Soldaten im Drogenrausch

Seit es Kriege gibt, nehmen Soldaten Drogen

Egal ob Wikinger, Nazis oder IS-Terroristen, sie alle haben eines gemein: Sie zogen in den Kampf. Und waren auf Drogen.

von Bittere Pillen - Soldaten im Drogenrausch © Bild: shutterstock

Seitdem es Kriege gibt, überwinden Soldaten ihre physischen und psychischen Grenzen mithilfe von Drogen. Bei den Wikingern waren es halluzinogene Pilze, bei den Inka-Kriegern Kokablätter. Bevor die alten Römer und Griechen in den Kampf zogen, betranken sie sich hemmungslos. In den Türkenkriegen des 17. Jahrhunderts tranken die Krieger zwar nur Kaffee, dieser war dafür mit Opium versetzt. Im ersten Weltkrieg dopten sich Kampfpiloten mit Kokain, im zweiten pumpten sie sich mit dem Amphetamin Pervitin voll. Und im Vietnam-Krieg diente Speed als Einsatzdroge. Ihr Blutrausch war oft auch ein Drogenrausch.

»Soldaten müssen enormen psychischen Stress aushalten und auf dem Schlachtfeld um Leben und Tod kämpfen. Kein Wunder, dass die Männer auf Drogen zurückgreifen. «

Birgit Bolognese-Leuchtenmüller, Professorin am Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Uni Wien forscht zum Thema Drogengeschichte. Sie sieht in Militär und Krieg, die ersten Bereiche, in denen leistungssteigernde Drogen eingesetzt wurden: „Soldaten leben in einer rigiden Befehlshierarchie, jeder einzelne muss sich bedingungslos anpassen. Sie müssen Gewaltmärsche bewältigen, enormen psychischen Stress aushalten und auf dem Schlachtfeld um Leben und Tod kämpfen. Kein Wunder, dass die Männer auf Drogen und Aufputschmittel zurückgreifen, um den Anforderungen zu genügen und die eigene Angst zu besiegen.“

Vom Mensch zum Monster

Im Krieg wurden Drogen also schon immer eingesetzt. Um zu beschleunigen. Um Mut zu machen. Und um Schmerzen zu vergessen. Die eigenen, wie auch die der anderen. Drogen versetzen den Körper in einen anderen Bewusstseinszustand und können Soldaten so ihrer Menschlichkeit berauben. Sie zu einer gefühlslosen Kampfmaschine mit „übermenschlichen“ Kräften werden lassen.

»Wenn du dich geweigert hast Drogen zu nehmen, dann hieß das „technische Sabotage“ und dafür wirst du getötet«

Besonders tragisch ist es, wenn es sich dabei um Kinder handelt, die zum Konsum gezwungen werden. Ein damals 14-jähriger Kindersoldat aus Sierra Leone sagte gegenüber der Menschenrechtsorganisation Amnesty International: „Wenn ich in den Kampf zog, habe ich vorher viel geraucht. Dann hatte ich vor nichts mehr Angst. Wenn du dich geweigert hast Drogen zu nehmen, dann hieß das „technische Sabotage“ und dafür wirst du getötet.“

© Komischn / wikimedia

Wehrmacht auf Speed, Hitler auf Kokain

Das dieses Jahr erschienene Buch „Der totale Rausch. Drogen im Dritten Reich“ gibt Einblicke in den Zweiten Weltkrieg, die man noch nicht aus den Geschichtsbüchern kennt. Der Autor, Norman Ohler, entdecke Dokumente über den Einsatz der Metamphetamin-Droge „Pervitin“ bei den Blitzkriegen gegen Polen und Frankreich. Heutzutage besser bekannt unter dem Namen „Crystal Meth“.

1939 wurden unter den Soldaten Millionen Pervitin-Tabletten verteilt. Das Crystal-Meth-Präparat sollte Müdigkeit, Stress sowie Angst bekämpfen und Euphorie auslösen. Ein Soldaten-Turbo sozusagen. Nach der erfolgreichen Eroberung Polens bestellte die Wehrmacht gleich weitere 35 Millionen Tabletten für den Frankreich-Feldzug.

