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Angesichts der nach dem ESC-Sieg von JJ 2026 erneut anstehenden Ausrichtung des Bewerbs in Österreich sprach die APA mit Böhm über eine Neidgesellschaft, den größten Fehler, den das neue ESC-Organisationsteam machen könnte, und die Frage, ob er als Berater auch für den ESC 2026 an Bord sein könnte.
APA: Die meisten Menschen dachten: Ein Eurovision Song Contest in Österreich ist eine once in a lifetime-Sache. Nun ist es elf Jahre später schon wieder so weit. Herrscht bei Ihnen nur Freude oder auch ein wenig Missmut ob der Relativierung des eigenen Lebenswerks?
Edgar Böhm: Nein! Ich freue mich total, dass das wieder gelungen ist. Conchita hat da einfach eine Tür aufgestoßen. Seither ist Österreich nach Jahrzehnten am Radar der Song-Contest-Community aufgetaucht. Und dass das nun nochmals passiert, ist großartig für das Musikland Österreich, seine Künstler und natürlich den ORF.
APA: Zugleich dreht sich die Diskussion im Land primär um die Kosten des Events. Ist das für Sie enttäuschend?
Böhm: Anstelle von großer Freude und Optimismus, weil man eine solch riesige Veranstaltung ins Land geholt hat, nun über die Frage zu debattieren "Wer zahlt es?", halte ich für total kleinlich und im Grunde lächerlich. In diesem reichen Land wird das Budget vorhanden sein. Es kann nur im Interesse unserer Republik sein, das anständig, ordentlich, professionell und gut finanziert über die Bühne zu bringen. Das ist eine Neidgesellschaft, die es interessanterweise vor zehn Jahren nach dem Sieg von Conchita noch überhaupt nicht gegeben hat. Da war die Frage, wie sehr der ESC das ORF-Budget belastet, überhaupt kein Thema.
APA: Positiv formuliert muss man aber auch konstatieren, dass anders als damals die Frage, ob ein queerer Künstler das Land Österreich repräsentieren kann, heute schlicht keine mehr ist ...
Böhm: Das meine ich mit dem Türaufstoßen. Da hat Conchita etwas bewegt. Das Land hat sich damals kollektiv gefragt: Das geht auch? Und das hat ein Umdenken ausgelöst in der österreichischen Öffentlichkeit.
APA: Ungeachtet finanzieller Fragen ist ein Großereignis wie die Ausrichtung eines ESC für den ORF selbstredend eine große Herausforderung. Ist es denkbar, dass Sie mit Ihrer diesbezüglichen Erfahrung gleichsam als Elder Statesman samt Beratervertrag an Bord kommen?
Böhm: Die anderen sind jetzt dran. Im ORF ist die nächste Generation an Profis tätig, die das seit Jahren macht. Und man wächst auch in eine Rolle hinein - für mich war damals der Executive Producer des ESC auch eine ganz neue Erfahrung. Es war für mich immer klar, dass ich mir, wenn ich den ORF verlasse, ein neues, eigenes Leben aufbaue. Und dass ich ja nicht mit guten Ratschlägen und Erfahrungen den Jungen auf die Nerven gehe. Es haben sich in den vergangenen zehn Jahren unheimlich viele Dinge geändert haben, von denen ich keine Ahnung habe.
APA: Und doch muss ich Sie nach Ihren Erfahrungen um einen Ratschlag für Ihre Nachfolger fragen ...
Böhm: Das Schlechteste, was man jetzt machen könnte, wäre, sich Zeit zu lassen. Das ist das Einzige, was das Team nicht haben wird. Bei solch einem riesigen Event fehlt die Zeit nach hinten hinaus immer. Bei einer Fußballmeisterschaft hat man Jahre Vorlauf. Das Team in diesem Fall hat aber nur 365 Tage, um solch ein Megaevent für 37 Nationen und 150 Millionen Zuschauer auszurichten. Da ist jede Stunde, die man jetzt bereits investiert, Gold wert.
APA: Kann der ESC in Ihren Augen auch 2026 nur in Wien stattfinden?
Böhm: Ich weiß nicht, wie sich die Infrastruktur in den Städten, die sich auch damals beworben haben, entwickelt hat. Damals war die Entscheidung völlig eindeutig und objektiv darstellbar. Ob jetzt Graz oder Innsbruck ihre Infrastruktur soweit verändert haben, dass sie in Erwägung zu ziehen sind, müssen die neuen Producer entscheiden.
APA: Werden Sie - wo auch immer - zumindest als Privatmann den ESC 2026 vor Ort ansehen?
Böhm: Ja, ganz sicher! Das wäre noch schöner. Und ich gehe davon aus, dass ich eingeladen bin. (lacht)
(Das Gespräch führte Martin Fichter-Wöß/APA)