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Tirol Werbung-Chefin will Kontingent-Aus und Bürokratieabbau

Aktualisiert
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Seiler zeigt sich nicht einverstanden mit den Saisonkontingenten
Tirol Werbung-Geschäftsführerin Karin Seiler drängt auf den Abbau von Regulierungen durch die Politik, um den Tourismusunternehmen das Wirtschaften zu erleichtern. Zum einen brauche es eine "komplette Öffnung" bzw. ein Aus der Kontingente für Saisonarbeitskräfte, zum anderen müsse Bürokratie dringend reduziert, vereinheitlicht und beschleunigt werden, sagte Seiler im APA-Interview. Sorge macht ihr trotz insgesamt positiver Zahlen das Konsumverhalten der Deutschen.

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Dass die ÖVP-SPÖ-NEOS-Bundesregierung im Frühjahr angekündigt hatte, die Kontingente für Saisonarbeitskräfte aus Nicht-EU-Ländern von bisher rund 5.000 auf 8.000 erhöhen zu wollen, ging Seiler zu wenig weit. Es brauche eine gänzliche Öffnung statt einer Kontingentierung. "Auf 8.000 Arbeitskräfte zu öffnen, ist eindeutig zu wenig. 8.000 würden wir ja alleine schon in Tirol brauchen. Wir benötigen mehr Mitarbeiter", erklärte die Geschäftsführerin. Und abgesehen davon: Dass die entsprechende Verordnung für die Anhebung nicht bereits umgesetzt wurde, sondern dies noch etwas dauern könnte, verstehe sie überhaupt nicht: "Warum das erst im Jänner genehmigt werden könnte, ist komplett unverständlich. Es muss doch hoffentlich auch jeder in Wien verstehen, dass die Betriebe die Mitarbeiter jetzt dann schon gleich vor der Saison brauchen."

Bereits jetzt weise man in Tirol in der Wintersaison mehr als 50 Prozent ausländische Beschäftigte im Tourismus auf. Man brauche mehr davon - einerseits, um sie im qualifizierten Fachkräftebereich, etwa als Köche, einsetzen zu können. Und andererseits, um sie dort zu beschäftigen, wo es an heimischen Mitarbeitern fehlt - etwa bei den Reinigungskräften. "Wenn Menschen arbeiten wollen, soll man sie arbeiten lassen", appellierte Seiler. Es sei keineswegs der Fall, dass die ausländischen Mitarbeiter einheimischen potenziell Beschäftigten die Jobs wegnehmen. Generell habe sich aber die Situation rund um benötigte Fachkräfte zuletzt etwas gebessert.

Darüber hinaus ortete Seiler auch andernorts überbordende Bürokratie und Regulierung. Die bescheidmäßige "Abnahme" bzw. Genehmigung von baulichen Maßnahmen der Tourismusbetriebe würde oft zu lange dauern, mitunter bis weit in die bereits laufende Saison hinein, was schon ein "Wahnsinn" sei. Auch was Auflagen bei baulichen Investitionen der Bergbahnen betreffe, herrsche teils eine "unglaubliche Bürokratie" - mit unterschiedlichen Regelungen und Maßstäben auch zwischen den Bezirken. Beschwerden dahingehend höre sie von den Touristikern immer wieder.

Ansetzen müsse man auch bei den hohen Lohnnebenkosten und Energiekosten, die die Betriebe nach wie vor stark belasten würden. Die Kosten seien im Verhältnis deutlich mehr gestiegen als Nachfrage und Preise, wodurch auch die Gefahr eines Investitionsrückstaus entstanden sei. "Die Investitionen konzentrieren sich mehr nur auf die Erhaltung", berichtete Tirols oberste Tourismuswerberin.

Mit der offiziell noch rund einen Monat laufenden Tiroler Sommersaison zeigte sich Seiler zufrieden. Man werde wohl mit einem durchschnittlichen Plus von einem Prozent bei Nächtigungen und Ankünften abschließen können. Wie hoch das Plus letztlich tatsächlich ausfallen wird, hänge vor allem auch noch vom sehr Wetter-unsicheren Oktober ab. Auch was die anstehende Wintersaison betrifft, zeigte sie sich optimistisch. So seien etwa Weihnachten und der Februar bereits gut gebucht. "Herausfordernd" würden, was einen allgemeinen Trend darstelle, aufgrund der Änderung der klimatischen Bedingungen die späteren Wintersaison-Monate März und April. Generell könne man aber, was die Auslastung betrifft, konstatieren, dass Corona endgültig überwunden und man de facto schon wieder auf dem Vor-Corona-Niveau angekommen sei: "Es sind eigentlich alle wieder zurückgekommen." Die teils "dramatischen Zukunftsprognosen" seien nicht eingetreten.