»Der zweite Weltkrieg wurde massiv auf Drogen ausgefochten«

Lukasz Kamienski, Autor von „Shooting Up: Eine Geschichte von Drogen in der Kriegsführung“ kommt in seinem Werk zu dem Schluss, dass der zweite Weltkrieg massiv auf Drogen ausgefochten wurde. Die Folgen: Viele Soldaten wurden süchtig. Und depressiv. Erlitten Psychosen oder starben an Herzversagen. Zehn Stunden hält die Wirkung von Pervitin an, lässt diese nach, brauchten Soldaten außerdem die dreifache Menge an Schlaf. Görings Lösung war: Noch mehr Pervitin. Auch Hitler nahm gegen Ende des Krieges harte Drogen. In wenigen Monaten erhielt er laut Ohler über 50 Mal Kokain in hoher Dosis.

© Hurst Publishers

Captagon: Die Droge der IS-Kämpfer

Eine Droge, die heutzutage eine bedeutende Rolle spielt ist Captagon. Laut „Washington Post“ sei es die Droge, die den Syrienkrieg anheizt und Kämpfer in übermenschliche Soldaten verwandelt. Das Amphetamin-Derivat ist für seine euphorisierende Wirkung bekannt. Es putscht nicht nur auf, sondern lässt auch Müdigkeit, Hunger, Schmerzen und Angst kaum noch spüren. Ein Konsument beschreibt Captagon folgendermaßen: „Ich dachte mir gehört die Welt. Dass ich so stark bin wie sonst niemand.“ Ein anderer meint: „Du hörst auf irgendetwas zu fühlen. Es macht dich empfindungslos.“ Psychosen, Herz-Kreislauf-Probleme und Gehirnschäden zählen auch hier zu den fatalen Nebenwirkungen. Captagon-Abhängige werden oft als lebende Skelette beschrieben.

»Du hörst auf irgendetwas zu fühlen. Es macht dich empfindungslos«

Das scheint jedoch nicht abschreckend genug zu sein. 2014 beschlagnahmte die Drogenfahndung im Libanon 50 Millionen Pillen. Denn das Problem bei Captagon: Das Präparat ist zwar illegal, nicht aber seine einzelnen Bestandteile. Um die Pillen zu produzieren braucht es nicht viel. Die Zutaten sind einfach zu bekommen und eine Dragee-Maschine ist für die Herstellung völlig ausreichend. Seit Syrien durch den Bürgerkrieg weitgehend zur rechtsfreien Zone geworden ist, blühte die Herstellung der bitteren Pillen regelrecht auf. Ein Großteil wird nach Saudi-Arabien exportiert. Obwohl Drogenkonsum dort hart bestraft wird, wurden allein 2014 insgesamt 100 Millionen Captagon-Tabletten konfisziert. 55 Menschen wurden in der ersten Jahreshälfte von 2015 wegen Rauschgiftdelikten enthauptet. Vor kurzem hat der französische Zoll am Pariser Flughafen 750.000 Pillen Captagon entdeckt.

Captagon: Grenzüberschreitend in doppelter Hinsicht

Viele der Pillen wandern jedoch auch an den Islamischen Staat. Laut „Vice“ konsumieren es sowohl Assads Truppen als auch die Rebellengruppen vor Kampfeinsätzen, um die Anstrengungen des Krieges zu überstehen und keine Hemmungen vor dem Töten zu haben. Doch Captagon geht weit über die Grenzen des eigenen Landes hinaus. Nach den ersten Anschlägen in Paris 2015, fanden Spezialeinheiten laut der israelischen Zeitung „Ha’aretz“ im Zimmer der Attentäter Captagon. Auch im Blut des Terroristen, der 2015 in Tunesien 38 Menschen tötete, konnten Spuren der Droge nachgewiesen werden. Augenzeugen wollen gesehen haben, wie der Attentäter lächelte, während er seine Opfer zum Teil mit gezielten Kopfschüssen niederstreckte.