicht verschickt würden.
Unter den vorenthaltenen Waffensystemen sind "NBC News" zufolge auch Dutzende Patriot-Raketen, die der Ukraine noch von Biden zugesagt wurden. Diese braucht das Land dringend für die Abwehr russischer Luftangriffe. Zuletzt hatten US-Medien die Vorräte für die über 30 Patriot-Startgeräte auf unter 200 Abfangraketen geschätzt.
Bisher hat die Regierung von US-Präsident Trump - trotz der zeitweise konfliktreichen Beziehung zu Kiew - die unter Biden vereinbarte Militärhilfe für die Ukraine zumindest in Teilen weiter fortgeführt. Während der Amtszeit Bidens hatten die USA der Ukraine Militärhilfen im Wert von mehr als 60 Milliarden Dollar (rund 51 Milliarden Euro) geliefert.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte Anfang Juni vor massiven Auswirkungen für sein Land gewarnt, falls die USA die Unterstützung für die Ukraine kürzen oder ganz einstellen sollten. Die USA, einst größter Unterstützer der Ukraine, haben seit Jänner keine neuen, zusätzlichen Hilfen mehr für die von Russland angegriffene Ukraine beschlossen.
Unter diesen Umständen wird für die Ukraine die Hilfe aus Europa, speziell aus Deutschland, noch wichtiger. Dem Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel zufolge haben die Europäer die USA bereits beim Umfang der Militärhilfe überholt. "Zum ersten Mal seit Juni 2022 hat Europa damit die USA bei der gesamten Militärhilfe übertroffen - mit insgesamt 72 Mrd. EUR gegenüber 65 Mrd. EUR aus den Vereinigten Staaten", hieß es Mitte Juni vom IfW. Berücksichtigt wurden Lieferungen bis einschließlich April. Inzwischen dürfte sich diese Tendenz verstärkt haben.
In Kiew wurde nach Bekanntwerden des Lieferstopps der stellvertretende Leiter der US-Botschaft, John Ginkel, ins Außenministerium zitiert. Die ukrainische Vizeaußenministerin Marjana Bez betonte, dass jede Verzögerung der Waffenhilfen Russland nur dazu anhalte, weiter auf Krieg und Terror zu setzen und zu weiteren Angriffen ermutigen würde.
Moskau reagierte hingegen erfreut und siegesgewiss. Die Entscheidung hänge wohl mit den leeren Waffenarsenalen in den USA zusammen, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. "Aber in jedem Fall, je weniger Waffen die Ukraine bekommt, desto näher ist das Ende der militärischen Spezialoperation", sagte er. Mit "militärischer Spezialoperation" bezeichnet Moskau euphemistisch seinen seit drei Jahren währenden Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Die Ukraine sieht sich derzeit verstärkten russischen Angriffen ausgesetzt. In der Nacht auf Mittwoch haben russische Truppen nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe 114 Drohnen und vier umfunktionierte Raketen des Flugabwehrsystems S-300 für ihre Attacken eingesetzt. Einschläge gab es in den Regionen Charkiw, Cherson, Dnipropetrowsk und Donezk.
Seit Wochen versucht das russische Militär, die Flugabwehr der Ukrainer zu überlasten. Mitunter mehrfach in der Woche werden in großen Wellen Raketen und Drohnen gegen das Nachbarland geschickt. In einigen Nächten stieg die Anzahl der eingesetzten auf weit über 400. In der Hauptstadt Kiew wurden so allein im Juni mehr als 40 Menschen getötet. Weil die Flugabwehrsysteme für eine Abdeckung der Fläche nicht ausreichen, ist die ukrainische Flugabwehr gezwungen, die vorhandenen Systeme in den Städten konzentrieren.
Die Anzahl der von Russland abgefeuerten Drohnen mit hoher Reichweite stieg im Juni im Monatsvergleich um 36,8 Prozent an, wie eine Analyse der AFP am Dienstag ergab. Die Angriffe stellen die Luftabwehr und die erschöpfte Zivilbevölkerung auf eine harte Probe, während die Gespräche zwischen Kiew und Moskau über eine Waffenruhe in dem seit mehr als drei Jahren andauernden Krieg stocken.