Barbara Karlich: "Es gibt
wichtigeres als zu moderieren"

Vor 20 Jahren ging ihre Talkshow im ORF erstmals auf Sendung. Nach 3.081 Sendungen lockt Barbara Karlich noch immer Jung und Alt wochentags um 16 Uhr vor den Fernseher. Im Jubiläumsinterview verrät sie, warum sie nie nervös ist, wie sie ihr Privatleben meistert und welche Wünsche sie noch hat

von Interview - Barbara Karlich: "Es gibt
wichtigeres als zu moderieren" © Bild: Ricardo Herrgott

Als sie zum Interview im Café Dommayer erscheint, mit einem Lächeln auf den Lippen und Hund Meixi an der Leine, stehen die Kellner sofort Spalier. Barbara Karlich ist auch privat eine attraktive und freundliche Erscheinung -und genauso nonchalant und locker wie auf der Bühne ihrer "Karlich Show", die seit 20 Jahren über nachmittägliche ORF-Bildschirme geht. Das ist auch das Geheimnis ihres Erfolgs, dass sie Menschen behandelt, als wäre es zumindest gute Bekannte. So entlockt sie mit Charme und einer wohltemperierten Dosis burgenländischen Schmähs ihren TV-Gästen mehr Geheimnisse, als diese eigentlich zu haben glaubten.

Sie haben anlässlich Ihres runden Geburtstags gesagt: "50 ist mir wurscht." Aber wie sieht es mit 20 aus - zwei Jahrzehnte "Barbara Karlich Show"?
20 Jahre "Barbara Karlich Show" sind mir natürlich nicht wurscht, ganz im Gegenteil. Das macht mich schon sehr stolz. Eigentlich wollten wir diese 20 Jahre gar nicht so an die große Glocke hängen. Aber eins kam zum anderen, und jetzt wird es groß gefeiert, was mich natürlich ehrt, und jetzt wird mir erst bewusst, was es heißt, seit 20 Jahren eine tägliche Talkshow im öffentlichrechtlichen Fernsehen zu moderieren .

An einem Mittwoch im Oktober 1999 ging's los am 27. Oktober, um genau zu sein. Was ist Ihnen von der Premierensendung am nachhaltigsten in Erinnerung geblieben?
Es war wahnsinnig viel rundherum um mich los. Die Leute waren irrsinnig aufgeregt, weil noch letzte Adjustierungen für Licht und Technik stattgefunden haben, und ich war mittendrin und hab tief in mich hineingelächelt. Ich war überhaupt nicht nervös, ich hab diese Aufregung rundherum lustig empfunden. Rolf Sturm, ein erfahrener deutscher Regisseur, hat ununterbrochen zu mir gesagt: "Hör zu, du bist die Königin, denke immer daran." Und ich hab mir gedacht "Was redet der? Ich bin die Moderatorin!"

Hand aufs Herz, Sie waren damals kein bisschen nervös?
Nein, ich betrachte Moderieren, egal, ob das die "Karlich Show" oder eine andere Sendung ist, mit so einer Gelassenheit und mit einem amüsierten Abstand, weil es gibt so viel Wichtigeres im Leben. Und wir machen nur Fernsehen, wir machen nur Radio. Vielleicht verändere ich Meinungen Richtung Toleranz und Offenheit, das wäre schön. Ich bin nur ein kleines Rädchen in dieser Medienwelt. Ich nehme mich nicht so wichtig. Ich mache natürlich auch Fehler, ich verplappere mich halt, na und?

Aber Versprecher könnten bei der "Karlich Show", die nicht live ist, doch geschnitten werden?
Nein, Versprecher bleiben drinnen. Wir zeichnen relativ 1 : 1 auf, da wird selten viel geschnitten, das würde der Show auch das Tempo nehmen.

Aber wann sind Sie denn schon mal aufgeregt?
Ich bin vor jedem Zahnarzt-Besuch aufgeregt. Ich habe vor diesen Medizinern so eine panische Angst. Außerdem bin ich eine Hypochonderin. Vor jedem Arzt-Besuch hab ich Krebs im Endstadium, vom Gefühl her. Dazu kommt, dass mein bester Freund Stefan in dieser Beziehung noch ärger ist, und dann schaukeln wir uns gegenseitig so lange auf, bis wir uns wirklich mit den letzten Nerven-Reserven zum Arzt schleppen, weil wir glauben, wir sind gleich tot. Aber dann ist eh immer alles gut.

