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Spitzentöne: Die gekündigte Muse und der schreiende Intendant

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7 min
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Heinz Sichrovsky

©Bild: Matt Observe

In Zeiten bedrängender Krisen haben die Salzburger Festspiele endlich ihr unerbetenes Thema: Die gekündigte Schauspielchefin ließ dem Intendanten über ein russischsprachiges Medium gerichtssaalreife Invektiven zukommen. Ignorieren wäre angezeigt.

Zumindest der Fachwelt sollte nicht entgangen sein, dass die Salzburger Festspiele mit komplizierten Umständen rechnen müssen. Seit dem Vorjahr wird der Festspielbezirk umgebaut. Deshalb steht das große Haus ab Herbst 2027 für zwei Jahre nicht zur Verfügung. Die Konsequenzen für das Programm und die aus ihm lukrierten Einnahmen lassen sich maximal hochrechnen. Ob und wie weit zum nämlichen Zeitpunkt der Bund seine Zuwendung zu reduzieren gedenkt, ist unbekannt. Bregenz bekommt jedenfalls nur noch die Hälfte, und Bablers Chefberater Rudolf Scholten skizziert in der aktuellen News-Ausgabe den Sanierungspfad in budgetären Kümmerzeiten: Bei den Großen ansetzen, die Kleinen schützen.

Unter diesen Prämissen tut es gut, sich endlich auf das Wesentliche eines führenden Hochkulturfestivals besinnen zu dürfen: Intendant Markus Hinterhäuser hat geschrien! Dies enthüllt die laut Eigenaussage unstatthaft beschallte und dann im November 2024 gekündigte Schauspielchefin Marina Davydova im „russischen Exilmedium Meduza“. Sie diagnostiziert dort beim Intendanten u. a. „psychische Probleme“ und vergleicht ihn mit Trump.

Lassen Sie mich rekapitulieren: Frau Davydova wurde durch Beschluss des Direktoriums und des von den Subventionsgebern beschickten Kuratoriums gekündigt, weil sie ohne Genehmigung ein exilrussisches Festival in Berlin kuratiert hat. Das sei aber bloß ein an Fadenscheinigkeit nicht zu überbietender Vorwand gewesen, vertraute sie nun dem Exilmedium an. Der von ihr vermutete Grund bleibt nebulos, und zumindest dafür hat sie mein Verständnis.

Salzburgs Schauspielsommer 2024 war der miserabelste in meiner langen Erinnerung

Ganz einfach: Es war schlecht

Ich habe nämlich schon einen Verdacht, was den kollektiven Trump aus Kunst, Fremdenverkehr, Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik bewogen haben könnte, die Spartendirektorin außer Betrieb zu setzen: Der von ihr verantwortete Schauspielsommer 2024 war der miserabelste, den ich in vier Jahrzehnten als professioneller Festspielbesucher erdulden musste.

Das ist zwar ein Klacks, wenn man bedenkt, dass Hinterhäuser deshalb geschrien haben soll. Aber ein klein wenig zählt es eventuell doch. Die allermeisten meiner Kollegen standen wie ich ratlos vor dem kontur- und konzeptlosen Konglomerat aus überwuzelter Postdramatik, Tanz und Performance. Ein fünfeinhalb Stunden langer „Zauberberg“ in litauischer Sprache hat uns final derart erschöpft, dass wir Frau Davydovas Kündigung noch Monate später in anhaltender Benommenheit fast kommentarlos zur Kenntnis nahmen.

Doch, einen Ausreißer gab es: Als dem Goldesel vom Domplatz Obstipation drohte, weil Michael Sturmingers unterirdisches Provisorium das Publikum vertrieb, erfand und besetzte Hinterhäuser nach einer Krisensitzung einen neuen, gefeierten „Jedermann“.

Man hat sich von Frau Davydova auch finanziell sauber getrennt, sie konnte heuer sogar noch ihr zweites, deutlich besseres Programm verwirklichen.

Das Schema

Und jetzt das Exilmedium Meduza. Dass Frau Davydova naiverweise gehofft hätte, ihre Ausführungen würden in diesem Kreis verbleiben, will ich ihr nicht unterstellen. Eher scheint mir die Causa einem Schema zu folgen, an dem schon Größen wie Herbert Föttinger Schaden genommen haben: Abgeworfene, die es nicht geschafft haben, drangsalieren, oft auch anonym, Könner, deren Wirken von verdientem Erfolg gekrönt wird. Dazu kommt diesfalls das Missverständnis, in einem russischen Exilmedium könne man sich alles erlauben.

Und jetzt? Ob der Vergleich mit Trump klagfähig ist, wäre amüsant zu judizieren. Die freizeitpsychiatrische Diagnose ist es bestimmt. Auch fragt sich, ob anlässlich der gütlichen Einigung womöglich Stillschweigen vereinbart wurde und welchen Einfluss das Interview auf allfällige Abstandszahlungen hat. Und schließlich wäre festzustellen, ob ein Intendant berechtigt oder gar verpflichtet ist, einen Untergebenen im Versagensfall zu kündigen.

Dennoch würde ich von Klagen Abstand nehmen. Es steht nicht dafür, und ich vertraue auf die Souveränität des Kuratoriums, Hinterhäuser in Ruhe zu lassen. Es gibt Dringlicheres zu erörtern, und Babler hat den einordnungsmächtigen Berater Scholten zur Seite.

Und nochmals der Blechkamerad

Gestatten Sie mir ein schmales Nachwort, weil Sie sich zuletzt über meinen Schabernack mit den Blechkameraden von der KI so amüsiert haben? Ich habe die Sippschaft weiter in Atem gehalten, von China bis Frankreich und die USA (vielleicht wird ja eine größere Geschichte draus). Einer hat auf der Basis dürrer Anweisungen in Halbstundenfrist einen Roman verfasst, den sogar der Herr vom Bahnhofskiosk hinter den „Silvia“-Romanen verstecken würde. Einer hat einem literarischen Amateurtext im Abstand von fünf Minuten zuerst weltliterarisches Format und dann redundante Unlesbarkeit attestiert, je nachdem, was ich hören wollte. Einer hat in Werke von Bataille, Henry Miller und Elfriede Jelinek frei erfundene Passagen fabuliert. Das Rechtschreibprogramm hat Fehler ohne Ende nicht etwa gefunden, sondern in den Text moniert. Und einer hat mir ohne explizite Aufforderung bedenklichste Prosa aufgedrängt.

Kurzum: Sollten Sie dem Kameraden z. B. Ihre Steuerangelegenheiten anvertrauen, freuen Sie sich schon heute, Benko bald persönlich kennenzulernen.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 45/2025 erschienen.

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