Bewerbung: So finden Sie den besten Mitarbeiter

Ein Team ist nur so gut wie seine Mitglieder. Dementsprechend wichtig sind Personalentscheidungen eines Unternehmens. Wie findet man den besten unter vielen Bewerbern? Und in welche Falle sollten Personaler bei der Auswahl eines neuen Mitarbeiters besser nicht tappen? Der Karriereberater Martin Wehrle steht Rede und Antwort.

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Martin Wehrle gilt als Deutschlands bekanntester Karriereberater. Er ist Journalist, Bestseller-Autor (zuletzt "Ich könnte ihn erwürgen - Vom einfachen Umgang mit schwierigen Menschen"*) und betreibt den größten deutschsprachigen YouTube-Kanal zum Thema Coaching und Karriere: "Martin Wehrle, Coaching- und Karrieretipps".
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Worauf muss ich als Personaler achten, um in einem ersten Auswahlverfahren die Spreu vom Weizen zu trennen?
Bloß nicht auf die Schwächen der Kandidaten! Denn wer nach Schwächen sucht, der findet auch welche - und zwar bei jedem. Besser fragen Sie sich: Wer bringt Stärken mit, die ihn zu einem guten Mitarbeiter machen? Dabei ist es wichtig, auch über den Tellerrand der ausgeschriebenen Position hinauszudenken. Denn Positionen verändern sich, Mitarbeiter bleiben.

Wie kann ich bei der Auswahl vorgehen, wenn ich für viele Bewerbungen wenig Zeit habe?
Ich finde, für diesen Vorgang muss man sich Zeit nehmen - denn die Bewerber haben sich auch viel Zeit genommen. Und Personalentscheidungen sind die wichtigsten Management-Entscheidungen eines Unternehmens. Die Personalauswahl funktioniert umso schneller, je genauer Sie wissen, was Sie wollen: Was sind Mindestvoraussetzungen? Was sind die erwünschten Highlighs? Das lässt sich anhand der Lebensläufe prüfen.

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Wie erkenne ich anhand des Lebenslaufs und des Bewerbungsschreibens, wie gut sich der Bewerber für die ausgeschriebene Stelle eignet?
Das ist schwierig, denn im Grunde erkennen Sie vor allem: Wer ist gut im Schreiben von Bewerbungen? Und wer nicht? Doch Sie können die grundsätzliche Eignung des Bewerbers prüfen: Bringt er alle Voraussetzungen mit? Hat er vergleichbare Positionen bekleidet? Weisen seine Zeugnisse auf überdurchschnittliches Engagement hin? Und das Anschreiben wird Ihnen verraten: Ist er wirklich motiviert? Geht er auf Ihre Ausschreibung ein? Sagt er, was ihn von anderen Bewerbern abhebt?

»Personalentscheidungen sind die wichtigsten Management-Entscheidungen eines Unternehmens«

Worauf muss ich im persönlichen Gespräch achten?
Stellen Sie bloß keine Standardfragen, etwa: "Was sind Ihre Schwächen?" Oder: "Wo wollen Sie in fünf Jahren stehen?" Dann bekommen Sie nämlich nur Standardantworten. Lassen Sie sich lieber schildern, wie die Leute reale Situationen bei ihrer Arbeit bewältigt haben - und zwar solche, die mit ihren eigenen Aufgabenstellungen vergleichbar sind. Achten Sie auch darauf, ob die Aussagen und die Körpersprache zusammenpassen. Wer selbstbewusste Dinge sagt, sich aber dauernd nervös am Ohr zupft, könnte etwas zu verbergen haben.

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Stichwort Körpersprache: Welche Signale sollte das geschulte Auge keinesfalls übersehen - im positiven wie im negativen Sinne?
Positiv sind alle offenen Gesten, zum Beispiel, wenn jemand beim Sprechen die offenen Handflächen zeigt - evolutionär heißt das: Ich habe keine Waffe hinterm Rücken, ich bin ehrlich. Vorsicht ist geboten, wenn ein Bewerber den Blickkontakt bei wichtigen Aussagen über sich selbst abbricht. Das kann ein Hinweis auf eine Lüge sein. Aber die Körpersprache bitte nicht überbewerten! Einige Übersprungs-Bewegungen sind unter Stress normal.

