Zwischen Licht und Schatten

Im September wäre Romy Schneider 80 Jahre alt geworden. Das Gedenkjahr startet mit dem kontroversiellen Film "3 Tage in Quiberon". Ihr Leben zwischen Erfolg und Scheitern rückt abermals ins Scheinwerferlicht

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Mythos Romy - Zwischen Licht und Schatten

Es dauert nur einen Wimpernschlag lang, bis die Vorsätze über Bord geworfen sind. Romy Schneider ist wie jedes Jahr in den französischen Küstenort Quiberon gereist, um sich zu regenerieren und gesund zu leben. Um zur Ruhe zu kommen, Kraft zu schöpfen für die Herausforderungen als Weltstar und Mutter. In jenem März des Jahres 1981 ist Sohn David 14 Jahre alt, Tochter Sarah vier. Die Schauspielerin trinkt Wasser und ernährt sich gesund. Bis Fotograf Robert Lebeck, dem sie freundschaftlich verbunden war, und "Stern"-Reporter Michael Jürgs auftauchen. Lebecks Bitte um einen Termin hatte sie nicht abschlagen können. Bald wechselt man vom Wasser zum Champagner.

Was dann zwischen Jürgs und Schneider besprochen wurde, erschien am 23. April 1981 im Magazin "Stern", begleitet von alarmierenden Schwarz-Weiß-Fotos und unter dem Titel "Im Moment bin ich ganz kaputt!" Ein Verkaufshit für das Magazin. So wollte das deutschsprachige Publikum, bei dem Romy Schneider Anfang der Sechzigerjahre in Ungnade gefallen war, den Star sehen: gefallen, zerrissen, enttäuscht. Man revanchiert sich für vorgeblichen Verrat: Der höchstbezahlte Star des deutschen Kinos hatte es gewagt, sich vom "Sissi"-Image zu verabschieden und sich in Frankreich beruflich wie privat neu zu erfinden. Für die Freizügigkeit und Entäußerung im Werk "Trio Infernal" (1974) an der Seite ihres Lieblingskollegen Michel Piccoli wurde "Madame Schneider" vom französischen Publikum verehrt. In der deutschen Heimat gab es dafür keine Sympathien.

Romy Schneider widersetzte sich verzweifelt und ging sogar in deutsche Talkshows, um ihren Weg nachvollziehbar zu erklären. Von ihren reflektierten Antworten blieb wenig. Wie in der Sendung "Je später der Abend" im Jahr 1974, als die deutsche Presse sich tags darauf bloß darüber echauffierte, dass die Diva dem anwesenden Bankräuber und Autor Burkhard Driest mit den Worten "Sie gefallen mir" den Arm getätschelt hatte.

»Vor der Kamera kann ich alles, im wahren Leben nichts«

Romy Schneider, selbst ihre härteste Kritikerin

Im "Stern"-Interview in Quiberon sagte sie: "Ich bin eine unglückliche Frau von 42 Jahren und heiße Romy Schneider." Damit gab sie den Weg vor für einen verstörend ehrlichen, drei Tage andauernden Seelenstriptease unter den quälenden Fragen des Journalisten Jürgs. Als ein in Schwarz-Weiß gedrehtes Kammerspiel bringt nun Regisseurin Emily Atef das Psychoduell zwischen der Schauspielerin und dem Journalisten unter dem Titel "3 Tage in Quiberon" ins Kino.

© Filmladen Maria Bäumer spielt in "3 Tage in Quiberon Romy Schneider, Birgit Minichmayr ihre Freundin Hilde

Dieser intensive Blick auf Romy Schneider ein Jahr vor ihrem Tod rückt ihr Schicksal abermals ins Scheinwerferlicht. Warum konnte sie nicht glücklich sein? Warum fand sie nirgendwo Halt? Die Faszination an ihrer Lebensgeschichte liegt auch im Unglauben, den das private Scheitern dieser klugen, schönen, hochbegabten Frau auslöst. Unwillkürlich rücken die Schicksalsschläge ihres Lebens deutlicher in den Vordergrund als die rosigen Zeiten. In den Katastrophen können Erklärungen verortet werden.

