Marlies Raich: "Der Benni und
ich organisieren alles selbst"

Die Slalomkönigin spricht über ihr Familienleben

Früher drehte sich alles um den schnellsten Schwung, das intensive Training und die eigene Linie im Rennen. Heute sieht der Alltag von Ski-Legende Marlies Raich anders aus.

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Interview - Marlies Raich: "Der Benni und
ich organisieren alles selbst"

Er wird von ihren drei Kindern bestimmt und dem Wunsch ein gutes Vorbild für Sie zu sein. Wovon die bodenständige 38-Jährige träumt, was sie an ihrem Mann schätzt und wohin die berufliche Zukunft gehen wird, verrät sie im Interview.

Im September 2014 - also vor rund fünf Jahren - haben Sie ihre aktive Ski-Karriere beendet. Wissen Sie noch, wie sie sich damals gefühlt haben?
Marlies Raich: Ja, es war für mich ein entscheidender Schritt. Ich habe mir wirklich lange für diese Entscheidung Zeit genommen. Der Skisport war mein Leben und hat mein Leben bestimmt. Im Nachhinein gesehen war es für mich aber die absolut richtige Entscheidung.

»Meine Erfolge von damals wirken dagegen unwichtig«

Warum? Und wie wichtig sind Ihnen die sportlichen Erfolge von früher überhaupt noch?
Mein Leben jetzt ist anders. Ich habe Familie und Kinder. Das wichtigste ist natürlich, dass wir alle gesund sind und es vor allem den Kindern gut geht. Meine Erfolge von damals wirken dagegen unwichtig. Sie waren nie lebensentscheidend. Aber mein Leben im Profi-Skisport war eine sehr schöne Zeit, die mir viel gegeben hat. Ich konnte etwas tun, worin ich gut war und das ich irrsinnig gerne gemacht habe. Es ist natürlich sehr erfüllend, dass ich auf so etwas zurückblicken kann.

Diese Saison hat sich ein großer Namen vom Weltcup verabschiedet: Marcel Hirscher. Was würden Sie ihm jetzt raten?
So wie ich den Marcel kenne, hat er sich seinen Schritt eingehend überlegt. Er hat ein ganz gutes Gefühl was er braucht und genießt jetzt sicher die Zeit mit seiner Familie. Im Grunde hat jeder Sportler, der seine Entscheidung selbst für sich treffen kann einen großen Vorteil. Bei Verletzungen oder wenn der Erfolg, trotz aller Bemühungen nicht eintritt, ist das deutlich schwieriger. Ich denke, dass Marcel dem Skisport bestimmt in der einen oder anderen Funktion erhalten bleibt - eine Leidenschaft kann man nicht einfach abstellen.

© imago sportfotodienst Zeitreise: Dieses Bild entstand im Jahr 2013 in der Atomic Homebase in Altenmarkt,v. l.n. r. Marcel Hirscher, Marlies Schild und Benjamin Raich

In der Zwischenzeit ist auch bei Ihnen viel passiert. Sie haben geheiratet und drei Kinder zur Welt gebracht. Haben Sie sich je eine Auszeit gegönnt?Irgendwie war eigentlich immer etwas los. Ich habe mich beruflich abgesichert und bin als Dreifachmama täglich gefordert, genieße es aber auch einfach mal nur zu hause zu sein und keine Koffer packen zu müssen. Hin und wieder packt mich aber schon das Fernweh. Obwohl ich beruflich schon viel gereist bin, habe ich manchmal das Gefühl außer Skipisten nicht so viel von der Welt gesehen zu haben.

»Ich hatte eine großartige Karriere, darum kann ich das Familienleben jetzt mehr genießen«

Manche empfinden das Mutter-Dasein als undankbaren Job an - können Sie das nachvollziehen?
Ich kann das schon nachvollziehen. Ich habe bereits eine großartige Karriere gehabt, darum kann ich das Familienleben mehr genießen. Wenn jemand gerade vor einem Karrieresprung steht und dann daheim bleiben muss, ist das sicher eine ganz andere Situation.

© imago/Sammy Minkoff

Als Skifahrerin haben sie große Erfolge gefeiert. Wie schauen ihre Erfolge heute aus?
Es sind die kleinen Erfolge des Alltags, an denen ich mich erfreue. Zum Beispiel hat mein Großer Radfahren gelernt. Die leuchtenden Augen werde ich nie vergessen. Oder wenn ich etwas finde, was meinen Kindern Spaß macht, wo sie voller Eifer dabei sind und sich weiterentwickeln können.

»Die leuchtenden Augen werde ich nie vergessen«

Ich bin auch dankbar und sehe es als Erfolg, dass ich mir Zeit für meine Kinder nehmen kann. Viele Mütter haben nicht die Wahl und müssen schnell zurück in ihren Job.

Welche Eigenschaften versuchen Sie ihren Kindern mitzugeben, um ihr Leben zu meistern?
Das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Ich versuche Ihnen vorzuleben, dass sie damit zufrieden sind, was sie haben. Das ist heutzutage gar nicht so einfach. Weil man hat ja eigentlich ohnehin alles. Dass man zusammen hilft und vor allem immer respektvoll miteinander umgeht, ist mir sehr wichtig.

