Donald Trumps Mutter Mary Anne MacLeod wuchs in großer Armut auf der schottischen Insel Lewis auf. Ihre Erfahrungen mit Entbehrung und sozialem Abstieg prägten nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch die Erziehung ihres Sohnes – und damit möglicherweise die politische Haltung des späteren US-Präsidenten.
Auf der kargen Insel Lewis, im Nordosten von Schottland, einer Insel der äußeren Hebriden, abgeschottet und vereinsamt, liegt etwa vier Kilometer vom Hauptort Stornoway entfernt das Dorf Tong. In den besten Zeiten hatte Tong etwa 600 Einwohner, jetzt sind es 527.
In einem der niedrigen Steinhäuser, nebeneinander aufgereiht an der einzigen Straße des Dorfs, mit Kieselsteinen verputzt und Gras bedeckt, wurde 1912 Mary Anne MacLeod als jüngstes Kind von zehn Geschwistern geboren – die Mutter des US-Präsidenten Donald Trump. ‚Black Houses‘ hießen die Häuser der armen Farmer. Ohne Schornsteine waren die Wände im Inneren schwarz von Ruß nach den kalten Wintermonaten, auch wenn sie jedes Jahr frisch geweißt wurden.
Trumps Opa der Crofter
Ihr Vater war ein Crofter. Eine Besonderheit der schottischen Landwirtschaft, wo Großgrundbesitzer die Bauern in kleine Dörfer trieben, um auf ihren Ländereien lieber Schafe zu züchten, Rotwild für die Jagd aussetzten, ihnen nur wenig Land verpachteten, sodass die Familien kaum genug zum Überleben hatten. Mary Anne sprach Gaelic zu Hause und lernte Englisch erst in der Schule.


Häuser von Crofters zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Stornoway auf der schottischen Insel Lewis.
© Imago / Gemini CollectionDer 1. Weltkrieg verschlimmerte die Situation. Die jungen Männer starben an der Front. Lewis hatte im Vergleich zur Bevölkerung die höchsten Verluste in Schottland. Die Felder konnten nicht bewirtschaftet werden, und es begann eine Welle der Auswanderung, die Schottland fast entvölkerte.
Zunächst verließen ihre älteren Schwestern Schottland, bis Mary Anne am 11. Mai 1930, einen Tag vor ihrem 18. Geburtstag, mit der RMS Transylvania New York erreichte, wo sie als Reinigungskraft und Nanny arbeitete, bis sie Fred Trump, Donald Trumps Vater, auf einer Party kennenlernte. Sie heirateten 1936. Doch ihre Erfahrungen mit Landraub, brutalen Großgrundbesitzern und der schrecklichen Armut prägte sie auch als Ehefrau eines reichen Unternehmers und hatte Einfluss auf die Erziehung ihrer Kinder.
In New York kannte man Mary Anne als die geizige Ehefrau des Besitzers mehrerer Wohnblocks, die mit ihrem rosafarbenen Rolls-Royce abends von Haus zu Haus fuhr und die Münzen aus den Waschautomaten in den Waschkellern der Wohnblocks einsammelte. Misstrauen, Argwohn und Kontrollsucht beeinflussten ihre Beziehungen zu anderen Menschen und übertrugen sich auf ihre Kinder. Selbst ihr eigenartig verknotetes, rosa gefärbtes Haar erinnert an die Haartracht von Donald Trump.
Golfplätze
Donald Trump, selbst wohlhabend geworden mit Immobilienprojekten, kaufte mehrere Grundstücke in Schottland, als wollte er zurückholen, was seinem Großvater einst weggenommen wurde, und ließ mehrere Golfplätze errichten. Er sprach selten über seine Mutter, so als würde ihre Geschichte einer Emigrantin – die ihre Heimat wegen verzweifelter Lebensbedingungen verließ und in den USA ein neues Leben beginnen konnte – nicht zu seiner Anti-Immigration-Policy passen.
Mary Anne änderte sich, als sie älter wurde, engagierte sich für soziale Projekte und spendete enorme Summen für die Modernisierung von Krankenhäusern. Im Jahr 2000, ein Jahr nach ihrem Ehemann, starb sie.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 30+31/25 erschienen.