Bei den Übernachtungen lautet das Verhältnis Winter zu Sommer übrigens 53 zu 47 Prozent. Was die Wertschöpfung angeht, werden sechs von zehn Euro im Winter verdient. Gleichzeitig wolle man weiter einen Fokus auf den Ganzjahrestourismus legen - also die Stärkung der sogenannten Zwischensaisonen mit den Monaten Mai/Juni sowie September/Oktober.

Nicht ganz vom Tisch wischen könne man indes die Auswirkungen des besonders mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten kämpfenden Nachbarlandes Deutschland auf den Tiroler Tourismus, einem der wichtigsten Herkunftsmärkte. Es sei keineswegs so, dass weniger deutsche Urlauber nach Tirol auf Urlaub kommen würden, betonte Seiler: "Urlaub hat bei den Deutschen einen extrem hohen Stellenwert. Es wird bei allem anderen mehr gespart. Wo nicht gespart wird, ist beim Urlaub fahren an sich." Was man aber sehr wohl merke, sei, dass unsere nördlichen Nachbarn bei den Ausgaben vor Ort sparsamer würden. Damit sei auch im kommenden Winter zu rechnen, was sich wiederum auf die Wertschöpfung niederschlage. Auch könnte es sein, dass die Bundesdeutschen vermehrt auf den bisher sehr beliebten Zweit- oder Dritturlaub gegen Ende der Saison verzichten.

Um dieser momentanen Tatsache entgegenzuwirken sowie um generell breiter aufgestellt zu sein, lautet das Motto bei der Tirol Werbung offenbar: Zunehmende Internationalisierung. USA, Südamerika, Indien, China - all diese Märkte wolle man verstärkt beackern. Im Kommunikations- und Marketingbudget sei ein niedriger sechsstelliger Eurobetrag dafür vorgesehen. Vor allem die potenziellen Urlauber in den Vereinigten Staaten und Südamerika habe man im Auge. Denn eines sei klar: Wer sich von diesen für einen Aufenthalt in Tirol, Österreich und Europa entscheide, bleibe naturgemäß aufgrund der großen Distanz auch länger und spare nicht gerade bei den Ausgaben.

Was die USA angeht, werde man etwa noch heuer werbemäßig mit fünf Tourismusverbänden in New York auftreten - im Rahmen eines "B2B" und "B2C" mit Tiroler "Global Playern" wie Swarovski. In Südamerika wiederum ortete Seiler ein großes Potenzial an Skifahrern, die aufgrund der Preislage eher nach Europa als nach Kanada bzw. Nordamerika tendieren würden. Hier evaluiere man vorerst einmal das Potenzial vor Ort und beginne mit punktueller Werbung, etwa in der brasilianischen Millionenmetropole Sao Paulo.

Immer wieder diskutiert und thematisiert in Zusammenhang mit dem Tourismus wird die sogenannte "Tourismusakzeptanz" unter der einheimischen Bevölkerung. Die Statistik Austria hatte zuletzt ausgemacht, dass diese in Tirol mit 36 Prozentpunkten unter dem Bundesschnitt angesiedelt sei. Dies sei eindeutig auf das Thema Mobilität und Verkehrsbelastung zurückzuführen und hänge mit dem An- und vor allem Durchreiseverkehr in Regionen wie dem Außerfern, Kufstein, Achensee oder Zillertal zusammen, meinte die Tirol Werbung-Chefin. Dabei würden die Urlauber zunehmend ohnehin auf öffentliche Verkehrsmittel zurückgreifen, der Tiroler Tourismus leide aber imagemäßig etwas an der generellen Verkehrsproblematik, für die er nicht ursächlich sei. Hier brauche es eine über den Tourismus hinausgehende Lösung. Und auch ein politisches Drängen darauf, dass vor allem die komfortable Öffi-Anbindung in Deutschland nach Tirol verbessert und gesteigert werde.

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