Kanzler-Kollegen: Christian Stocker und Friedrich Merz
©Foto: Christoph Soeder / dpa / picturedesk.comChristian Stocker wiederholt einen Fehler seines Vorgängers Karl Nehammer: Er versucht Empfindungen zu entsprechen – und ist dabei alles andere als klar.
Analyse der Woche
Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit einem Thema setzt voraus, dass man weiß, was gemeint ist. Bei der „Stadtbild“-Debatte ist das nicht der Fall.
Ahnungen und Andeutungen
Der deutsche Kanzler Friedrich Merz (CDU) hat sie eröffnet, als er Mitte Oktober erklärte, dass man bei der Migration bereits viel erreicht habe, die Zahl der Asylanträge gesunken sei und dann feststellte, dass es „im Stadtbild“ noch immer „dieses Problem“ gebe und sein Innenminister daher dabei sei, für Rückführungen zu sorgen. Später fügte er hinzu: „Fragen sie mal ihre Töchter, was ich damit gemeint haben könnte.“
Das lässt Ahnungen zu, ist aber auch nur eine Andeutung. Es bleibt daher ein Spiel mit Unbehagen über Fremde und Fremdes, das in Teilen der Gesellschaft besteht, mit Ängsten aufgrund wahrgenommener Unsicherheiten. Merz will signalisieren, dass er sie sieht.
Riskantes Spiel
Ausgerechnet Österreichs Kanzler Christian Stocker (ÖVP) pflichtet ihm bei: Es sei eine Beschreibung der Wirklichkeit, sagte er zum Kurier, es wäre „falsch, so zu tun, als würde es das alles nicht geben“.
Selbstverständlich gibt es da etwas. Stocker müsste jedoch wissen, wie riskant es ist, durch Formulierungen wie „das alles“ eine Klarheit vorzugeben, die keine ist: Es zählte zu den größten Fehlern, die sein Vorgänger Karl Nehammer gemacht hat, als er sich bemühte, mit Begriffen wie „Leitkultur“ und „Normalität“ einer Sehnsucht nach Identität und Abgrenzung von anderen zu entsprechen, es aber nie schaffte, zu einem Punkt zu kommen.
Kickls maximal konsequente Antworten
So trieb er Wähler zu dem, der eine Form von Klarheit liefert: Herbert Kickl (FPÖ). Es nützte Kickl, wie es jetzt auch die Sache mit dem „Stadtbild“ tun könnte: Nicht nur, dass hier Regierende unfreiwillig vermitteln, Missstände zu verantworten zu haben.
Er ist es, der Antworten anbietet, die auf ihre Weise maximal konsequent sind – der beispielsweise eine „Asylobergrenze null“ einführen, eine „Festung Österreich“ errichten und „Remigration“ durchführen würde.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 45/2025 erschienen.







