Der zuständige ÖVP-Minister findet, dass man Klimapolitik nicht diktieren kann. Über heiße Jahre, kühle Monate, die Verantwortung der Politik – und die Frage, was das alles mit den jungen Menschen in diesem Land zu tun hat
Es ist die Zeit des Jahres, in der dem einen oder anderen dämmert, dass es vielleicht doch keine gute Idee war, das Thema Klimaschutz als lästiges Modethema abzutun und auf der Tagesordnung unter Allfälliges zu reihen. Beachtlich, mit welcher Brutalität sich Hitzewellen – unterbrochen von Unwetter- und Starkregenepisoden – mittlerweile übers Land schieben. Genauso, wie seit vielen Jahren vorhergesagt. In den Städten wird das Leben für Ältere, Schwache und Kranke in diesen Wochen immer mehr zu einer Frage des Überlebens. Die Zahl der Hitzetoten steigt europaweit stark an. Wer die Möglichkeit hat, sucht Zuflucht auf dem Land (und pendelt dann mit dem SUV in die Städte, was die Belastung dort weiter steigert) oder lässt eine Klimaanlage einbauen. Wer sich das nicht leisten kann, hat Pech gehabt. Diejenigen, die am wenigsten für die Klimaerwärmung können – weil sie weniger konsumieren, nicht oder wenig fliegen etc. –, leiden am meisten darunter, das gehört zu den besonderen Perfidien dieser Entwicklung, und wirft einmal mehr die Frage auf, warum sich die sozialdemokratische Bewegung nicht schon längst viel mehr dem Klimaschutz widmet.
Arbeitsteilung
Klimapolitik hat zwei Probleme: Sie ist unangenehm, weil sie spürbare Veränderungen erfordert. Und sie basiert auf Zukunftsmodellen, die viele Menschen nicht gewillt oder in der Lage sind zu erfassen. Die Klimabewegung erreichte ihren Höhepunkt nicht zufällig im Jahr 2019, in einem Jahr, das von extremer Hitze und starken Waldbränden geprägt war. Bei den Nationalratswahlen im Oktober kamen die Grünen auf knapp 14 Prozent und anschließend in die Bundesregierung, der Rest ist bekannt. Inzwischen reicht ein als kühl wahrgenommener – in Wahrheit durchschnittlicher warmer – Mai, und schon verbreitet sich das Gefühl, dass das alles eh nicht so schlimm ist. Das In-die-Zukunft-Denken und Große-Zusammenhänge-Verstehen ist nicht so unsere Stärke. Muss es ja auch nicht sein. Dafür gibt es gesellschaftliche Arbeitsteilung. Es gibt Menschen, die dafür ausgebildet sind zu berechnen, wie sich die Dinge künftig entwickeln werden. Und dann gibt es andere, deren Job es ist, diese Erkenntnisse umzusetzen, damit wir alle in 30 Jahren auch noch ein gutes Leben haben.
Oh wait. Außer sie heißen Norbert Totschnig und sind ÖVP-„Klima“-Minister. Dann gilt die altmodische Überzeugung, dass die Politik mutig vorgehen und überzeugen muss, nämlich nicht mehr, sondern die umgekehrte Prämisse: Klimaschutzmaßnahmen könne man nicht „diktieren“, erklärte der Minister kürzlich in der ORF-Pressestunde, sondern müsse „aus der Bevölkerung heraus“ kommen. Was soll das genau heißen? Wenn wir nicht alle eines Morgens aufwachen und beschließen, künftig kollektiv an der Rettung des Klimas zu arbeiten, passiert nichts Entscheidendes, weil die Politik sich nicht traut, möglicherweise unangenehme Maßnahmen zu setzen? Das ist eine groteske Umkehrung der Zuständigkeiten, die auch einen Schatten auf den Rest einer Regierung wirft, die bisher vor allem dadurch auffällt, nicht negativ aufzufallen. Mag sein, dass hier und dort Reformen und Reförmchen geschehen, aber den Lead in Sachen Klimapolitik an die Bevölkerung abzuschieben, ist ein Ausdruck äußerster Hilflosigkeit.
Den Lead in Sachen Klimapolitik an die Bevölkerung abzuschieben, ist ein Zeichen von Hilflosigkeit
Dahinter steht die Angst, es sich mit den Wählerinnen und Wählern zu verscherzen. Der Eindruck, dass sich viele Menschen überfordert fühlen, wenn es zu schnell geht, und wenn man ihnen „diktiert“, wie Totschnig formuliert, wie sie sich zu verhalten haben. Die polemische Ausdrucksweise zeigt, in welches Eck die ÖVP sich aus populistischen Gründen – und in Abgrenzung vom ungeliebten Ex-Koalitionspartner, den Grünen – hat drängen lassen: Aktive Klimapolitik, die eigentlich selbstverständlicher Bestandteil jeder sich als staatstragend verstehenden Partei sein müsste, wird als „diktatorisch“ denunziert, stattdessen setzt man auf Mindestmaß und Laissez-fair. Sollen doch die Menschen selbst entscheiden, ob sie in ein paar Jahrzehnten noch eine lebenswerte Umwelt vorfinden wollen.
Junge Stimmen
Das ist nicht nur zynisch, sondern zeigt auch einmal mehr, für wen in Österreich Politik gemacht wird. Und vor allem, für wen nicht. Im Zuge des Amoklaufs von Graz gerieten Jugendliche für ein paar Tage in den Fokus medialer Aufmerksamkeit: Einmal auch junge Stimmen zu hören und über ihre Anliegen zu sprechen – auch wenn der Anlass schrecklich war –, machte deutlich, wie selten diese Bevölkerungsgruppe sonst in den öffentlichen Debatten vorkommt. Alternden Ex-Bundeskanzlern und sonstigen (früheren) Funktionsträgern wird unendlich viel Raum gegeben, ihre Ansichten über Gott und die Welt zu verbreiten. Menschen unter 30 sind quasi nicht vorhanden. Und damit auch nicht ihre Anliegen. Befragungen zeigen, dass die Klimaerwärmung ein Thema ist, das Teens und Twens sehr ängstigt und beschäftigt. Verantwortungsvolle Politik würde sich tatkräftig an ihre Seite stellen, anstatt sich ängstlich zu verstecken.
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Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 26/2025 erschienen.