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Gewessler kritisiert Regierung für fehlenden Klimaschutz

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Gewessler bei einer Pressekonferenz Ende September
©APA, TOBIAS STEINMAURER
Wenige Tage nachdem der Wirbel in der Wirtschaftskammer (WKÖ) schließlich zum Rücktritt von Präsident Harald Mahrer geführt hatte, sieht Grünen-Chefin Leonore Gewessler nun eine "riesige Chance" für Reformen in der Kammer, wie etwa eine Senkung der Kammerumlage 2. In der ORF-"Pressestunde" am Sonntag übte sie scharfe Kritik an ihrem Nachfolger als Klimaminister, Norbert Totschnig (ÖVP). Beim Budget fliege die Bundesregierung immer noch "im Blindflug", bemängelte Gewessler.

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"Als hartes Verhandlungsgegenüber", vor allem auch beim Klimaschutz, habe sie Mahrer erlebt. Für den Rücktritt gebühre ihm aber auch Respekt. Grund für den verloren gegangenen Rückhalt waren Gehaltserhöhungen für die Kammermitarbeitenden deutlich über der Inflation, sehr hohe Steigerungen bei den Entschädigungen für Präsidiumsmitglieder in den Wirtschaftskammern und eine einhergehende missglückte Kommunikation. Dazu kam Kritik an Mahrers Mehrfachbezügen.

Zu den Gehalts-Erhöhungen von 4,2 Prozent, die im erweiterten Präsidium auch die Grüne Wirtschaft mitbeschlossen hatte, meinte Gewessler: Es sei Aufgabe der Kammer, für sich zu lösen, wie damit umgegangen wird. Aber auch die Kammer werde ihren Beitrag leisten müssen, nachdem etwa bei den Beamten das Gehaltspaket wieder aufgeschnürt wurde. Auch bei der Pflichtmitgliedschaft gebe es Reformbedarf.

Neben Mahrer stand auch ÖVP-Klubobmann August Wöginger in den letzten Wochen in der Kritik. Nachdem dieser vor Gericht einen unrechtmäßigen Einsatz bei der Besetzung des Finanzamts Braunau einräumte und mit einer Diversion davon kam, überstand er das Verfahren auch politisch. An einen Rückzug dachte er nicht. Gewessler meinte dazu: "Ich an seiner Stelle hätte anders reagiert"

Kritik erntete die Bundesregierung für die nach wie vor bestehenden Unklarheiten, was das Budgetdefizit betrifft: "Es kann doch nicht sein, dass wir Monate nach dem Budgetbeschluss noch immer in einem Blindflug sind." Ein düsteres Bild der Finanzen zeichnete am Samstag auch ÖGK-Chef Peter McDonald, der im Gespräch mit der APA ein Defizit von knapp 800 Millionen Euro für 2029 prognostizierte.

Mit dem Vorschlag der Salzburger Landeshauptfrau Karoline Edtstadler (ÖVP), die gesamten Gesundheitsagenden an den Bund zu übertragen, kann auch Gewessler etwas anfangen. "Den Menschen in diesem Land ist am Ende egal, wer zuständig ist. Die wollen ein Gesundheitssystem, das funktioniert". Geteilte Zuständigkeiten seien aber nicht zielbringend: "Da haben wir zehn Kapitäne auf einem Boot, die in unterschiedliche Richtungen segeln und steuern".

Gewessler verwehrte sich gegen Kritik, an der Budgetmisere sei der Klimaschutz schuld. "Wir haben (in Regierungsverantwortung während des russischen Angriffskrieges in der Ukraine, Anm.) Menschen und Betriebe unterstützt, dazu stehe ich. Auch wir müssten jetzt konsolidieren". Anstatt jetzt beim Klimaschutz zu sparen, solle man aber woanders ansetzen. "Wann, wenn nicht jetzt, ist die Zeit, das anzugehen?", meinte sie in Hinblick auf das Dieselprivileg.

Die Grünen kümmern sich aber nicht nur um den Klimaschutz, sondern auch um die Menschen, betonte die Parteichefin. So sei etwa das Klimaticket auch ein Projekt gewesen, um Mobilität leistbar zu machen. "Lieber Herr Minister, wo bleiben die Energie-Gesetze?", fragte die ehemalige Klimaministerin in Richtung ihres Nachfolgers Norbert Totschnig (ÖVP). Wie das ORF-Radio am Sonntag berichtete, laufen hier derzeit Gespräche der Dreierkoalition mit der FPÖ.

ÖVP-Generalsekretär Nico Marchetti appellierte in einer Aussendung am Sonntag an die Grünen und die Freiheitlichen das Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) mir ihrer Zustimmung im Rahmen einer Zweidrittelmehrheit in Umsetzung zu bringen. FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker ritt indes zum Angriff gegen Gewessler aus. In einer Aussendung nannte er ihr Interview einen "ideologischen Feldzug gegen die eigene Bevölkerung". "Unser Land benötigt keine Klimahysterie und linksideologische Sektiererei, sondern echten Umweltschutz mit Hausverstand", so Hafenecker. Er fordert u.a. eine Entlastung bei den Spritpreisen und ein "klares Bekenntnis zum Individualverkehr."

An ihrem Nachfolger ließ sie allgemein kaum ein gutes Haar. Anlass bot ihr etwa die derzeit laufende Klimakonferenz COP30 in Brasilien, "der einzige Ort, wo global was Gutes entstehen kann", aber nur wenn man etwas erreichen wolle. Das traut sie Totschnig offenbar nicht zu. "Hab ein Rendezvous mit der Realität der Klimakrise", richtete sie ihm aus. Die Koalition aus ÖVP, SPÖ und NEOS hatte etwa den unter Gewessler eingeführten Klimabonus wieder abgeschafft, die Preise beim Klimaticket deutlich erhöht und will nun doch den Lobautunnel bauen.

Stichwort Lobau: Ob die Grünen bei einer etwaigen Besetzung dabei wären, ließ Gewessler offen. Klar sei aber: "Wir werden alle Mittel ausnützen, die wir parlamentarisch haben." Denn der Lobautunnel sei auch für Autofahrerinnen und Autofahrer nicht die richtige Lösung. "Am Ende werden wir nicht nur auf der Tangente im Stau stehen, sondern auf der Tangente und im Tunnel."

Gewessler forderte, Druck auf die Preisgestaltung der Landesenergieversorger auszuüben und die Netze auszubauen."Ich frage mich vor allem, wo in dieser Regierung die Sozialdemokratie ist?", kritisierte Gewessler auch die SPÖ und bemängelte, dass Familienleistungen nicht an die Teuerung angepasst worden seien.

Einmal mehr betonte Gewessler auch, beim Kopftuchverbot nicht zuzustimmen. Sie geht davon aus, dass dieses, wie schon 2019, vor dem Verfassungsgerichtshof nicht halten wird. "Geärgert" habe sie sich sowohl über die Stadtbild-Aussage vom deutschen Kanzler Friedrich Merz (CDU) als auch die Unterstützung seines heimischen Pendants Christian Stocker (ÖVP).

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