Peter Sichrovsky über die Langeweile im diskussionslosen Zeitalter.
In einem Café in Wien
Erich: Die Amis und Israelis hätten Iran nicht angreifen sollen.
Ich: Stimmt.
E.: Der Netanjahu, das weiß doch jeder, will nur an der Macht bleiben.
Ich: Stimmt.
E.: Jetzt auch noch Trump, alles eitle Selbstdarstellung.
Ich: Stimmt.
E.: Man hätte einfach weiter verhandeln sollen.
Ich: Stimmt.
E.: Warum sagst du immer nur ‚stimmt‘?
Ich: Na ja, weil’s stimmt.
E.: Aber ich kenn dich doch, du siehst das alles anders.
Ich: Stimmt.
Alles anders
E.: Jetzt hör schon auf, kann man mit dir nicht mehr diskutieren?
Ich: Du kennst doch meine Meinungen.
E.: Stimmt.
Ich: Wozu soll ich sie wiederholen?
E.: Kann man über Nahost, Israel und USA überhaupt noch reden?
Ich: Nein, über viele andere Themen auch nicht.
E.: Warum nicht?
Ich: Kann man über Palatschinken reden?
E.: Was für ein Vergleich!
Ich: Interessiert dich, wo es die besten Palatschinken in Wien gibt?
E.: Natürlich!
Ich: Hier hast du den Unterschied, es geht um persönliche Erfahrung.
E.: Auch um Geschmack.
Ich: Stimmt, aber nicht um Meinung.
E.: Meinung interessiert dich nicht?
Ich: Nein, dich auch nicht.
E.: Stimmt.
Ich: Es interessiert mich nicht, was du und der Briefträger über Israel, Gaza, Iran und USA denken.
E.: Sind solche Gespräche unmöglich geworden?
Ich: Möglich schon, nur, sie bringen nichts.
E.: Warum?
Ich: Es sind Schubladen-Meinungen mit Etiketten.
E.: Wer in welcher Schublade sitzt?
Ich: Die einen in der kritischen Schublade, die anderen in der verständnisvollen, und umgekehrt, je nach Thema.
E.: Unterschiedliche Meinungen ergeben doch eine Diskussion.
Ich: Nein, es ist Schubladen-Denken, es sind keine differenzierten, substanziellen Argumente.
E.: Nur bei Israel, Iran und USA?
Symbol-Figuren
Ich: Hier geht es um Symbol-Figuren wie Netanjahu und Trump, gefürchtet und dämonisiert in einer Schublade, verharmlost und bewundert in der anderen.
E.: Du machst es dir zu einfach.
Ich: Zeig mir eine differenziertere Analyse zu Trump, Netanjahu oder auch Milei, was haben die drei eventuell richtig, was haben sie falsch gemacht, wo irrten sie, wo hatten sie recht – nüchterne, sachliche Information über ihre Pläne, ihre Entscheidungen, ohne eitle interpretative Simplififzierung.
E.: Stimmt, ich kenne keine.
Ich: Verachtung ersetzt Information.
E.: Stimmt.
Ich: Zynismus und Hohn ersetzen intelligente Kritik.
E.: Stimmt.
Ich: Warum sagst du immer nur ‚stimmt‘?
E.: Weil’s stimmt.
Ich: Du, wiederholst du mich?
E.: Nur, wenn es stimmt.
Ich: Können wir nur noch über Restaurants und Urlaube reden?
E.: Ja und nein, du kannst in deiner Blase über alles reden, man wird dir begeistert zuhören, wenn du fantasielose Beschränktheit besser formulierst.
Ich: Einfalt in der Vielheit statt Einheit in der Vielfalt?
E.: Stimmt.
Ich: Schade, und schrecklich langweilig.
E.: Vielleicht für dich, andere fühlen sich wohl im Kollektiv nickender Zustimmung.
Ich: Zu jedem Thema?
E.: Langsames, wiederholtes Nicken weist bei jedem Thema auf Verständnis und Zustimmung.
Ich: Also, geht es um Sehnsucht nach Wir-Gefühl in abgeschotteten Nick-Gesellschaften?
E.: Stimmt.