Romy Schneiders Ex-Gatte Daniel Biasini ist von dieser Darstellung empört. Das aktuelle Filmwerk nennt er "beschämend". Denn, so sagt er, er kenne die Wahrheit hinter der realen und der vorgeblichen Leidensgeschichte. Davon erzählt Biasini im exklusiven Interview.

Es gab auch viel Licht

Was ohne Mutmaßungen niedergeschrieben werden kann, sind die Eckdaten eines bewegten Lebens. Vor Schneiders Zeit in Quiberon beinhalten sie neben dunklen Tagen auch sehr viel Lichtes. In ihren 14 Lebensmonaten nach Quiberon verdichten sich allerdings die düsteren Stunden.

In die Wiener Schauspieldynastie Albach-Retty geboren, vermisst Romy Schneider zwar von Beginn an die Geborgenheit eines Elternhauses, wächst aber mit dem Bruder und im Internat relativ harmonisch auf. Die Eltern - beide beruflich ausgebucht - geben sie 1938, vier Wochen nach der Geburt, bei den Großeltern mütterlicherseits in Bayern ab, drei Jahre später bringen sie den Bruder Wolf-Dieter nach. Er reüssiert später als Zahnarzt in Zürich und spricht nie öffentlich über die Schwester. Nach dem Pflichtschulabschluss im Mädcheninternat Schloss Goldenstern bei Salzburg avanciert Romy Schneider zur bestbezahlten Schauspielerin des Sprachraums.

Als sich die Heranwachsende von der Rolle des lieblichen Mädchens, in der sie stets besetzt wird, emanzipieren will, glückt das zunächst: Verliebt und rasch verlobt geht sie mit Alain Delon nach Frankreich. Auch dort ist das Leben gut zu ihr: Nach kurzer Durststrecke feiert sie in der Regie von Luchino Visconti am Théâtre de Paris in "Schade, dass sie eine Dirne ist" einen grandiosen Erfolg. Visconti, für den sie später noch einmal als Kaiserin Elisabeth in "Ludwig II" an der Seite von Helmut Berger tätig wird, ist einer ihrer vier Lehrer, wie sie selbst sagt: "Visconti, Welles, Sautet und Żuławski. Der Größte ist Visconti. Er hat mir beigebracht, die Dinge auf die Spitze zu treiben."

Fortan verläuft die Karriere steil nach oben. Sie dreht in Hollywood, wird für den Golden Globe nominiert, gewinnt den französischen Schauspielpreis César und wird von den Franzosen als Grande Dame des Filmes verehrt. Privat geht sie durch ein tiefes Tal, als Alain Delon sie für eine Kollegin verlässt. Der Regisseur und Schauspieler Harry Meyen wird zum neuen Lebenspartner und Sohn David Christopher zum Lebensinhalt.

Zwei Jahre bleibt Romy Schneider zu Hause bei der Familie. Fotos und Filme zeugen davon: wieder eine glückliche, helle Zeit in ihrem Leben. Als sich das Paar nach sechs Jahren trennt, entschädigt sie der Beruf mit Traumrollen und dem Höhepunkt der Karriere. Sie spielt an der Seite von Michel Piccoli, dreht unter der Regie von Claude Sautet und gewinnt ihren zweiten César. Und sie findet abermals Liebe und Halt im elf Jahre jüngeren Privatsekretär Daniel Biasini, der sich liebevoll um sie kümmert. Die gemeinsame Tochter Sarah wird geboren. Abermals viele helle Stunden, die sie erlebt, ehe das Schicksal sie erneut prüft: 1979 erhängt sich der von Suchtgiften abhängig gewordene Harry Meyen.

Zwei Jahre danach folgt das fatale "Stern"-Interview. Danach verdüstert sich das Leben. Zwei Monate nach dem Gespräch reicht sie die Scheidung von Biasini ein und muss sich eine Niere entfernen lassen. Vier Monate später stirbt ihr Sohn David bei einem Unfall. Es dauert nicht einmal ein Jahr, bis sie ihm folgt.

Dieser Artikel ist der Printausgabe von News Nr. 14/2018 erschienen.