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Regierung gedachte mit Festakt Ende des Zweiten Weltkriegs

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Kanzler Stocker erinnerte an Österreichs historische Verantwortung
©APA, ANDY WENZEL, BUNDESKANZLERAMT
Mit einem Festakt im Bundeskanzleramt hat die Regierung am Donnerstag der Befreiung vom Nationalsozialismus und des Endes des Zweiten Weltkriegs in Europa gedacht. Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) betonte die historische Verantwortung Österreichs. Zu wenige hätten einst den Mut gehabt, gegen autoritäre Ideologien und Hass aufzustehen. Österreichs Verantwortung bedeute gerade jetzt, wo der Antisemitismus massiv zunehme, dass "Nie wieder" mehr sein müsse als eine Floskel.

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"Dagegen muss, wo immer es passiert, überall aufgestanden werden und wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wenn sich Jüdinnen und Juden in Österreich und darüber hinaus nicht mehr sicher fühlen", so Stocker. Österreich habe sich viel zu lange ausschließlich als Opfer der Nationalsozialisten gesehen. Heute stelle man sich offen und unvoreingenommen allen Kapiteln seiner Geschichte, "den hellen, aber auch den dunklen".

Der Kanzler erinnerte in seiner Rede an die über 65.000 österreichischen Jüdinnen und Juden, die im Holocaust ermordet wurden, ebenso wie an Roma und Sinti, politisch Verfolgte, Menschen mit Behinderungen, Homosexuelle, und alle anderen, die durch das NS-Regime entrechtet, vertrieben, gequält und getötet wurden. Hunderttausende Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter seien unter unmenschlichen Bedingungen ausgebeutet worden; Männer, Frauen und Kinder durch Kampfhandlungen und Bombenangriffe ums Leben gekommen.

Viele Österreicher seien auch als Soldaten im Zweiten Weltkrieg gefallen. "Auch sie sind Teil unserer Geschichte, und es ist unsere Pflicht, die Geschichte in all ihrer Widersprüchlichkeit anzunehmen", sagte Stocker. Man müsse das gesamte Ausmaß der Verbrechen begreifen, die im Namen des Nationalsozialismus begangen worden sind.

"Dank und Respekt" sprach Stocker all jenen aus, die für die Befreiung Österreichs gekämpft haben. "Sie haben für den Sieg über eine brutale Diktatur geprägt von Antisemitismus, Rassismus und Menschenverachtung tatsächlich geblutet." Dies sei "die Saat für die Wiedererstehung unseres Landes" gewesen.

Den 8. Mai 1945 nannte Stocker eine "entscheidende Zäsur in der Geschichte Österreichs", er sei Voraussetzung gewesen für die Entstehung der freien und unabhängigen Zweiten Republik. Viele Österreicherinnen und Österreicher aus allen weltanschaulichen Richtungen seien damals entschlossen gewesen, neu anzufangen und diese gemeinsam zu einer Erfolgsgeschichte zu machen. Heute sei Österreich "ein wunderschönes, ein lebenswertes, ein starkes Land" in einem vereinten Europa und es liege an uns allen, dass das auch so bleibe. Stocker appellierte, aufeinander zuzugehen, einander zuzuhören und einander in seiner Verschiedenartigkeit zu akzeptieren. "Akzeptieren wir niemals Intoleranz, egal in welcher Gestalt sie sich zeigt.", rief Stocker auf. "Das ist die Verantwortung, die sich aus der Geschichte ergibt."

Ein "zu kurzes historisches Gedächtnis" unterstellte der Regierung indes die russische Botschaft in Wien, weil auch im Jubiläumsjahr offizielle Vertreter Russlands nicht zu den nationalen Feierlichkeiten geladen worden seien. Die russische Diplomatie nehme dies zwar mit Gelassenheit, finde man doch andere Wege, seiner Helden und Opfer gebührend zu gedenken. "Was in diesem Kontext jedoch besorgniserregend erscheint, ist der Versuch der jetzigen österreichischen Führung, wohl aus politischem Kalkül, bestimmte Kapitel eigener Geschichte auszuklammern oder glatt umzuschreiben", kritisierte Botschafter Dmitrij Ljubinskij in einem Facebook-Posting.

SPÖ-Vizekanzler Andreas Babler mahnte in seiner Rede, nie zu vergessen, welches "Monster" aus unserer Gesellschaft wieder erwachen kann, wenn Menschen glauben, anderen überlegen zu sein und ihnen ihre Gleichwertigkeit und Rechte absprechen. "Nie wieder dürfen wir uns über andere erheben, nie wieder dürfen wir den Wert einer Menschengruppe infrage stellen, nie wieder dürfen wir uns spalten lassen und der autoritären Versuchung erliegen", warnte er.

Wenn Österreich seine Erfolgsgeschichte weiterschreiben wolle, müsse es auf die Schwächsten in der Gesellschaft achten und freie Medien sowie das Vertrauen in die Politik wieder stärken. In den vergangenen Jahren habe sich die Gesellschaft immer öfter spalten lassen, es sei die Rede gewesen von denen am Land und denen in der Stadt, von den Ausländern und Österreichern. Gruppen hätten sich selbst als "normal" bezeichnet, nur um damit zu sagen, dass andere "nicht normal" seien. "Wir sollten die Risse, die entstanden sind, kitten, bevor sie uns gänzlich spalten können", mahnte der Vizekanzler.

Bildungsminister Christoph Wiederkehr (NEOS) forderte wiederum, anlässlich des Gedenkens auch die Warnungen der Überlebenden vor Hass und Ausgrenzung, vor Extremismus, Antisemitismus und Rassismus zu hören. "Wir müssen diese Stimmen ernstnehmen und danach handeln", so Wiederkehr. Noch gebe es 14 Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die unermüdlich Aufklärungsarbeit in den Schulen leisten. Der Auftrag sei aber, die Erinnerungskultur auch weiter zu erhalten, wenn diese einmal nicht mehr da seien.

Grünen-Chef Werner Kogler sprach auf Sozialen Medien vom 8. Mai als "Tag der Freude", markiere er doch "die Befreiung von der nationalsozialistischen Barbarei" und damit den Beginn des Friedens für Österreich. Dieser Friede sei jedoch nicht selbstverständlich und müsse auch verteidigt werden, betonte Kogler mit Verweis auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine.

FPÖ-Chef Hebert Kickl hob per Aussendung wiederum die Bedeutung von Frieden, Freiheit und Demokratie hervor. Das sei in Zeiten, in denen "gewisse Kräfte wieder Krieg zu einem legitimen Mittel der Politik erheben wollen", aktueller denn je. Er erinnerte neben den Gefallenen, zivilen Kriegsopfer und vom NS-Regime Ermordeten und Verfolgten auch an "das Unrecht" gegenüber Altösterreichern.

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