Marcel Hirscher gegen den Rest der Welt

Ex-Skistar Marcel Hirscher schickt sich an, ein ebenso erfolgreicher Skiproduzent zu werden. Mit dem Getränkekonzern Red Bull als 50-Prozent-Partner und Ex-Erzkonkurrent Henrik Kristoffersen als Zugpferd ist die Erwartungshaltung bei der kommenden Ski-WM in Frankreich hoch. Neider und FIS machen gegen VAN DEER-Red Bullmobil - dem Hype um die Hirscher-Ski tut das aber keinen Abbruch. Nicht zuletzt auch wegen des umstrittenen Logos.

von Marcel Hirscher gegen den Rest der Welt © Bild: Joerg Mitter / Red Bull Content Pool

Österreichs ehemaliger Skisuperstar Marcel Hirscher ist zwar schon vor dreieinhalb Jahren zurückgetreten, dennoch ist er weiter in aller Munde. Das hat vor allem mit seiner eigenen Skimarke zu tun, die er vor eineinhalb Jahr gegründet hat und bei der im vorigen Sommer der Getränkekonzern Red Bull als Hälfteeigentümer eingestiegen ist. Und damit, dass die gemeinsame Firma VAN DEER-Red Bull Sports einen Ski produziert, mit dem beinahe vom Start weg Rennen gewonnen werden konnten. Marcel Hirscher gelang es in einem Überraschungscoup, seinen ehemaligen Erzrivalen, den norwegischen Slalom-und Riesentorlauf-Spitzenläufer Henrik Kristoffersen, als Zugpferd für die Marke VAN DEER-Red Bull zu gewinnen. Seitdem mischt der ehemalige achtfache Gesamtweltcupsieger die Branche auf, sorgt für Wirbel und mediale Aufmerksamkeit. Henrik Kristoffersen hat bereits zwei Weltcupsiege und mehrere Podestplätze eingefahren.

Neider machen mobil

Das hat prompt Neider auf den Plan gerufen: Nachdem Kristoffersen nach dem Slalom in Garmisch kurz darauf auch den in Wengen gewann und dem Schweizer Lokalmatador Loic Meillard den Sieg weggeschnappt hatte, wurden in der Folge Schummelvorwürfe gegen VAN DEER-Red Bull laut. Denn die Hirscher-Firma darf auf Druck des internationalen Skiverbands FIS nicht mit ihrem offi ziellen Doppel-Logo auf der Skioberfläche an den Start gehen. Dieses muss abgeklebt werden. Konkurrenten mutmaßten deshalb, Kristoffersen sei mit einem Ski der Konkurrenz -möglicherweise gar mit kurz davor gestohlenen Rossignol-Latten von Meillard -gefahren. Ein Vorwurf, der von Hirscher und seinem Team empört zurückgewiesen wurde. Immerhin hatte der als absoluter Perfektionist geltende Hirscher gegenüber News nach der Präsentation seiner Skier gesagt: "Dieses Produkt passt. Es ist eines, von dem ich mit voller Überzeugung und reinem Gewissen sagen kann: Es ist super." Eine Einstellung, bei der Rosstäuscherei eher keinen Platz hat.

© Joerg Mitter / Red Bull Content Pool

Wenig später folgte der nächste Eklat - diesmal initiiert von FIS-Präsident Johan Eliasch persönlich. Weil VAN DEER-Red Bull beim prestigeträchtigen Nachtslalom in Schladmig erstmals mit dem offiziellen Logo antreten wollte, drohte Eliasch Kristoffersen mit dem Lizenzentzug. Weshalb man sich entschloss, wenige Minuten vor dem Start das Logo doch noch abzukleben.

Jetzt herrscht dicke Luft: Es droht eine Eskalation des Konflikts, auch wenn Dominic Tritscher, Hirscher-Intimus und -Manager sowie Teilhaber an VAN DEER-Red Bull Sports, betont, man wolle den nicht auf den Rücken der Athleten austragen. "Wir werden natürlich gegen den Schritt des FIS-Präsidenten rechtlich vorgehen. Laut unserer Experten handeln wir völlig den FIS-Regulatorien entsprechend."

Man sei im Besitz einer eigenen Produktion, habe einen offiziellen Firmennamen und ein entsprechendes Firmenlogo und verkaufe die Ski im Handel. VAN DEER-Red Bull Sports sei eine Neugründung und habe ein Rieseninvestment getätigt, um die Regulatorien zu erfüllen, so Tritscher: "Und natürlich ist da der größte Schritt die eigene Produktion. Wir sind ein eigenständiger, unabhängiger Skihersteller, und für uns ist es die natürlichste Sache der Welt, unser offizielles Firmenlogo auf unseren Produkten zu zeigen."