Haben Sie das Gefühl, dass ihre Erziehung fruchtet?
Der Große ist gerade vier geworden, da läuft natürlich nicht immer alles so, wie man sich das vorstellt. Bei den Reaktionen von ihm stoße ich schon hin und wieder an meine Grenzen und bin auch ein bisschen ratlos. Dieses Trotzalter bringt einen manchmal schon so richtig auf die Palme, aber aus Gesprächen mit meinen eigenen und auch anderen Eltern, weiß ich, dass das ganz normal ist.

Als Kind von zwei österreichischen Skilegenden scheint eine Profikarriere vorgezeichnet. Halten Sie diesen Berufswunsch für Ihre Kinder als erstrebenswert?
Wir möchten, dass die Kinder gut Skifahren lernen und vor allem Spaß daran haben. Es ist schließlich unsere große Leidenschaft und natürlich wollen wir das weitergeben. Unsere Kinder werden aber nicht zu perfekten Athleten erzogen. Wenn das Talent und die Ambitionen fürs Skifahren da sind, würden wir den Weg in Richtung Rennsport sicher unterstützen aber auch in alle andere Richtungen. Es ist uns sehr wichtig, wenn auch noch etwas entfernt, dass die schulische Ausbildung passt und ihnen alle Möglichkeiten offen stehen, so wie es auch unsere Eltern getan haben.

Steht ihr ältester Sohn Josef (4 ) schon sicher auf den Skiern?
Ja, schon seit letztem Jahr und er spricht auch schon seit dem Sommer wieder davon. Ich freue mich schon auf den Winter und die ersten Schwünge.

Was gefällt Josef sonst noch?
Er singt echt gerne, vielleicht lernt er einmal ein Instrument. Zwingen werde ich ihn aber nicht, einfach ausprobieren lassen und fördern. Ich kann selbst ein bisschen Gitarre spielen, das gefällt meinen Kindern immer gut.

Bei Ihnen steht im Moment der Nachwuchs im Vordergrund. Welche Projekte gibt es bei Ihnen derzeit noch? Wo soll der Weg beruflich hingehen?Ich schreibe eine Kolumne und moderiere "Land der Berge" auf ORFIII. Die Dokumentationsreihe porträtiert Berge und Menschen in den Bergen. Die Sendung habe ich schon als Kind mit meinen Eltern geschaut. Mich mit Moderation auseinanderzusetzen war etwas völlig neues für mich, ich habe schon viel dazugelernt. Ich wollte auch immer etwas in Richtung Charity machen, habe aber noch kein fertiges Konzept. Im Moment schaue ich einfach, dass ich alles unter einen Hut bringe - Kinder und Karriere. Ich habe kein Kindermädchen – der Benni und ich organisieren alles selbst. Zum Glück gibt es auch noch Großeltern, die die Kinder auch gerne mal für sich haben.

Seit 15 Jahren sind Sie mit Benjamin Raich liiert - seit 4 Jahren verheiratet. Welche Eigenschaften schätzen Sie an ihrem Mann am meisten?Er ist sehr geduldig und besonnen. Dass er mal die Nerven wegschmeißt, das gibt es eigentlich nicht. Er ist sehr bedacht. Er handelt nicht aus dem Affekt heraus und hat immer gute Lösungsvorschläge.

Sind Sie die Temperamentvolle in der Partnerschaft?
Nein, das will ich damit gar nicht sagen. Ich handle mehr aus der Emotion heraus und er holt mich dann runter, um die Dinge klarer zu sehen

» Richtige Streitpunkte über die Arbeitsteilung gibt es nicht. Jeder macht was er kann«

Und worüber ärgern Sie sich? Bei vielen Paaren ist der Haushalt ein Thema.
Im Haushalt ist er sehr fleißig und unterstützt mich wo er kann. Den Geschirrspüler räumt er immer aus und er zaubert auch gerne mal ein schnelles Pastagericht aus dem Ärmel. Richtige Streitpunkte über die Arbeitsteilung gibt es eigentlich nicht. Jeder macht was er kann. Für mich als Frau ist es manchmal nur schwer zu verstehen, dass er mir, wenn er Zeitung liest und ich ihn etwas frage, keine Antwort gibt. Bei uns Frauen geht das alles gleichzeitig. (schmunzelt)

© imago images

Was ist das Geheimrezept einer funktionierenden Partnerschaft?
Der respektvolle Umgang miteinander ist sehr wichtig. Das ist das Entscheidende. Auch eine Meinung gelten zu lassen. Sich gegenseitig Freiheiten lassen. Wenn der Topf seinen Deckel findet, ist das ein Glück - und ich glaube, dass wir ganz gut zusammenpassen.

Zur Person: Marlies Raich (38, Mädchenname Schild) ist mit 37 Siegen die erfolgreichste Slalomfahrerin der Ski-Weltcupgeschichte. Elf Medaillen, darunter zwei WM-Gold und drei Olympia-Silber, zieren ihre Karriere, die auch von vielen Verletzungen geprägt war. Im September 2014 hat sie ihren Rücktritt vom aktiven Skisport verkündet. Im Jahr 2015 heiratete Sie Benjamin Raich (41). Der Tiroler Skirennläufer ist mit 36 Weltcupsiegen hinter Hermann Maier und Marcel Hirscher der dritterfolgreichste Österreicher. Er ist zweifacher Olympiasieger, dreifacher Weltmeister und gewann insgesamt 14 Medaillen. Gemeinsam haben die beiden Skirennläufer drei Kinder, Josef (4), Jakob (2) und Magdalena (6 Monate).