»Stellen Sie bloß keine Standardfragen«

Abgesehen vom Fokussieren auf die Schwächen des Bewerbers und dem Stellen von Standardfragen - welche Fehler werden bei der Auswahl eines neuen Mitarbeiters gerne begangen?
Ein klassischer Fehler besteht darin, dass der Entscheider sich Mitarbeiter nach seinem eigenen Vorbild aussucht. Das ist etwa so klug, als würde ein Fußballtrainer, der selbst Torhüter war, nur Torhüter für seine Mannschaft einkaufen. Ebenso lassen sich Personaler oft von einzelnen Eigenschaften blenden, zum Beispiel von großer Eloquenz. Aber Mitarbeiter werden nicht fürs Reden, sondern fürs Arbeiten bezahlt. Gefährlich ist es, wenn Bewerber rasch aussortiert werden, nur weil ihr Lebenslauf ungewöhnlich ist. Gerade solche Typen könnten oft für neue Ideen und Schwung sorgen.

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An welchem Punkt im Prozess fällt für gewöhnlich die Entscheidung für oder gegen den Bewerber?
Erst im Gespräch - sonst müsste man es ja gar nicht mehr führen. Nicht jeder, der tolle Unterlagen liefert, ist auch ein toller Bewerber. Manche haben einfach nur einen guten Bewerbungscoach gehabt. Dem kann man im Vorstellungsgespräch auf den Grund gehen. Und man kann die Kandidaten direkt nacheinander vergleichen. Es ist gut, die Gespräch für eine Position auf denselben Tag zu legen.

Welche Rolle spielt bei der Entscheidung das Bauchgefühl?
Bauchgefühl ist wichtig. Manchmal mag man einen Bewerber nicht, nur weil er jemandem ähnlich sieht, mit dem man schlechte Erfahrungen gemacht hat. In diesem Fall gilt es, das Bauchgefühl auszuschalten. Aber manchmal spürt man auch einfach: Die Person passt zu uns und der Abteilung! Das ist dann ein wichtiger Hinweis. Umgekehrt aber genauso, wenn sich die Nackenhaare aufrichten. Dabei gilt: Immer nach den rationalen Gründen dafür fragen.

»Mitarbeiter werden nicht fürs Reden, sondern fürs Arbeiten bezahlt«

Bei welchen Aussagen sollten mir als Personaler die Alarmglocken schrillen?
Wenn jemand über seine alte Firma schlecht redet. Oder wenn das Wechselmotiv nur im Geld oder in der Beförderung liegt. Oder wenn ein Bewerber schlecht vorbereitet ist und Fragen stellt, auf die er eigentlich schon längst Antworten recherchiert haben sollte. Ansonsten sollte man sich von einzelnen, nervösen oder ungeschickten Antworten nicht zu sehr beeinflussen lassen. Denn Bewerber stehen unter großem Stress.

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Wie sinnvoll ist ein Probemonat?
Ich bin für Probetage. Einfach mal testen, was ein Bewerber kann und wie er in die Firma passt. Aber auch die übliche Probezeit ist hilfreich - übrigens für beide Seiten. Ich empfehle auch Bewerbern wieder zu kündigen, falls es nicht passt.

Was muss ich nun beachten, um nicht nur einen guten, sondern den besten Bewerber zu finden?
Denken Sie daran, dass nicht nur der Bewerber seine Qualitäten beweisen muss - sondern auch Sie die Qualitäten Ihrer Firma. Machen Sie deutlich, was Ihre Firma von anderen abhebt. Sprechen Sie über die Philosophie. Und, ganz wichtig: Reden Sie Klartext. Sagen Sie nicht nur, was toll an einer Position ist, sondern auch, was schwierig ist. Nur wenn der Bewerber weiß, was ihn erwartet, werden beide Seiten glücklich.