Josef Hader: "Die Trottel
sind jetzt in der Minderheit"

Seine schon historischen Kabarett-Erfolge stellt Josef Hader gratis ins Netz. Die Maßnahmen hält er für richtig - und will Corona-Zweifler nach Italien und Spanien schicken.

von
THEMEN:
Menschen - Josef Hader: "Die Trottel
sind jetzt in der Minderheit" © Bild: Lukas Beck

Sie unterhalten in dieser tristen Zeit online gratis mit Ihrem Kabarett. Wie geht es Ihnen in der Isolation?
Ich bin gern daheim. Ich mag auch nicht, wenn ständig gesellschaftliche Anlässe sind. Für mich sind sozusagen ideale Zeiten angebrochen. Sogar beruflich. Ich hab sowieso geplant, im Frühjahr an einem neuen Soloprogramm zu schreiben. Das soll erst im Jänner herauskommen, ich hab also keinen Stress. Das mit der Konzentration beim Schreiben haut auch besser hin wegen dem Virus.

Wie funktioniert das? Blenden Sie alle Nachrichten aus?
Es geht wahrscheinlich, weil ich schon mitten in der Arbeit bin. Da kann man beim Schreiben gleich in eine andere Realität eintauchen. Ich muss mir aber auch keine großen Sorgen machen, weder beruflich noch familiär, dass da wer ein besonders hohes Risiko hätte. Da bin ich glücklicher dran als andere.

Was empfanden Sie, als Sie zum ersten Mal realisierten, dass wir in Europa, in Österreich betroffen sind?
Das ist für jeden sehr überraschend. Bis auf die ganz ältere Generation haben wir immer nur erlebt, dass die weltweiten Katastrophen an Europa vorbeigehen. Jetzt sehen wir einmal selber, wie das ist, wenn man plötzlich mitten in der Weltgeschichte steckt und von einem Unglück betroffen ist, das man selber nicht verursacht hat. Das fühlt sich ein bisschen unwirklich an, wie ein Albtraum, aus dem man aufwachen möchte.

Halten Sie die Maßnahmen für übertrieben?
Nein. Die Politiker tun das, was die Fachleute empfehlen, um möglichst viele Menschenleben zu retten. Vielleicht sind manche Maßnahmen nicht notwendig, aber welche, das weiß man erst nachher. Hinterher ist man schlauer. Ich war Anfang März auf Tour in Bayern. Als mich das Ordnungsamt einer Gemeinde per Mail angefragt hat, ob ich vorher in einer vom Robert-Koch-Institut als Risikogebiet eingestuften Gegend war, hab ich noch Witze darüber gerissen, das ist mir dann aber schnell vergangen.

Haben Sie Angst, sich anzustecken?
Ich persönlich hab keine Angst, ich bin ganz gut beisammen. Niedriger Ruhepuls, vom vielen Kabarett spielen.

Für einige sind die Maßnahmen eine schlimmere Bedrohung als das Virus. Können Sie das nachvollziehen?
Sicher. Wenn man durch den wirtschaftlichen Stillstand bedrohter ist als durch das Virus, kann man schnell auf den Gedanken kommen, dass das alles übertrieben ist. Und wenn dann noch ein paar halblustige sogenannte Wissenschaftler im Internet herumgeistern und uns einreden wollen, dass alles nicht schlimmer ist als die jährliche Grippe ... diese Herrschaften sollte man nach Oberitalien einladen oder nach Madrid, da können sie sich dann diese ganz normale Grippesaison anschauen. Und gleich mithelfen in den Krankenhäusern.

Kulturstaatsekretärin Ulrike Lunacek hat zunächst fünf Millionen Euro an Hilfsgeldern zugesagt. Kann man damit wirklich den vielen Betroffenen helfen?
Das weiß ich nicht. Ich merke nur, dass es in meinem Bereich nicht nur die Künstler betrifft, da gibt es die Bühnentechniker, die Leute, die im Theater arbeiten oder im Management die Ein-Personen-Unternehmen, die bräuchten alle Hilfe.

