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Der in der Wiener Innenstadt ansässige Thinktank mit dem Status einer internationalen Organisation betreibt Projekte in mehr als 90 Ländern und beschäftigt 540 Mitarbeiter in 31 regionalen Büros. Mit ihrer Expertise unterstützen sie die Mitgliedsstaaten und ihre Partner bei einer wirksameren Migrationspolitik. Neben der Beobachtung von Migrationsströmen gehört dazu auch die Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitländern. Die Organisation war im Jahr 1993 von der Schweiz und Österreich unter dem Eindruck der Flüchtlingswellen durch die Balkankriege gegründet worden. Nach der Migrationskrise 2015/16 gewann sie stark an Bedeutung.
Raab ist die erste Frau an der Spitze des ICMPD. Die aktuelle Vorsitzende des Leitungsgremiums der Organisation, Sofia Östmark, würdigte die neue Generaldirektorin in einer Aussendung als "hoch qualifiziert". "Die Expertise und die Fähigkeiten von Susanne Raab werden umfassend dazu beitragen, die Bemühungen von ICMPD bei der Entwicklung der Migrationspolitik zu unterstützen", betonte die stellvertretende Generaldirektorin im schwedischen Justizministerium.
Raab bezeichnete es als "Privileg" die Führung der Organisation zu übernehmen, "die wegen ihres umfassenden Ansatzes im Bereich der Migrationspolitik und ihren beeindruckenden Innovationsleistungen angesehen ist". Sie wolle auf dieser "starken Grundlage" aufbauen und die Position von ICMPD "als führende und von ihren Mitgliedern getragene internationale Organisation stärken, die sich der Entwicklung von praktikablen und wirksamen Lösungen im Migrationsmanagement verschrieben hat".
Erfreut über die Wahl zeigte sich auch Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS). "ICMPD kann sich glücklich schätzen, künftig von einer kompetenten und engagierten neuen Generaldirektorin geleitet zu werden", schrieb sie auf X. "Ich freue mich sehr für Dich - aber besonders auch für Österreich", gratulierte sie der Ex-Ministerin und aktuellen Nationalratsabgeordneten.
Die Oberösterreicherin war von der scheidenden türkis-grünen Bundesregierung als österreichische Kandidatin ins Rennen geschickt worden. Raab bringt umfangreiche Expertise im Migrationsbereich mit, zuletzt fünf Jahre lang als Integrationsministerin im Bundeskanzleramt. Davor war sie Chefin der Sektion Integration im Außenministerium sowie Referatsleiterin für Integrationskoordination im Innenministerium gewesen. Die promovierte Rechtswissenschafterin forschte zudem zum Thema Asyl- und Fremdenrecht an der Universität Salzburg.
Mit der Wahl kommt ein monatelanger Bewerbungsprozess zum Abschluss. Nachdem sich auf eine internationale Ausschreibung bis Jahresende mehr als 70 Menschen beworben hatten, traf eine dreiköpfige Kommission bestehend aus einem Vertreter des ICMPD-Aufsichtsgremiums, des ICMPD-Direktors für Management John Aguirre und einem internationalen Personalberater die Vorauswahl. Bei einem Hearing im März schaffte es Raab auf die sogenannte Shortlist. Im April stellte sie sich dann einem mehrstündigen Hearing durch Delegierte aller Mitgliedsstaaten. Bei der nunmehrigen Abstimmung in Stockholm hatte sie dem Vernehmen nach Konkurrenz aus Griechenland.
Raab wird nun rund ein halbes Jahr zum Einarbeiten haben, bleibt Spindelegger doch noch bis Jahresende im Amt. Der frühere Vizekanzler (ÖVP) steht seit 2016 an der Spitze der Organisation. Nach einer ersten fünfjährigen Amtszeit wurde er für eine weitere gewählt. Unter seiner Ägide weitete sich die Mitgliederanzahl deutlich aus. Konkret traten die Türkei, Malta, Deutschland, Griechenland, die Niederlande und Irland dem ICMPD bei. Weitere Mitglieder sind Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Kroatien, Nordmazedonien, Schweden, die Schweiz, Serbien, die Slowakei, Slowenien, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Tschechien und Ungarn.
Für seine Expertise im Migrationsbereich ist der Thinktank international hoch angesehen. Kritik gibt es immer wieder an einzelnen Projekten mit Herkunfts- und Transitländern. In die Schlagzeilen geriet die Organisation, weil sie auf Wunsch der EU-Kommission einen Internierungstrakt zur Anhaltung von Migranten im nordbosnischen Flüchtlingslager Lipa errichtete. Nach massiver Kritik von bosnischen Politikern und Aktivisten wie der österreichischen NGO "SOS Balkanroute" wurde Ende November der Abriss des Internierungstrakts verkündet, der niemals in Betrieb genommen worden war.