News Logo
ABO

Stephen Kings "Kein Zurück" ist Krimi über realen Horror

Subressort
Aktualisiert
Lesezeit
4 min
Meister des Schreckens: Stephen King
©APA, GETTY IMAGES NORTH AMERICA, MATHEW TSANG
Im Nachwort zu seinem neuen Roman "Kein Zurück" listet Stephen King Männer und Frauen auf, die durch radikale Abtreibungsgegner ihr Leben verloren. Das jüngste Buch des nimmermüden Bestsellerautors ist ein durchaus politisch angehauchter Krimi mit keinen übersinnlichen, sondern zwei realen Horrorszenarien: Der 77-Jährige konfrontiert seine lieb gewonnene Romanfigur Holly Gibney mit Fanatikern, die bei ihrer Auslegung des Wort Gottes über Leichen gehen, und einem Serienkiller.

von

Über rund 640 Seiten verwebt King zwei Handlungsstränge bis zum großen Showdown. Zum einen bringt ein Psychopath wahllos Menschen stellvertretend für Geschworene um, die einen Unschuldigen der Pädophilie für schuldig befunden haben. Der von einem ehrgeizigen Staatsanwalt und einem intriganten Kollegen hereingelegte Verurteilte wird in Haft ermordet - der Auftakt für immer irrsinnigere Handlungen des Killers. Da Hollys Freundin in dem Fall ermittelt, weckt das auch den Spürsinn der King-Fans aus Romanen wie "Mr. Mercedes" oder "Der Outsider" bekannten Gibney.

Parallel dazu bedroht ein fanatischer Abtreibungsgegner eine Autorin und Aktivistin, die für das Selbstbestimmungsrecht der Frau eintritt. Die selbstbewusste und wortgewandte Feministin ist es gewohnt, auf ihren Lesereisen auf Widerstand zu treffen. Doch diesmal bekommt sie es mit einem verblendeten und psychisch kranken Mitglied einer radikalen Kirche zu tun, die den "Gotteskrieger" mit einer Mission betraut hat. Nach einem misslungenen Anschlag wird Holly als Personenschützerin engagiert.

"Ich wollte schon immer einen Wer-war-es-Roman schreiben", sagt King in einem auf sozialen Netzwerken veröffentlichten Interview zu "Kein Zurück". Zugleich erzählt er von seiner Leidenschaft für Krimis wie Patricia Highsmiths "Der talentierte Mr. Ripley", "wo man sofort weiß, wer der Böse ist". In seinem jüngsten Werk verknüpft der Schriftsteller beide Ansätze, Suspense trifft auf Action und Fiktion auf durchaus real Mögliches (basierend auf Tatsachen). Manche Rätsel werden erst gegen Ende aufgelöst. Zugleich blickt man in die Seelen der Täter.

"Kein Zurück" ist kein politisches Statement per se, sondern unterhaltsame, ausufernde Spannungslektüre mit den für King typischen Page-Turnern und Andeutungen, die zum Verschlingen des Stoffs animieren. Beim großen Finale, das zeitgleich mit einem Sportevent abläuft, sind die Kapitel mit Zeitangaben versehen - die parallel ablaufende Hektik auf dem Spielfeld und im Wettlauf gegen ein Verbrechen reißt mit. Eine Hommage an "Psycho" fehlt ebenso wenig wie eine Verneigung vor Sängerin Mavis Staples (die King als Vorbild für eine der Hauptfiguren nimmt). Ein paar Seitenhiebe in Richtung Versicherungen (was auch immer die King angetan haben) sorgen für eine Prise Humor.

Und doch gibt es politische Komponenten. Wiederholt thematisiert Impf-Befürworter King Covid, beschreibt, wie im Büro eines Staatsanwalts, der eigene Karriereinteressen über Berufsethik stellt, ein Foto von JD Vance an der Wand prangt, rückt Breitbart News in kein gutes Licht. Sind das nur kleine Anspielungen, ist die Kritik an Kirchen direkt, die Hass gegen queere Menschen, Abtreibung und Feminismus schüren und Grenzen überschreiten. In "Kein Zurück" kann man durchaus eine Botschaft herauslesen, verpackt in eine haarsträubende, mit Klischees garnierte Crimestory - die Mahnung zur Abrüstung der Worte und Taten.

(Von Wolfgang Hauptmann/APA)

(S E R V I C E - Stephen King: "Kein Zurück", übersetzt von Bernhard Kleinschmidt, Heyne Verlag, 640 Seiten, 29,50 Euro)

Über die Autoren

Logo
Monatsabo ab 20,63€
Ähnliche Artikel
2048ALMAITVEUNZZNSWI314112341311241241412414124141241TIER