»Übertriebene Sorge finde ich ein bissl luxuriös«

Manche bangen um die Einschränkung der demokratischen Rechte. Wie sehen Sie das?
Gedanken über die demokratischen Rechte soll man sich immer machen, auch in einer Demokratie, weil dafür haben wir sie, damit wir das dürfen. Digitale Überwachung anhand von Gesundheitsdaten find ich auch nicht so prickelnd. Aber wir haben eine Opposition und die wird da genau draufschauen. Übertriebene Sorge finde ich ein bissl luxuriös. Man braucht von hier nur ein paar Kilometer fahren und ist in Ungarn, die hätten gern unsere Probleme.

Wo bleibt die Kritik des Kabarettisten?
Ich finde, dass der Begriff "schwarzer Humor", der mir wichtig ist, in sehr unwürdiger Weise von der Tiroler Landesregierung gekapert wurde. Dagegen verwahre ich mich scharf. Da muss der Sanitätsdirektor einen kompletten Unsinn sagen, weil es ihm der Gesundheits-Landesrat anschafft, dem das der Landeshauptmann befiehlt, der diese Anweisung vom Seilbahn-Obmann bekommt. Alle bei einer Partei. Das ist nicht mehr der schwarze Humor, den wir alle so lieben!

Zukunftsforscher behaupten, dass nach Corona nichts mehr so sein wird wie vorher. Wie sehen Sie das?
Ich glaube, dass der Einfluss der Gegenwart auf die Zukunft immer ein wenig überschätzt wird. Besonders von Zukunftsforschern, die müssen immer ein bisschen übertreiben, damit ihnen wer zuhört. Unmittelbar nach 9/11 wurde die Frage gestellt, ob man je wieder einen Witz über die USA machen darf. 1989, nach dem Zusammenbruch des Kommunismus, wurde das Ende der Geschichte ausgerufen. Die Wahrheit ist, dass alles immer vorbeigeht und dann kommen wieder andere Probleme. Vielleicht passiert noch eine große Wirtschaftskrise hintennach, vielleicht gibt es in Zukunft etwas weniger Globalisierung. Aber im Großen und Ganzen werden wir nach Corona genauso weiterwursteln wie bisher, weil das halt in der menschlichen Natur liegt. Die Sicherheiten nehmen schon ab, das stimmt. Früher wusste man, wenn man 40 Stunden arbeitet, kann man damit eine Familie erhalten. Wir hatten die Gewissheit, dass es einen Welt-Polizisten gibt, der aufpasst, dass nicht alle Staaten Atomwaffen haben. Und wir haben geglaubt, dass wir hier in Europa vor Seuchen sicher seien.

Jetzt haben wir die Gewissheit, dass wir verwundbar sind.
Ja, und man könnte viel draus lernen. Zum Beispiel, dass es vielleicht doch nicht so super ist, wenn der Staat immer schlanker wird. Sondern in einigen Bereichen, zum Beispiel im Gesundheitssystem, sogar recht dick sein darf. Vielleicht finden wieder mehr Leute wichtig, dass es verlässliche Medien gibt. Vielleicht matschkern die Leute ab jetzt eine Spur weniger, wenn es ihnen gut geht. Vielleicht gibt es sogar in den Internetforen hie und da ein positives Posting. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

»In Zeiten, wo Kompetenz und Entscheidungen gefragt sind, reicht ein großes Mundwerk nicht«

Auch die Rechten sind in diesen Tagen sehr still geworden. Die AfD will sogar den extrem rechten Flügel ausschließen. Auf Twitter warnt niemand vor Nazis. Was ist da los?
Die Rechten sind im Moment ein bissl schmähstad. Die leben von Scheinproblemen, die sie aufblasen, jetzt gibt es aber echte. In Zeiten, wo Kompetenz und Entscheidungen gefragt sind, reicht ein großes Mundwerk nicht. Das könnte eine der guten Entwicklungen sein, ich fürcht aber, es ist nur kurzfristig.