Umstrittener FIS-Präsident

Eliasch, der wegen seiner umstrittenen Vermarktungspläne mit mehreren nationalen Skiverbänden -auch mit dem ÖSV - im Clinch liegt, habe über die Stränge geschlagen, so Tritscher. Seine in einem persönlichen Brief geäußerte Drohung sei „nicht nachvollziehbar".

Grundsätzlich könne niemand VAN DEER-Red Bull verbieten, was man im Handel tue, wie man kommuniziere und wie die Produkte aussehen. Zudem stehe man mit den Logos auch im Zielbereich, so der Hirscher-Intimus. "Johan Eliasch droht einem Weltcupsieger und Gewinner einer Kristallkugel mit dem Entzug der Lizenz. Wohin geht die Sache?"


Außerdem sei fraglich, ob Eliasch als CEO von Head mit seiner eigenen Firma nicht gegen die eigenen Regeln verstoße. Überall stehe da Rebels Club drauf -da könne man auch sagen, das ist ein Co-Branding von Head.

Der internationale Skiverband sieht das naturgemäß anders: Auf Anfrage von News heißt es, das Logo verstoße gegen die FIS-Werberichtlinien. Konkret vertritt man den Standpunkt, das Logo sei zu leicht mit dem des Getränkekonzern zu verwechseln. In den Regularien heißt es, dass eine Repräsentation eines Logos im Weltcup auf Skiern jener Marken nicht erlaubt ist, die sich typischerweise nicht mit der Herstellung von Ski-Equipment beschäftigen und das rein zu Werbezwecken produzieren. VAN DEER-Red Bull Sports habe vor Schladming eine Ausnahme von dieser Regel beantragt, die aber abgelehnt wurde. Für weiteren Zündstoff ist also gesorgt, auch wenn es offi ziell heißt, man befinde sich in Gesprächen, um den Konflikt zu lösen. ÖSV-Präsidentin Roswitha Stadlober sieht die Causa indes pragmatisch: Das FIS-Regulativ erlaube das Logo auf den Skiern nicht und daher gebe es keine Freigabe von der FIS. Im Rahmen des Advertising Meetings im Herbst in Zürich habe es Gespräche zum Thema gegeben, das Thema sei aber allein eines von VAN DEER-Red Bull und der FIS, so Stadlober. "Das Reglement muss eingehalten werden."

Immerhin stellt die ÖSV-Präsidentin eine Aufnahme der Hirscher-Firma in den Austria Ski Pool in Aussicht: Die Firma Augment ist im Austria Ski Pool mit Alpinund Sprungski. Mit VAN DEER sind die Gespräche am Laufen und sollten nach dem Weltcup-Finale abgeschlossen sein."

Skeptische Branche

Doch was sagt die Branche zur Causa? Die Meinungen gehen auseinander. Franz Schenner, Sprecher der Allianz Zukunft Winter, sieht den Hype um die Hirscher-Ski mit Skepsis: "Henrik Kristoffersen ist so gut, der gewinnt mit jedem Ski." Zum Logo-Streit meint er, Red Bull habe versucht, die FIS zu überlisten. Aus seiner Sicht, stehe hinter dem Projekt Red Bull das sich langfristig noch stärker im Skisport etablieren wolle, um mit Skiern als Werbefläche die Stammzielgruppe anzusprechen. "Und Hirscher hat die Chance genutzt, mit dem Einstieg billig zu einer Skiproduktion zu kommen." Vom Ziel, sich so wie die Schweizer Edelmarke Stöckli am Markt zu etablieren, sei VAN DEER-Red Bull momentan noch weit entfernt. Schenner: "Ich glaube nicht, dass sie die Mitbewerber wirklich fürchten." Die hätten alle gute Athleten, die sehr gut Ski fahren können.

Auch Fischer-Chef Franz Föttinger ist von der guten VAN DEER-Performance nicht überrascht: "Das Team ist sportlich extrem kompetent und nimmt die Sache sehr ernst." Und dass Henrik Kristoffersen gewinnt, sei logisch. Das wäre bei einem Wechsel von ihm zu jeder anderen Marke ebenfalls der Fall gewesen. Nicht ganz klar ist dem Fischer-Chef indes der große Plan, der hinter dem Projekt steht: "Ganz offensichtlich fließt da Geld von Red Bull hinein." Für ihn ist VAN DEER-Red Bull daher auch in erster Linie eine Sponsortätigkeit, um die Getränkemarke zu pushen. Vom Skiverkauf her betrachtet, lässt sich das Projekt niemals finanzieren, so Föttinger: "Ein Break-even-Point ist nicht sichtbar."