Ist eigentlich schon einmal eine Sendung aus dem Ruder gelaufen?
So wie in den amerikanischen Shows, in denen sie sich schlagen und Vaterschaftstest ausbreiten, das gibt es bei uns nicht. Die "Karlich Show" talkt ja auf einem normalen zwischenmenschlichen Niveau. Wir gehen sehr respektvoll miteinander um.

In Deutschland hat es sich anders abgespielt: Da gab es die Wutausbrüche eines Klaus Kinski oder in der RTL-Show "Explosiv -der heiße Stuhl" wurden beispielsweise Alfred Biolek und Hape Kerkeling geoutet. Wäre so etwas bei Ihnen in der Show vorstellbar?
Outen finde ich unnötig, man sollte einfach sagen können: Ich bin schwul, lesbisch oder bi und basta! Dieses große Tamtam ums Outing sollte im dritten Jahrtausend hierzulande wichtigeren Dingen weichen; die Sexualität sollte jeder so leben können, wie er in einem freien Land will. Wir sollten uns über sexuelle Ausrichtung nicht mehr echauffieren müssen.

Noch mal nach Deutschland: Hans Meiser, Ilona Christen, Bärbel Schäfer sind alle Geschichte. Wie erklären Sie sich, dass Sie die letzte Nachmittags-TV-Queen des deutschsprachigen Fernsehens sind?
Die Deutschen sind diese Formate ganz anders als wir angegangen. Mit Trash und Leute vorführen, je ärger, desto besser. Wir haben schnell bemerkt, dass die österreichischen Zuschauer nicht den 18-Jährigen, der aus der tiefsten Schicht kommt, zahnlos ist und den dritten Vaterschaftstest am Hals hat, sehen wollen. Wir sind einen anderen Weg gegangen. Denn wer hat am Nachmittag vor 20 Jahren ferngeschaut? Es waren die Älteren. Wir haben ihnen eine für sie neue Welt gezeigt, etwa eine Bäuerin aus dem hintersten Winkel mit einem Transvestiten konfrontiert. Das war spannend, und das hat funktioniert. Die Quoten sind raufgeschossen, und wir haben unseren Platz gefunden.

Aber wie hat man ein inzwischen mit der modernen Medienwelt doch vertrautes Publikum halten können?
Auf dieser Basis haben wir aufgebaut und natürlich die Themen im Lauf der Jahre verändert. Vor 20 Jahren haben Schönheitsoperationen die Leute irrsinnig aufgeregt, heutzutage überhaupt nicht. Themen, die heute gehen, behandeln das Klima, neue Lebensformen und vor allem Geld. Und bei der Thematik "Ich arbeite nur mehr drei Tage in der Woche" ist's richtig rundgegangen. Viele schauen um 16 Uhr zu, andere streamen eben am Abend oder in der Nacht am Handy. Vor allem die Jungen und die Berufstätigen. Das Wichtigste aber ist: Ich lache nicht über, sondern mit den Gästen. Und ich behandle alle mit Respekt.

Gehören Publikum und Gäste auf der Bühne grosso modo der gleichen Altersgruppe an?
Das ist durchgemischt. Es ist ein bisschen der Spiegel der Gesellschaft, bei mir sind alle ab 16 vertreten und willkommen.

Sehen Sie sich andere Shows,etwa Markus Lanz, an?
Ich streame sehr viel, ich schaue durch die Bank alles, bleibe aber selten die ganze Zeit dran, weil ich einfach keine Zeit habe: Ich habe ein Kind, einen Hund, einen Haushalt, mehrere Jobs. Die einzige Sendung, die ich mir komplett anschau, ist "Willkommen Österreich", aber nicht um 22.30 Uhr.

Schauen Sie Sendungen als Info oder nur zur Unterhaltung an?
Ich sehe viele Infosendungen, Reiseberichte, gute Serien. "Willkommen Österreich" aber, das ist ein Pflichttermin.

Wie sehr sind Sie in die Themenfindung Ihrer Sendungen eingebunden?
Sehr peripher. Selten schlage ich Themen vor oder bringe Gäste. Wozu auch? Ich habe die beste Redaktion der Welt!

ORF-2-Channelmanager Alexander Hofer meinte unlängst, es gibt unendlich Themen für die "Karlich Show". Pflichten Sie ihm bei?
Ja, weil den Menschen der Gesprächsstoff nicht ausgeht. Weil wenn dem so wäre, würde sich hier im Kaffeehaus niemand mehr unterhalten. Du kannst die "Karlich Show" ein bisschen mit Dorftratsch bei der Kirche nach der Sonntagsmesse oder dem Bassenatratsch vergleichen. Du unterhältst dich ja über das Leben.