Haben Sie eine Erklärung dafür, warum in Österreich und Deutschland so viel Klopapier gekauft wurde?
Vielleicht hat es damit zu tun, dass wir alle in der Kindheit von den Eltern gezwungen wurden, möglichst schnell ohne Windeln auszukommen. Da ist man dann geschimpft worden, wenn man sein Geschäft auf dem Wohnzimmerboden verrichtet hat, das hat sich eingeprägt. Es muss etwas Frühkindliches sein, das steht fest.

Wäre das nicht ein Thema für den Kabarettisten?
Bis mein Programm herauskommt, hat man andere Sorgen.

Was kann Sie in diesen tristen Tagen erheitern?
Die Satirezeitschrift "Die Tagespresse". Da kann ich einmal am Tag richtig lachen.

Die deklariert ihre Fake News. Halten Sie es für richtig, dass man die Verbreitung von Fake News bestraft?
Das ist ein schmaler Grat, es muss ja auch die Meinungsfreiheit gewährleistet sein. Wenn man beginnt, andere massiv mit Dummheiten zu beeinflussen, wird's gefährlich. Aber wie legt man die Grenzen zum Strafbaren fest, wenn viele Deppen im Internet etwas teilen?

Was sagt es über Menschen aus, die lachen, wenn Sie von einem Herzinfarkt in Ihrem Kabarett erzählen?
Witze, die in einem Grenzbereich angesiedelt sind, haben immer mit der eigenen Angst zu tun. Es kann ja nur gut sein, über die eigene Angst zu lachen. Aber das ist natürlich eine Schutzbehauptung von mir, weil das ist ja mein Geschäftsbereich. Wenn ich davon nicht überzeugt wär, müsste ich mit meiner Arbeit aufhören.

»Ich habe nie Angst gehabt vor Dingen, die man in der Zeitung liest«

Bewältigen Sie damit auch eigene Ängste?
Sicher, ich bin mein erster Klient. Ich hab immer viel Angst gehabt. Als Kind besonders. Und ich kann sie jederzeit wieder hervorholen. Meine Angst definiert sich aber nicht an großen, weltumspannenden Katastrophen, sondern in konkreten Situationen. Ich habe nie Angst gehabt vor Dingen, die man in der Zeitung liest. Ich habe eher Angst, etwas falsch zu machen und dann ist wer böse mit mir. Auch was Frühkindliches.

Wie weit darf Satire gehen?
Das weiß ich auch nicht. Eigentlich ziemlich weit, wenn sie klug ist. Bevor ich begonnen habe, mein Programm zu schreiben, hab ich zur Einstimmung ganz frühe Sachen gelesen. Den "Simplicissimus" von Grimmelshausen aus der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs etwa oder Texte von Jonathan Swift. Das war praktisch der Urschleim der europäischen Satire, geschrieben in sehr unruhigen Zeiten. Ich dachte, das wird die Stimmung sein, die wir in den nächsten Jahren haben werden: Nix ist fix.

Ist es nicht seltsam, wenn diese Vorahnung tatsächlich eintritt?
Ich hab keine Vorahnungen. Das ist mehr was für Esoteriker. Die Welt hat sich ja schon länger so entwickelt, da braucht man nichts vorahnen. Eine europäische Seuche ist nicht das Erste, wo wir gedacht haben, das ist überwunden. Auch bei Enthauptungen hätt' man ja geglaubt, dass so was im 21. Jahrhundert nicht mehr passieren kann und es ist passiert. Oder Filterkaffee. Da hätte ich persönlich darauf gewettet, das ist als historische Fehlentwicklung hinreichend bewiesen. Und jetzt ist er auf einmal wieder in. Ich bin Espressotrinker. Filterkaffee ist für mich etwas sehr Perverses, knapp an der Grenze zur Eigenurintherapie. Es kommt ein neues Zeitalter.

