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Fünf-Punkte-Plan soll Kinder aus der Kriminalität bringen

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Polizei: können das Problem der Jugendkriminalität nicht allein lösen
©APA, THEMENBILD, HANS KLAUS TECHT
Angesichts der in bestimmten Altersgruppen stark steigenden Zahlen will die Arbeitsgruppe "Kinder- und Jugendkriminalität", die von der Landespolizeidirektion Wien und dem Bundeskriminalamt geführt wurde und in der Vertreterinnen und Vertreter aller wesentlichen Organisationen saßen, mit einem Fünf-Punkte-Programm dagegenhalten. Dabei ist als Weisheit letzter Schluss auch an die Einführung geschlossener Einrichtungen gedacht, wie sie im Regierungsprogramm vorgesehen sind.

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Diese Maßnahme ist unter den beteiligten Organisationen nach wie vor nicht unumstritten - vor allem die Kinder- und Jugendhilfen waren bisher aber strikt dagegen. Aber, wie Walter Dillinger von der Landespolizeidirektion Wien und Leiter der Arbeitsgruppe (AG) sowie Johannes Köhler, Leiter der Wiener Kinder- und Jugendhilfe (MA 11) am Montag vor Journalistinnen und Journalisten sagten, es scheint ein Umdenken einzusetzen. "Wir stehen vor einer völlig anderen Situation", sagte Köhler. "Es war erschütternd, dass sich der Staat gegen Personen, wenn diese nicht wollen, nicht wehren kann. Das wird sich ändern", betonte Dillinger.

Das Fünf-Punkte-Programm umfasst, bevor es für anders nicht zu erreichende Intensivtäterinnen und -täter in geschlossene Einrichtungen gehen soll, Präventions- und Vernetzungsmaßnahmen für Eltern, Bildungseinrichtungen wie Kindergärten und Schulen sowie Vernetzungstreffen der auch in der AG beteiligten Organisationen.

Eine "Koordinierte Intervention bei Schwellentäter*innen" (KISI) ist in Zukunft die nächste Stufe, wenn Unmündige das erste Mal straffällig werden. Dabei gibt es in Anwesenheit des Kindes eine sicherheitspolizeiliche Beratung für die Erziehungsberechtigten durch Polizistinnen und Polizisten. Danach erfolgt ein bis zu fünfmonatiges Monitoring, an dessen Ende ein weiteres Beratungsgespräch stattfindet. Hat es weitere von dem betreffenden Kind verübte Straftaten gegeben, entscheidet eine Steuerungsgruppe (KISI) - die aus Vertretern der Wiener Kinder- und Jugendhilfe besteht - über weitere Maßnahmen. Die Probephase startet mit 1. Juni 2025.

Die dritte Stufe umfasst die Orientierungshilfe (OH) bei unmündigen Intensivtäterinnen und -tätern, also Kindern, die per definitionem innerhalb eines Jahres mindestens fünf Vormerkungen wegen Straftaten in polizeilichen Datenbanken haben. Die OH hat zum Ziel, dass sie ein langfristiges Beziehungsangebot idealerweise mit fixen Vertrauenspersonen macht, das die Kinder fortlaufend begleitet. Solche Kinder haben in den meisten Fällen nämlich bereits vermehrte Unterbringungswechsel in WGs und Krisenzentren durchgemacht. Wie die OH dann konkret aussieht, erfolgt in enger Abstimmung mit dem den Fall bearbeitenden Sozialarbeiter bzw. der Sozialarbeiterin.

Als letzte Maßnahme bei unmündigen Systemsprengern - Kinder, die mehr als 50 Straftaten in einem Jahr verüben - soll es die temporäre Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung geben. Diese wäre als Ultima Ratio vorgesehen, die gesetzlichen Voraussetzungen dafür müssen aber erst geschaffen werden. Köhler schätzte, dass in Wien bei derzeit rund 30 bis 40 Intensivtätern rund zehn bis 15 Plätze vorzusehen wären.

Einig waren sich die Vertreter der AG Dillinger zufolge, dass ein Herabsetzen des Alters für die Strafmündigkeit "keinen Sinn macht". Der Polizist: "Es kann aber nicht sein, dass Zwölfjährige Wien wahllos in Atem halten, weil uns die rechtlichen Möglichkeiten fehlen." Nach derzeit geltender Rechtslage dürfen Kinder in Krisenzentren und Wohngemeinschaften aber nicht eingesperrt werden, ergänzte Köhler.

Um diese geschlossenen Einrichtungen tatsächlich in die Tat umzusetzen, brauche es noch eine bundesgesetzliche Grundlage. Darin muss auch eine richterliche Beschlussfassung enthalten sein, wie lange das betreffende Kind festgehalten werden darf oder muss. Laut MA-11-Chef Köhler müssen zudem auch noch geeignete Objekte gefunden werden, denn aus den bestehenden Einrichtungen können keine geschlossenen Einrichtungen gemacht werden. Derzeit sehen sich die Experten sich Konzepte in der Schweiz, in Deutschland und in Skandinavien an. Mit einem Gefängnis wolle man die geforderten stationären Maßnahmen nicht vergleichen. Denn es müsse therapeutische Settings geben und es ist Unterricht anzubieten, da die Kinder noch schulpflichtig sind. Zudem brauche es Security-Personal und strenge Regeln.

Diese geschlossenen Einrichtungen werden zu den "teuersten Einrichtungen, die wir haben", zählen, sagte Köhler. Petra Huber-Lintner vom Bundeskriminalamt wies darauf hin, dass es auch viel koste, keine Maßnahmen zu setzen. Denn "jeder einzelne Intensivtäter verursacht 1,7 Millionen Euro an Folgekosten", sagte sie und berief sich dabei auf eine Studie aus Nordrhein-Westfalen. Dazu zählen die direkten Kosten für die Opfer und die indirekten Kosten aus Betreuungseinrichtungen. Weil bei vielen Tätern das Risiko bestehe, später nicht im Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, kämen Kosten für soziale Maßnahmen hinzu.

All das benötigt wohl noch etwas Zeit. Wie viel, wusste Köhler noch nicht. "Aber Jahre sind es eher nicht, weil es ja auch entsprechenden politischen Druck gibt."

Warum das Thema jetzt so pressiert, erläuterte Dieter Csefan, Leiter der Abteilung zur Bekämpfung der organisierten und allgemeinen Kriminalität im Bundeskriminalamt (BK) und der im vergangenen Jahr neu gegründeten Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Jugendkriminalität. Demnach stieg österreichweit die Zahl der Tatverdächtigen im Alter von zehn bis 14 Jahren von 9.730 Tatverdächtigen auf 12.049 im Vorjahr um 23,8 Prozent. In Wien explodierte regelrecht die Zahl der Tatverdächtigen in dieser Altersgruppe: von 2.392 im Jahr 2023 auf 5.066 im vergangenen Jahr - das bedeutete einen Anstieg um 112 Prozent.

Köhler sprach gegenüber der APA auch von steigender Gefährdung seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Alle zwei Wochen gebe es einen verletzten Sozialpädagogen oder eine verletzte Sozialpädagogin.

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