Wer hat übrigens die bunte Gästeliste für Ihre Jubiläumssendung zusammengestellt?
Waltraud Haas ist eine Legende, Chris Lohner am Bildschirm dito, und als mein Team von Semino Rossi hörte, ist es ausgeflippt. Ich habe ein Bild mit Semino Rossi auf Facebook gepostet. Ich moderiere auf Radio Burgenland eine Sendung namens "Der Barbara Karlich Buchklub", in der ich alle zwei Wochen mit Prominenten drei Stunden lang über das Leben talke. Der Aufhänger aber ist: Welches Buch lesen Sie gerade, oder welche haben Sie geschrieben? Dort treffe ich Rossi zufällig, er wusste schon, dass er in die Jubiläumssendung kommt, und wir machen ein Foto zusammen. Das Foto ist auf Social Media durch die Decke gegangen. Die Zuseher der "Karlich Show" lieben Stermann und Grissemann, aber auch Semino Rossi. Virginia Ernst und Michi Buchinger sind stellvertretend für die Jugend da gewesen. Gut, das wären Chris und Hasi auch, so jung, wie die sind. Wir zeigen in der Jubiläumsausgabe die Bandbreite der "Karlich Show". Und der Semino Rossi hat mir ein Ständchen gesungen, das mich zu Tränen gerührt hat.

Würden Sie in einer Talkshow auftreten, deren Thema "Ich habe mir immer die falschen Männer ausgesucht" lautet?
Hahahaaa, ja, warum nicht? Ich würde aber in jeder Talkshow auftreten, weil ich etwas zu sagen habe. Aber ich habe gelernt, über mein Privatleben zu schweigen.

Würden Sie aber, um es mit Edith Piaf zu sagen, behaupten: Je ne regrette rien?
Rückblickend hätte ich gerne die perfekte Beziehung gehabt, aber wer hätte die nicht gerne? Hätte ich diese Männer nicht kennengelernt, wäre ich jedoch nicht da, wo ich bin. Denn wenn ich jetzt 30 Jahre die perfekte, skandalfreie Beziehung gehabt hätte, glaube ich nicht, dass ich mich mitunter so gut hineinversetzen könnte in meine Gäste. Natürlich bin ich eine Frau mit Ecken und Kanten, und dadurch, dass ich nicht so perfekt bin, mögen mich die Menschen auch. Einmal vollschlank, dann wieder schön schlank, Scheidungen und Eheannulierungen hinter mir. Ich bin eine Moderatorin aus dem Volk, und keine abgehobene Sprechpuppe. Mein Publikum freut sich auch mit mir: Wenn ich abnehme, sagt es, jetzt is' fesch, und wenn ich wieder zunehm, sagt's: der schmeckt's halt.

Wie würde denn ein liebensund lebenswürdiger Mann ausschauen, den Sie gerne an Ihrer Seite hätten?
Das erklärt vielleicht ein Satz, der mein Mantra geworden ist: Wenn du Gott zum Lachen bringen willst, dann erzähle ihm von deinen Plänen. Weil es kommt immer anders, als man denkt. Träume kann man schon haben, weil, woran ich wirklich glaube, ist die Macht der Gedanken. Ich habe mich schon als 16-Jährige auf einer Bühne gesehen, obwohl ich ganz andere Berufspläne hatte, ich wollte Ärztin werden. Ich glaube aber schon, dass irgendwo die passende zweite Hälfte herumläuft, bis jetzt waren es halt nur Sechzehntel, die an mir angedockt sind. Es sollte auf alle Fälle jemand sein, der mit meiner Prominenz umgehen kann. Ich brauche nicht unbedingt einen Mann für den Alltag, auch wenn es schöner wäre, aber ich bin so geschickt, ich repariere die Waschmaschine auch selbst, wenn es sein muss.

Ist die klassische Familie für Sie ein heiliges Instrumentarium, weil Sie ja in einer ländlichen, in einer burgenländischen Gemeinde aufgewachsen sind?
Die Familie ist ein wunderschönes Konstrukt, und mir tut es auch leid, dass wir es nicht geschafft haben. Eine sogenannte perfekte Familie wird offensichtlich immer schwieriger lebbar, wenn man die aktuelle Scheidungsrate heranzieht.

