Sonja Kirchbergers
neues Leben in Mallorca

In ihrer Wahlheimat Mallorca reift bereits ihre dritte Olivenernte, ihre Hühner haben ein schönes Leben, und das Gemüse für ihr Lokal baut sie selbst an: Schauspielerin Sonja Kirchberger hat sich in Gummistiefeln neu gefunden und genießt trotzdem den „Urlaub“ auf dem roten Teppich.

von Menschen - Sonja Kirchbergers
neues Leben in Mallorca © Bild: ?andreasaufdermaur

Der Dauerregen auf Mallorca macht Sonja Kirchberger unglücklich. Nicht um die ­Seele geht es dabei oder um fehlende Sonne für einen schönen Teint. Die einst als „­Venusfalle“ zur erotischen Sensation einer Generation erhobene Schauspielerin hat bodenständigere Sorgen. Es geht um Oliven. „Bei Regen darf ich sie nicht ernten, und je länger er andauert, desto mehr leidet die Qualität der Früchte“, erklärt sie. Ihr Gesichtsausdruck und die Art, wie sie wiederholt die Ärmel ihrer Bluse hochkrempelt, verraten, dass sie das nervös macht. Die Wahl-Mallorquinerin ist nach Wien gekommen, um ihr erstes selbst produziertes Olivenöl aus der Vorjahresernte zu präsentieren. Mit 53 Jahren ist Kirchberger nach wie vor die faszinierende Schönheit mit den verstörend klaren, blauen Augen, die Regisseur Robert van Ackeren und Fotograf Helmut Newton 1988 über Nacht zum Star machten. Gleichzeitig ist sie so viel mehr, als in diese eine Schublade passt. Die Stationen ihres Lebens haben sie an einen Ort gebracht, an dem der Reichtum aus Zeit, Selbstliebe und einer guten Olivenernte besteht.

Und zwar auf der Insel Mallorca, wo die Schauspielerin seit rund 20 Jahren ihren Wohnsitz hat. Erst war es die Hauptstadt Palma, in der die einstige „Großstadtpflanze“ nach Tochter Janina, heute 31, Sohn Lee Oscar viersprachig groß zog. Nun, da er 19 Jahre alt und zum Musikstudium nach England gezogen ist, hat sie sich einen ­lange gehegten Traum erfüllt. „Kennen Sie selbsterfüllende Prophezeiungen? Dieser Ort hat mich gefunden, es funktioniert. Wenn du einen zielgerichteten Wunsch hast, findet dich seine Erfüllung. Ich kenne Menschen, die jeden Tag mit einem anderen Traum aufwachen. Das klappt nicht. Du musst klar in Richtung Lebenstraum gehen“, sagt sie.

Ein Traum aus 300 Bäumen

Kirchbergers Lebenstraum ist dieser Tage ein Stück Land mit 300 Olivenbäumen in Binissalem, ein halbe Stunde von der Hauptstadt entfernt. Vor drei Jahren wusste sie sofort: Dort will ich leben! Nachdem sie den Schlüssel für das Anwesen samt Hühnerstall in der Tasche hatte, bedankte sie sich bei jedem einzelnen Baum. Dieser Dank findet sich auch auf den Flaschen des Olivenöls, das die Bäume Kirchberger nach akribischer Pflege zurückgaben. Die Ernte erfolgt händisch, alles nach den Kriterien für ein besonders hochwertiges Öl. „Das machen alles Freunde und Familie. Die Olivenernte ist ein großes Fest. Frauen kochen ihre Lieblingsspeisen und machen Musik, Männer ernten“, erzählt sie. Tags darauf gibt es Asado, eine argentinische Fleischspezialität von der Familie ihres „Liebsten“, wie sie ihn stets nennt.

Der Mann an Kirchbergers Seite, Daniel, mit dem sie die Olivenernte und ihr Restaurant Petit Ca’n Punta Port im Hafen des Fischerviertels El Molinar betreibt, ist ­Argentinier und 14 Jahre jünger als sie. Sein Alter war völlig egal, als die Liebe ­einschlug. „Wenn man mein Männerbild anschaut, ist klar: Ich verliebe mich in ­Gespräche, in Humor. Ich liebe Männer, die Frauen respektieren. Wenn mein Mann mit meinen Freundinnen gut umgeht, gibt er mir einen Anlass, mich neu in ihn zu verlieben. Das ist sehr selten, diesen Respekt vermisse ich oft. Auch Jochen Nickel oder der Vater meines Sohnes sind Männer, die Frauen respektieren“, erzählt sie vom Wichtigen im Leben.

Gleichzeitig wird rasch klar, dass Sonja Kirchberger keine Kompromisse macht. Wenn man sich in einer Situation oder Beziehung nicht wohlfühlt, gäbe es nun mal nur drei Wege, erklärt sie pragmatisch: Sie zu verändern, sie zu akzeptieren oder fortzugehen. Ihr ist bewusst, dass dies leichter klingt, als es getan ist. Trotzdem hat sie nach diesem Motto gelebt und ist heute mit sich glücklicher denn je. „Natürlich gibt es nichts Schöneres, als Hand in Hand einen Weg zu gehen. Aber bitte nicht mit faulen Kompromissen. Ich habe keine Angst, allein zu sein“, sagt sie. Viel schlimmer wäre es doch, frustriert draufzukommen, dass man sein höchstes Gut – seine Jahre – verschenkt hat, meint sie. „Wenn ich merke, dass ich mich zu sehr von meinem Ich entfernen müsste, um weiterzumachen, würde ich die Beziehung beenden. Sonst wäre die weite Reise zu mir umsonst gewesen“, so die Mimin.

