Mandelmilch & Co.: Alles nur ein Schmäh?

Wie sinnvoll sind Milchersatzprodukte wirklich?

Wie bitte? Sie trinken Milch? Und das, wo heute doch gemeinhin bekannt ist, dass Milch erwachsenen Menschen nicht gut tut? Abgesehen davon bietet der Markt genügend Alternativen, die um einiges besser verträglich sein sollen als Kuhmilch. Doch wie gesund sind Mandelmilch und Co. tatsächlich? Und ist Milch für Erwachsene wirklich so ungesund, wie man uns derzeit weismachen will?

von Mandelmilch, Milchersatzprodukte © Bild: Elke Mayr
Die mehrfache Bestsellerautorin und Preisträgerin des internationalen Gourmand World Cookbook Awards ist eine der bekanntesten Ernährungsexpertinnen Österreichs. Kirchmaier ist u.a. als klinische Ernährungsmedizinerin, Diätologin und Gesundheitswissenschafterin tätig. Sie betreibt eine ernährungstherapeutische Praxis im Bezirk Kitzbühel/Tirol und hält Vorträge u.a. an Fachhochschulen und in Unternehmen. Hier geht es zur Homepage von Angelika Kirchmaier.
Angelika Kirchmaier
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Kein Supermarkt, in dem nicht zumindest eine Ecke für diverse Milchersatzprodukte reserviert ist. Da findet man Mandeldrinks, Hafer- und Reisdrinks, nicht zu vergessen die fast schon alteingesessene Sojamilch. Verzeihung: den Sojadrink. Denn offiziell dürfen die Anbieter den Begriff Milch für all diese Produkte nicht verwenden. Weil sie mit Milch in Wirklichkeit ja auch nichts am Hut haben. Und genau das ist der Punkt. Herkömmliche Milch, so die heute weit verbreitete Meinung, mag zwar bei Kindern ihren Zweck erfüllen, Erwachsenen tue sie aber nicht gut. Doch stimmt das auch? Und was spricht eigentlich gegen Milch?

Schadet uns Milch tatsächlich?

"Rund 90 Prozent der Weltbevölkerung verträgt keine Milch", erklärt die Ernährungsexpertin Angelika Kirchmaier. Das liegt daran, dass diesen Menschen das Enzym Laktase fehlt - jenes Enzym, das man zum Verdauen des Milchzuckers - der Laktose - braucht. Zwar wird in der Regel jeder mit dem Enzym geboren, nach der Stillzeit baut man es aber ab und kann damit auch keine Laktose mehr verdauen. "Außer man zählt zu jenen, bei denen es im Laufe der Jahrhunderte zu einer genetischen Mutation gekommen ist, die dafür sorgt, dass man auch noch im Erwachsenenalter über besagtes Enzym verfügt", so die Expertin.

»Rund 90 Prozent der Weltbevölkerung verträgt keine Milch«

Und genau zu dieser Gruppe zählen die Mitteleuropäer. Mit anderen Worten: Menschen mitteleuropäischen Ursprungs müssen sich für gewöhnlich keine Sorgen darüber machen, dass ihnen Milch schaden könnte. Einige tun es dennoch. Und setzen in der Folge auf Milchersatzprodukte wie Soja-, Mandel- und Haferdrinks. "Eigentlich gibt es mittlerweile von fast jedem Getreide einen Drink", so Kirchmaier. Und egal, woraus er letztlich besteht - die Herstellungsweise beruht meist auf ein- und demselben Prinzip. Die Diätologin erklärt dies anhand des Mandeldrinks.

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Man nehme zwei bis vier Mandeln und koche sie in 100 Milliliter Wasser, bis sie weich sind. Anschließend wird der Mix püriert und abgeseiht. Je nach Hersteller finden sich in den Produkten noch die einen oder anderen Zusatzstoffe wie Verdickungsmittel und diverse Aromen. Im Grunde aber nichts, das man nicht auch selbst zubereiten könnte. Je nachdem, welches Lebensmittel die Ausgangssubstanz darstellt, variieren die Inhaltsstoffe des Drinks. Eines haben sie aber gemein: "Sie kommen nie an die Inhaltsstoffe einer Milch heran", erklärt die Ernährungsexpertin.

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Kaum gesundheitsfördernde Inhaltsstoffe

Während herkömmliche Milch reich an Eiweiß, Kalzium, Kohlenhydraten, Mineralstoffen und Vitaminen ist, sieht die Liste der Inhaltsstoffe diverser Milchersatzprodukte eher mager aus. Den meisten Drinks mangelt es an Biotin, einem Vitamin, das für unseren Stoffwechsel unabkömmlich ist. Und dann wäre da noch die Sache mit dem Kalzium. Zwar findet man auf der Verpackung diverser Produkte immer wieder den Aufdruck "+ Calcium", was den Eindruck erweckt, dass diese zumindest einigermaßen zur Deckung unseres Kalziumbedarfs beitragen. Nicht selten aber trügt der Schein.

