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2nd Opinion: Der Wähler will wählen

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Die Empörung über Politiker, die einfache Lösungen vorschlagen und dann auch noch umsetzen, ist unangebracht: das ist nicht undemokratisch, sondern im Gegenteil das Wesen der Demokratie

Die Empörung darüber, dass die Welt so ist, wie sie ist, gehört zu den menschlichen Regungen, für die fast jeder Mensch Verständnis hat, weil sie niemandem fremd und doch vollkommen sinnlos ist. Natürlich muss man nicht gut finden, dass die Welt so ist, wie sie ist, es spricht nichts dagegen, sie verändern zu wollen, auch wenn das naturgemäß zur Folge hätte, dass sich die nächsten darüber empören, dass sie dann ist, wie sie sein wird, weil die vorher froh darüber gewesen sind, dass sie war, wie sie nicht mehr ist. Der Zustand der Welt ist eine unendlich komplexe und zugleich denkbar einfache Angelegenheit, und das ist deshalb so, weil die Wirklichkeit universell und ihre Wahrnehmung individuell ist, was wir Menschen nur in unseren besten Momenten auf eine Weise unter einen Hut bringen, die uns nicht verzweifeln lässt, an der Welt, an uns, oder an allem.

Sollte Ihnen das ein wenig verblasen vorkommen, schwurbelig oder sogar pseudophilosophisch: fair enough, es ist alles das, aber es ist auch ein wenig wahr, und das kann jeder von uns jeden Tag überprüfen – praktischerweise an sich selbst, weshalb die Überprüfung nur selten stattfindet, denn der Mensch überprüft lieber andere als sich selbst, aber das ist eine andere Geschichte.

Die Empörung über den Zustand der Welt scheint mir immer dann besonders groß zu sein, wenn Dinge passieren, deren absolute Folgerichtigkeit im Widerspruch zur aktuellen Gefühlslage ihrer Beschreiber steht

Michael FleischhackerNEWS-Kolumnist, Journalist und Moderator

Ratlosigkeit

Die Empörung über den Zustand der Welt scheint mir immer dann besonders groß zu sein, wenn Dinge passieren, deren absolute Folgerichtigkeit im Widerspruch zur aktuellen Gefühlslage ihrer Beschreiber steht. Die täglichen Tiraden auf allen Medienkanälen, in denen mir empörte Journalistinnen und Kommentatoren erklären, wie empörend die Tatsache sei, dass Donald Trump nach seinem Amtsantritt das tut, was er im Wahlkampf angekündigt hat, hinterlässt mich dieser Tage ebenso ratlos wie der namenlose Zorn auf den Umstand, dass rechte Parteien rechte Politik machen. Mit der Empörung darüber, dass eine linke Partei versucht, linke Politik durchzusetzen, geht es mir klarerweise nicht anders: Dass ein besonders linker Sozialdemokrat wie Andreas Babler mit seinen Umverteilungsvorstellungen bis an die Grenze der Enteignung geht, sollte einen weder verwundern noch empören, denn es ist eine wenig überraschende linke Position, und wenn sich eine Mehrheit findet, die diese Positionen unterstützt, wird man ihre Umsetzung als Demokrat zu akzeptieren haben, vorbehaltlich der höchstgerichtlichen Überprüfung ihrer Verfassungskonformität.

Empörend scheint mir an den politischen Vorgängen, die derzeit in Österreich und im unbedeutenden Rest der Welt zu beobachten sind, nicht der Umstand, das Rechte rechts sind und Linke links, sondern die Tatsache, dass so viele Menschen, die sich für professionelle Beobachter und Einordner des politischen Geschehens halten, den Eindruck erwecken, dass irgendjemandem geholfen wäre, wenn Rechte und Linke sich auf ein Programm einigen, das weder rechts noch links ist. Anders gesagt: Die Positionen von Andreas Babler in den gescheiterten Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS empören mich nicht ein bisschen; die Behauptung, es wäre nicht nur eine gute Idee, sondern eine moralische Pflicht gewesen, aus Bablers Sozialismus, den Ständestaatsvorstellungen der ÖVP und den liberalen Resten der NEOS eine Regierung zu bilden, empört mich eher sehr.

Was auf der spätkapitalistischen Schwundstufe einer aktivistischen Kommentatorenelite zur populistischen Gefahr und zur Bedrohung der Demokratie uminterpretiert wird, ist das Wesen der Demokratie selbst. Einfache Lösungen anzubieten und dann ohne große Kompromisse umzusetzen, ist nicht undemokratisch, ganz im Gegenteil: Einfache Lösungen haben Nebenwirkungen und teils unvorhersehbare negative Konsequenzen. Wenn das Lösungsangebot überzeugender ist als die negativen Begleiterscheinungen, wird man wiedergewählt, wenn nicht, sind nach vier oder fünf Jahren die anderen dran. Sollte eine Partei, ein Präsident oder eine Junta des österreichischen Bundesheeres unter Führung eines rabiaten Vizeleutnants versuchen, eine Legislaturperiode zur Abschaffung der Demokratie zu nutzen, wird das nicht gelingen. Nicht zuletzt deshalb, weil sich, wie gerade in vielen Aufrufen zu lesen ist, die komplette journalistische Elite des Landes diesem Versuch furchtlos und todesmutig entgegenwerfen wird – das Chefredakteursbataillon zur Verteidigung der Demokratie hat bereits mit frischen Kampftastaturen aufgerüstet.

Die Wähler, das scheint sich noch nicht vollständig herumgesprochen zu haben, möchten gerne wählen, entweder das eine oder das andere. Wenn sie immer wieder das Gleiche bekommen, egal, was sie gewählt haben, fühlen sie sich ein bisschen verarscht. Das macht sie, glaube ich, noch nicht zu Rechtsextremen (Linksextreme gab es hierzulande noch nie, auch ein interessantes Phänomen).

Geschmack der Demokratie

Ob es, wie der von mir geschätzte Dichter Ferdinand Schmalz in einem literarischen Kommentar für den Deutschlandfunk zur österreichischen Politik gesagt hat, „erstmal Scheiße regnen wird“, wenn der Volkskanzler volkskanzlert, weiß ich nicht, aber möglich ist alles. Dann regnet es eben nach vier Jahren Babler-Manna, im Burgenland fließt ja zum Dosko-Honig eh bald grüne Landesmilch. So schmeckt die Demokratie.

Prost, Mahlzeit.

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir: redaktion@news.at

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 5/2025 erschienen.

 

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