© Getty Images/Lisa Foltin Am Hafen von Molinar machte sie aus einer Tapas-Bar ein Restaurant. Die Jeansbezüge für die Sessel nähte sie, das Gemüse baut sie selbst an

Nur sie liebte sich nicht

Wenn Kirchberger von ihrer Reise spricht, beginnt diese, lange bevor die Öffentlichkeit sie als Erotikwunder abspeicherte. Diese Schublade sei übrigens kein Problem mehr, sagt sie. Verstehen kann sie sie dennoch nicht. „Ich mag schöne Frauen, wahrscheinlich, weil ich nur Brüder hatte. Aber ich weiß nicht, was ein Erotiksymbol sein soll. Eine Frau ist erotisch, wenn sie gepflegt ist, über sich lachen kann, sich wohlfühlt in ihrem Körper. Aber dafür kann doch niemand ein Symbol sein? Das würde bedeuten, das Maß aller Dinge zu sein, und das wäre doch anmaßend“, meint sie mit fragendem Blick.

Absurd ist geradezu, dass sie in dieser Zeit, als sie zum sexy Pin-up stilisiert wurde, mit ihrem Körper gar nicht zufrieden war. „Meine Idee von meinem Körper war das Gegenteil von dem, was ich im Spiegel gesehen habe. Ihn lieben zu lernen, hat zu meiner Entwicklung gehört. Ich fühle mich heute in meinem Körper tausendmal wohler als damals, obwohl er meilenweit davon entfernt ist, so straff zu sein wie früher.“ Als Glück begreift sie ihren gesunden Leib, mit dem sie viel Spaß hat, sagt sie. Unwichtig sei, ob jemand sie von außen als attraktiv beurteilen würde – und das Älterwerden bereite keine Probleme, versichert Kirchberger: „Das ist doch wunderbar, wenn man gesund ist und zwei großartige Kinder hat, wie ich.“

Dann erzählt sie von der seltsamen Zeit, als der Ruhm sie einholte. Hinter der Wienerin lagen eine karge Kindheit, eine Teenagerzeit im Ballettensemble der Wiener Oper und Jobs als Zahnarztassistentin und Model. Zum Zeitpunkt ihrer Entdeckung in der Rolle der Coco im Film „Die ­Venusfalle“ war sie alleinerziehende Mutter von ­Tochter Janina. „Plötzlich wurde ich zum Erotiksymbol, und in Rio de Janeiro ist bei der Filmpremiere die Copacabana durchgedreht. Meine Tochter war zwei Jahre alt. Wäre das einer anderen Frau passiert nach einer Kindheit voll Verzicht, hätte das ­anders enden können. Das muss eine Psyche erst verkraften“, zieht sie Resümee. Die Tochter und später beide Kinder seien es gewesen, die sie auf gesunde Art ­bodenständig gehalten hätten, meint ­Kirchberger. „Durch das wunderbare Mädchen hatte ich einen starken Realitätsbezug in einer unrealen Filmwelt. Wenn ich heimgekommen bin und das Kind hat mich vollgekotzt, war der Glamour schnell weg.“

Wie die Mama

Die Ausflüge in die Parallelwelt des Filmbusiness genießt sie dennoch sehr. Neben dem Kinofilm „Klassentreffen 1.0“ mit Til Schweiger steht Kirchberger jährlich für mindestens drei TV-Produktionen vor der Kamera; 2012 waren es sogar neun. „Es ist, wie auf Erholung zu fahren: Ich muss mich um nichts kümmern, außer früh schlafen zu gehen und meinen Text zu lernen“, sagt sie lachend über ihre Drehtage im Vergleich zum Rund-um-die Uhr-Job im Restaurant und im Olivenhain. Und sie gibt zu, Theaterengagements, wie etwa das der Buhlschaft im Berliner „Jedermann“, zu vermissen. Einzig: Eine längere Abwesenheit verträgt sich schwer mit ihren aktuellen Verpflichtungen als Gastronomin und Olivenherstellerin. Als solche belebt Kirchberger neu, was ihr in der Kindheit tief prägend beigebracht wurde: Zwischen Fleischlosigkeit und anthroposophischen Mustern wurde sie großgezogen, erzählt sie. Zucker gab es nicht, Cola und Ketchup kannte sie nicht. Auch keinen Alkohol im Haus. Urlaube wurden mangels Auto in Österreich verbracht.

„Essen hat meine Mutter als Medizin gesehen. Sie hatte ein kleines Feld gemietet, wo sie für uns Gemüse angebaut hat. Seifenlauge hat sie gemacht, weil sie keine Waschmittel verwenden wollte. Sie war ihrer Zeit voraus und galt als Sonderling. Das hat mich geprägt. Klar. Für das Wurstsemmerl meiner Schulkollegin habe ich Mathematikhausübungen gemacht!“ Und heute? Kultiviert Kirchberger in ihrem Restaurant Essen auf höchstem Niveau. Ihren Gemüsebedarf baut sie bis zu 80 Prozent selbst an, sonst gibt es nur Regionales, Fleisch isst sie nur, wenn das Tier aus qualfreier Haltung und Tötung stammt. Als Einstandsgeschenk im neuen Zuhause gab es von der Familie Hühner. „Ja, der Körper vergisst nichts“, sinniert sie.

Am Morgen nach dem Gespräch wird sie, zurück auf Mallorca, die Gummistiefel anziehen und durch ihren Olivenhain wandern. „Schöne Momente, gutes Essen, ein Sonnenuntergang, das ist sinnlich.“ Reich fühlt sie sich sowieso in solchen Momenten: Zwischen Oliven, Kräutern und gutem Essen hat sie sich selbst gefunden. Und sie lässt uns wissen: Zum Glück hat es endlich aufgehört zu regnen.

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Printausgabe 42 2018