Welches?
Das düstere Zeitalter von Seuchen und Filterkaffee. Wenn sich Chinesen nicht mögen, dann wünschen sie sich: Mögest du in interessanten Zeiten leben. - Hoffentlich wird's nicht zu interessant, das würd ich gerne zu Lebzeiten vermeiden.

»In der Wirklichkeit ist es derzeit so, dass die Trottel erfreulicherweise in der Minderheit sind«

Worauf kommt es jetzt an?
Wahrscheinlich darauf, dass wir zusammenarbeiten. Menschen und Staaten. Wenn ich jetzt auf die Straße geh, sind die meisten Leute freundlich miteinander. Es ist ganz anders als in einem Katastrophenfilm von Roland Emmerich. Dort wird die Mehrheit panisch und egoistisch, in der Wirklichkeit ist es derzeit so, dass die Trottel erfreulicherweise in der Minderheit sind. Die meisten sind jetzt nett zur Kassiererin im Supermarkt, die Deutschen versorgen französische Patienten, die Österreicher organisieren Schutzmasken für die Italiener. Es gibt auch gute Seiten an dem Ganzen. In meinem Bekanntenkreis machen viele Leute etwas, was sie vorher noch nie gemacht haben. Führen auf einmal Tagebuch, bepflanzen den Balkon, lernen Brot backen. Ich würde der Regierung dringend raten, bei der ersten Lockerung gleich einmal die Baumärkte zu öffnen. Dann ist der Weg aus der Krise garantiert.

Was machen Sie, wenn Sie nicht schreiben?
Ich habe zwei linke Hände. Hätte ich kein Programm zu schreiben, würde ich ein richtig dickes Buch lesen. Ich bin ja kein Serienjunkie, ich würde mir lieber einen richtigen Wälzer vornehmen. Vielleicht "Anna Karenina" von Tolstoi. Ich würd sozusagen flüchten in die Bobo-Blase des 19. Jahrhunderts.

Was, wenn Ihre Pasta ausgeht oder das Klopapier?
Das wird nicht passieren. Ich fahr nämlich so gern nach Italien und nehm von dort immer so viele Lebensmittel mit, dass ich sicher ein Jahr auskomm. Klopapier könnte eng werden. Aber das erste Klopapier meines Lebens waren zusammengeschnittene Seiten vom "Bauernbündler". Ich könnte also jederzeit auf alte Zeitungen ausweichen. Der Trick ist, dass man sie solange zusammenwuzelt bis sie weicher werden. News ist leider ungeeignet, zu hart, Tageszeitungen sind besser.

Was hilft Ihnen außer Schreiben, jetzt den Mut nicht zu verlieren?
Für mich ist es eine Hilfe, an meine Großeltern zu denken. Sie haben den Ersten Weltkrieg als junge Menschen erlebt, im Zweiten waren sie in ihren Fünfzigern, dazwischen war die Zwischenkriegszeit, auch nicht lustig. Die hätten vielleicht sogar ein bissl gelacht über unsere Probleme.

ZUR PERSON: Josef Hader wurde 1962 in Waldhausen in Oberösterreich geboren. Als er 1985 mit dem renommierten "Salzburger Stier" ausgezeichnet wurde, gab er das Lehramtsstudium auf. Hader ist einer der herausragendsten Kabarettisten Österreichs, auch als Schauspieler gefragt und als Regisseur erfolgreich. Sein erster Spielfilm, "Wilde Maus", in dem er die Hauptrolle spielt, wurde bei der Berlinale gezeigt. Josef Hader lebt in Wien.

Das Interview ist ursprünglich in der Printausgabe von News (14/2020) erschienen!