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Vielen der Drinks wird nämlich nicht nur Kalzium, sondern auch Phosphor beigemengt. Dieser Stoff soll das Produkt cremiger machen. Die Sache hat allerdings einen Haken: Phosphor erschwert die Kalziumaufnahme. Den Drinks kann also noch so viel Kalzium beigesetzt werden - solange sie Phosphor enthalten, bringt das unserem Körper nicht allzu viel. Phosphor hat natürlich auch seine guten Seiten. So ist er etwa ein wichtiger Baustein unserer Knochen. Das gilt allerdings in erster Linie für natürliche Phosphate. Künstliche Phosphate dagegen sind der Expertin zufolge nicht ideal.

Der Schmäh mit dem Kalzium

Darüber hinaus sind einige der Milchersatzprodukte mit Aromen versetzt. "Aromen sind appetitanregend, was in Anbetracht der Tatsache, dass ohnehin schon rund 40 Prozent der österreichischen Bevölkerung übergewichtig sind, auch nicht gerade zielführend ist." Wenn man trotz alledem nicht auf Milchersatzprodukte verzichten will, dann sollte man zumindest auf jene setzen, die frei von Zusatzstoffen sind. Wer auf diesem Gebiet nicht bewandert ist, dem empfiehlt die Expertin einen Blick auf die Homepage der Arbeiterkammer NÖ zu werfen. Hier findet sich eine Liste mit sämtlichen E-Nummern.

»Die Drinks lassen sich halt gut und teuer verkaufen«

Bei all den Nachteilen müssen besagte Produkte doch auch irgendwelche Vorzüge aufweisen. Dazu die Expertin: "Sie sorgen für eine gewisse Abwechslung auf dem Speiseplan. Einen tatsächlichen Nutzen bringen sie aber eigentlich nicht." Weil die Menge an Mandeln, Sojabohnen und Co., die bei der Zubereitung zum Einsatz kommt, dermaßen gering ist, dass man hieraus keinen gesundheitlichen Mehrwert schöpfen kann. "Besser, man isst eine Handvoll Mandeln, als dass man sie erst ewig kocht und dann püriert und abseiht. Aber die Drinks lassen sich halt gut und teuer verkaufen."

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Dabei sind sich die Wenigsten des Risikos bewusst, das der Verzicht auf sämtliche Milchprodukte ohne medizinische Indikation birgt. "Wenn man das Enzym nicht mehr benötigt, weil man keine Milchprodukte mehr konsumiert, produziert der Körper es auch nicht mehr. Damit verliert man die Fähigkeit, Laktose zu verdauen. Und dieses System wieder zu regenerieren, ist wahnsinnig schwierig", mahnt die Expertin. Mit anderen Worten: Man züchtet sich eine Laktoseintoleranz regelrecht heran. Oft reicht hierfür schon ein Jahr völlige Milchabstinenz.

Laktoseintoleranz: Bei Verdacht testen!

Demnach sollte man auch bei Verdacht auf Laktoseintoleranz Milchprodukte nie aufs Geratewohl von der Speiseliste streichen, sondern stets einen entsprechenden Test durchführen lassen. Fällt dieser negativ aus, gibt es keinen Grund, auf Milch zu verzichten. Selbst dann nicht, wenn uns Verfechter der Traditionellen Chinesischen Medizin weismachen wollen, dass ein milchfreies Leben gemeinhin gesünder ist. "Aus der Sicht der TCM macht das durchaus Sinn." Immerhin sei diese Ernährungsweise ja auf jene Menschen zugeschnitten, die Laktose nicht verdauen können.

Jedoch spricht sich Kirchmaier entschieden dagegen aus, Ernährungsweisen aus anderen Regionen unhinterfragt zu übernehmen. Denn was den einen guttut, kann den anderen mitunter schaden. Schließlich sei Milch für uns Mitteleuropäer immer noch die beste Kalziumquelle. Stammt sie von extensiv gehaltenen Kühen, also solchen, die Gras fressen und sich frei bewegen dürfen, so ist sie auch reich an ungesättigten Fettsäuren, die unser Herz-Kreislaufsystem unterstützen. Darüber hinaus enthält sie Beta-Karotin, das krebshemmend wirkt. Damit kann jedenfalls keines der Milchersatzprodukte mithalten.