Die Probleme mit der FIS kommen für ihn daher nicht unerwartet. Es gebe im Alpinbereich im Gegensatz zum nordischen wie z. B. Skispringen ganz klare Regeln, was Co-Branding betreffe. "Da ist es spannend, wie dieser Prozess noch weitergeht." Dass den großen österreichischen Skiherstellern die anfänglich häufige Nennung der Hirscher-Ski bei Rennübertragungen im ORF aufgestoßen sei, verhehlt er nicht: "Es kann nicht sein, dass da versteckte Werbung für einen neuen Konkurrenten gemacht wird."

Eine Vorgangsweise, die auch Wolfgang Mayrhofer, Atomic-Chef und Sprecher der heimischen Skiindustrie, bestätigt: "Es ist im Sinne einer ausgewogenen Berichterstattung nur fair, wenn auch die anderen Skimarken erwähnt werden." Auch die hätten tolle Athleten und würden zudem seit Jahren große Beträge in den Ski-Pool einzahlen. Was die Konkurrenz durch Marcel Hirscher generell betrifft, gibt sich Mayrhofer entspannt -obwohl dieser lange Jahre Atomic-Werksfahrer war und auch noch nach seinem Karriereende mit dem Altenmarkter Unternehmen zusammengearbeitet hat. Atomic sei selbst ein besonders erfolgreicher Alpin-Ausrüster und habe zahlreiche Topathleten. "Dass Marcel seine eigene Skimarke hat, ist okay. Wir sind jetzt Wettbewerber, reden aber dennoch miteinander."

Wettbewerb beflügle und Marcel Hirscher sei dafür bekannt, dass er "pushe und etwas weiterbringen wolle. Insofern sei VAN DEER-Red Bull Sports eine gute Initiative, so Mayrhofer. "Alle strengen sich an, und jedes Wochenende treten die Besten gegeneinander an. Wir kennen ja alle von VAN DEER und gratulieren uns gegenseitig." Das Verhältnis sei nicht belastetet.

Begehrlichkeit im Handel

Sporthändler Christoph Bründl, exklusiver Vertriebspartner von VAN DEER in Österreich, ist "einerseits überrascht, dass der Erfolg so schnell gekommen ist, andererseits auch wieder nicht, weil da ein super Team am Werk" sei. "Das Gesamtpaket stimmt einfach." Die Kombination Hirscher und VAN DEER ziehe bei den Gästen. Im Vorjahr seien 1.500 der hochpreisigen Skier (rund 1.500 Euro) verkauft worden, heuer würden es mehr als 2.000 werden. In seinen Geschäften gebe es die VAN DEER-Modelle auch zu leihen und testen: "Da kann sich jeder überzeugen, wie gut der Ski ist", so Bründl, der selbst von der Laufruhe, Spritzigkeit und Wendigkeit der VAN DEER-Skier begeistert ist. Die Nachfrage sei sehr groß -und "jeder Erfolg im Weltcup ein unheimlicher Turboeffekt". Der Umstand, dass das Logo bei den Rennen abgeklebt werden müsse, steigere die Begehrlichkeit bei den Kunden noch mehr. "Das hat einen Touch mystischer Exklusivität", so Bründl. "Der Kernpunkt des Erfolgs ist die Story. Jedes Produkte braucht eine Geschichte."

Eine Geschichte und Aufmerksamkeit, die auch gut für das Land und Tourismuswirtschaft sei, findet Leo Bauernberger, Chef von Salzburg Tourismus. Schließlich ist Hirscher auch Markenbotschafter für Salzburg. Salzburg sei mittlerweile eine Art "Silicon Valley des Skisports"."Mit Hirscher und VAN DEER kommen jetzt neue Leute, Experten usw. ins Land. Das bringt einiges in Bewegung."

Ungeachtet der ganzen Aufregung ist man bei VAN DEER-Red Bull Sports mit dem bisher Erreichten "sportlich und wirtschaftlich sehr happy", so Dominic Tritscher: "In Summe läuft es viel besser als erwartet. Wir gingen in die Saison, um Erfahrung zu sammeln und bestmöglich aufzutreten und haben mittlerweile zwei Weltcupsiege und einige Podien." Die Forecast für die kommende Saison und das Interesse an der Marke seien gut. "Ich glaube, wir machen sehr viele Dinge richtig, verhalten uns fair, fördern den Sport und bringen eine positive Dynamik ins Spiel." Oder wie es Marcel Hirscher in seinem letzten Interview mit News mit Blick auf seine Kritiker formulierte: "Manche haben gesagt: "Deppert wirst sein und eigene Ski machen." Aber es macht offensichtlich Spaß. Und zum Spaß kommt mit wachsendem Erfolg jetzt eben auch Stress.

Dieser Beitrag erschien ursprünglich im News-Magazin Nr. 05/2023.