Wie erziehen Sie Ihre Tochter Gloria, welche Werte versuchen Sie, ihr mitzugeben?
Ich kann ihr ab jetzt, sie ist mit bald zwölf vorpubertär, nicht mehr viel mitgeben. Sie ist schon so selbstständig und lieb, ist sehr gescheit und schlagfertig, und sie beobachtet genau und macht sich ihre Gedanken selbst. Ich kann sie nicht mehr prägen. Was bis jetzt war, war Vorbild leben. Ich habe sie nicht wirklich erzogen, ich habe ihr Manieren und die Einstellung zu anderen Menschen und der Umwelt gelehrt. Auch christliche und buddhistische Werte mitgegeben. Alles, was ich bis jetzt nicht geschafft habe, brauche ich jetzt nicht mehr angehen.

Ist sie eine kritische Zuseherin Ihrer Show?
Die "Karlich Show" interessiert sie weniger, aber "9 Plätze - 9 Schätze" liebt sie.

Sie haben jüngst gesagt, Sie würden sich die Achtziger zurückwünschen - warum?
Stimmt. Weil es für mich die schönste Dekade war, unabhängig von der Musik, die für mich nach wie vor die tollste ist. Ich steh auf Brit-Pop, Punk auch. Ich hätte damals gerne in England gelebt, das Lebensgefühl war toll, einfach weil ich damals in den besten Jahren meines Lebens war, gerade die Welt entdeckt habe.

Sind Sie aber heute eine Frau, die in sich ruht, die mit ihrem Leben zufrieden ist?
Als in der Öffentlichkeit stehender Mensch sagst du natürlich: Ich bin total glücklich und zufrieden. Bin ich auch, aber nicht immer. Aber ich versuche es, wir ernähren uns total gesund, ich kaufe saisonal und regional, ich esse kein Fleisch, weil es mir nicht schmeckt, hat natürlich auch mit Tierhaltung und -transporten zu tun. Warum ich nicht so schlank bin, wie ich gerne wäre: Ich nasche so gerne. Das Schönste wäre, mich in einer Konditorei einzusperren.

Was bringt Sie eigentlich auf die Palme, Frau Karlich?
Wenn Autofahrer in einer 30er- Zone schneller als erlaubt fahren. Und zwar nicht 40, sondern 70 km/h. Da halte ich die Leute mit den Worten auf: Können Sie nicht lesen, das ist eine 30er-Zone. Hier leben kleine Kinder, Katzen und Igel, daher bitte langsam fahren.

Was wäre, wenn die "Barbara Karlich Show" nicht mehr am Programm steht?
Diese Frage beantworte ich nicht, weil es nicht akut ist. Die können Sie mir stellen, wenn es soweit ist.

Würden Sie auch zu einem Privatsender wechseln?
Auch da die Antwort: Wenn es soweit ist, werde ich mich entscheiden. Aber es käme natürlich auf die angebotene Sendung an.

© ORF/Roman Zach Kiesling Am 23. Oktober feierte ORF 2 im Hauptabend 20 Jahre "Barbara Karlich Show" mit vielen prominenten Gästen

Könnten Sie sich vorstellen, "Liebesg'schichten und Heiratssachen" von der verstorbenen Elisabeth T. Spira weiterzuführen?
Die Weiterführung wird ja gerade am Küniglberg diskutiert, und auch ich bin gespannt, was dabei rauskommt. Der Punkt ist der, dass ich in meiner Sendung schon immer gekuppelt habe und kupple. Ich wäre ja froh, wenn alle glücklich wären. Selber gescheitert, aber ich glaube, genau zu wissen, wer mit wem könnte (lacht). Ich liebe die Liebe!

Also würden Sie's, wenn man es Ihnen anböte, machen?
Na sicher! Aber ich freue mich fix für jeden, der's machen darf. Hauptsache, Spiras Erbe wird weiter gerockt!

Zur Person:
Die Publizistin, Journalistin und Moderatorin wurde am 7. Jänner 1969 in Wien geboren. Sie wuchs in Trausdorf im Burgenland auf. Nach absolviertem Studium sammelte sie erste Erfahrungen im ORF-Landesstudio Burgenland. Ab 1996 moderierte sie die Morgenshow bei 92.9 RTL. 1999 startete ihre Show, die am längsten laufende Talkshow im deutschsprachigen TV. Sie ist geschieden und lebt mit Tochter Gloria im Burgenland.