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Klingt phänomenal, oder? Doch die Beschreibungen werfen auch Fragen auf: Kann man Geografie wirklich schmecken? Und falls ja: Wenn ich einmal einen tollen Wein von der Mosel getrunken habe, schmecken alle Mosel-Rieslinge dann so ähnlich? Oder kann ich sicher sein, dass ein einmal für gut befundener Grauburgunder aus Baden oder ein Müller-Thurgau von der Saale-Unstrut auch für die Zukunft immer mein Ding sind?
Darauf sollte man sich nicht verlassen. Es gibt zwar typische Böden, die in einem Weinanbaugebiet vorherrschen. Trotzdem haben zwei verschiedene Weinberge selten die gleiche Bodenzusammensetzung. So wachsen die Reben etwa einmal auf Kalkstein und nicht weit entfernt vielleicht auf Schiefer.
Aber wie kommt der jetzt in den Riesling? Experten scheinen sich da nicht ganz einig. Winzerin Cecilia Jost aus Bacharach am Mittelrhein ist überzeugt: "Die Rebe lutscht nicht am Schiefer."
Für die Winzerin in siebenter Generation vom "Weingut Toni Jost" macht nicht das Schiefergestein den Geschmack aus, sondern eher etwa das Klima der Lage und der Säuregehalt im Boden.
Der Weinexperte Ernst Büscher sieht das anders. Er hat auch Winzer gelernt, Weinbau studiert und hält dagegen: "Die Wurzeln "lutschen" doch an den Mineralien im Gestein." Denn sie nähmen mit dem Wasser auch die darin gelösten Mineralien aus dem Boden auf, deren Zusammensetzung sich je nach Gesteinsart deutlich unterscheide.
In heißen, trockenen Jahren würden zwar weniger Mineralien im Wein landen, da weniger Wasser verfügbar ist als in feuchten Jahren, so der Experte. Aber für ihn ist klar, dass man den Boden auch schmeckt.
Allerdings umfasst für Büscher die "Geografie in der Flasche" mehr als nur den Bodentyp - und zwar das gesamte Terroir. Das bestehe aus dem komplexen Zusammenspiel von Faktoren wie Klima im Kleinen und Großen, Rebsorte, Bodentyp, Hanglage, Wasserverfügbarkeit, Witterung im jeweiligen Jahrgang und natürlich auch die Handschrift des Winzers.
"Interessant ist auch die Wirkung von benachbarten Wäldern", sagt Patrick Jacklin vom Weingut Heitlinger im Kraichgau. Steht aus seiner Erfahrung ein Weinberg in Waldrandnähe, entstehen oft ätherische, kräutrige Noten im Wein. "Das kühlere Mikroklima, Schattenwurf und das Wurzelwerk der Bäume, das sich mit dem der Reben vermischt, beeinflussen das Bodenleben – und damit die Vitalität der Reben", erklärt der Winzer.
Für ihn ist aber generell die Kombination aus Lage und Rebsorte entscheidend. Bestimmte Rebsorten entfalten sich nur dort perfekt, wo Klima, Boden und Geländeform zusammenpassen. "Ein Pinot Noir aus einer heißen Lage mit sandigem Boden wird niemals so schmecken, wie derselbe Klon aus dem gleichen Keller, wenn die Reben in einer kühlen Lage auf Kalk gewachsen sind", erklärt Jacklin. Wobei Klon hier eine Rebe meint, die aus einer "Mutterpflanze" derselben Sorte mit Stecklingen oder Rebknospen vermehrt wurde.
Dass man das Terroir schmecken kann, bestätigt auch Carolin Spanier-Gillot, die zusammen mit ihrem Mann die zwei Weingüter Kühling-Gillot und Battenfeld-Spanier in Rheinhessen führt. Ein Teil der Weine wächst primär auf Rotschiefer-Böden, der andere auf Kalkstein. "Dann werden sie unter identischen Bedingungen im selben Keller ausgebaut, nach der gleichen Philosophie vinifiziert, spontan vergoren – einzig der Lesezeitpunkt variiert um ein paar Tage", berichtet die Weinbau-Ingenieurin.
Und doch schmecke man bei einer Gegenüberstellung der Rieslinge klare Unterschiede. "Die Weine sprechen zwei ganz eigene Sprachen", sagt Spanier-Gillot. Für sie ist es faszinierend, wie der Riesling den Charakter des Bodens ganz präzise überträgt - wie kaum eine andere Rebsorte. "Vor allem, wenn er seine jugendlichen Primäraromen verliert. Deshalb sage ich auch gerne: Die ersten fünf Jahre trinkt man Riesling. Ab dann trinkt man Terroir!", so die Winzerin.
Für sie ist neben dem Riesling auch der Spätburgunder so ein ausdrucksstarkes Sprachrohr des Bodens. "Aber nicht alle Rebsorten übersetzen ihr Terroir gleich gut", sagt Patrick Jacklin. Während Riesling und Spätburgunder ihr Terroir sensibel widerspiegeln, könnten bei kräftigen Sorten wie Cabernet Sauvignon oder Syrah Terroir-Charaktereigenschaften stärker überdeckt werden - besonders wenn beim Ausbau im Keller Holzeinsatz und Konzentration dominieren.
Und welcher Bodentyp führt zu welchen Geschmacksnuancen? Claus Burmeister vom Weingut Burg Ravensburg in Östringen-Tiefenbach (Baden) beschreibt die Auswirkungen des Bodens auf die Reben und wie sie den Geschmack der Weine, die aus den Trauben kreiert werden, prägen:
Auf Kalkböden entstehen meist salzige, strukturierte, langlebige Weine mit wenig Frucht. Die Weine sind spannungsgeladen und vibrieren regelrecht am Gaumen. Kalkhaltige Böden eignen sich perfekt für große Burgunderweine, Pinot Noir oder Chardonnay.
Tonböden hingegen bringen oftmals schwere und kraftvolle Weine hervor – perfekt für Rebsorten wie Merlot. Die tonhaltige Bodenstruktur verleiht dem Wein Körper, Substanz und Wärme.
Lössböden sind deutlich leichter als Tonböden und binden zahlreiche Nährstoffe – die optimalen Bedingungen für fruchtbetonte, zugängliche Weine.
Wasserdurchlässige Böden, wie Kiesel, Granit oder Sandstein, stehen für elegante, säurebetonte und schlanke Weine mit Präzision.
Der Schiefer ist wiederum eine Welt für sich. Von Rotschiefer bis Blauschiefer – hier fühlt sich Riesling oft sehr wohl. Schieferböden verleihen der Königin der Reben "Rauchigkeit", Feuersteinnoten "und diese salzige Mineralität, die mir ganz besonders viel Spaß macht", so Burmeister.
Fazit des biodynamischen Weinmachers: "Man kann Boden schmecken – wenn man ihn lässt. Terroir ist keine esoterische Idee, sondern ein komplexes Wirkgefüge, das bei sensibler Arbeit schmeckbar wird. Der Weinberg redet mit – und in den besten Weinen spricht er laut und klar."
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