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BMW in Ungarn: Die Neue Klasse wird im neuen Werk in Debrecen gebaut

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v.l.n.r: Hans Peter Kremser ( Präsident und CEO von BMW Debrecen )& Dr. Milan Nedeljković ( Mitglied des Vorstands der BMW AG )

©BMW

Effiziente Produktion, modulare Fertigung und digitale Prozesse sollen die Elektromodelle wettbewerbsfähig machen – doch politische Unsicherheiten in Ungarn bleiben Teil der Debatte.

BMW baut in Debrecen nicht nur eine Fabrik – es ist ein Zukunftslabor, das effizienter, grüner und technikversierter ist als viele Werke zuvor. Doch der Standort ist auch ein politischer Balanceakt: Wie tief kann ein globaler Konzern in einem Land wie Ungarn verwurzelt sein, in dem demokratische Institutionen und Opposition unter Druck stehen?

Lean: Effizienz mit Anspruch

Der Lean-Ansatz bei BMW Debrecen heißt: Verschwendung vermeiden, Prozesse verschlanken, Nachhaltigkeit leben. Nicht als Lippenbekenntnis, sondern als Unternehmensstrategie. Das Werk verzichtet komplett auf fossile Brennstoffe, nutzt Photovoltaik, und setzt auf naturnahe Flächenpflege mit Schafen um Solarpanels – ein Bild, das zeigen soll: Hightech und Natur schließen sich nicht aus.

Ein zentrales Argument für Debrecen ist wirtschaftlicher: Laut BMWs Produktionsvorstand Milan Nedeljkovic soll die Produktion hier um ein Fünftel günstiger sein als bei vergleichbaren Verbrennern. Auch die Batterie dieser „Neuen Klasse“ Modelle wird um bis zu 50 Prozent günstiger sein als bei den bisherigen Modellen.

Flexibilität und digitale Transformation

Das Werk in Debrecen ist darauf ausgelegt, unterschiedlichsten Anforderungen gerecht zu werden. Produktionslinien werden modular, Komponenten abschnittsweise gefertigt, um auch bei Lieferengpässen schnell umzuschwenken. Corona lieferte die Lehre: Wer starr agiert, verliert Tempo.

Digital ist bei BMW Debrecen allgegenwärtig. Die Digitalisierung reicht von KI-gestützter Qualitätskontrolle über optimierte Logistik bis hin zur Super-App, mit der Mitarbeiter*innen alles steuern: Zugang, Dienstpläne, interne Kommunikation. Letztlich soll der Kunde sogar sechs Tage vor Fertigstellung noch Ausstattung, Farbe oder Extras ändern können – ein Versprechen, das Flexibilität bis zur letzten Minute verspricht.

(c) BMW AG

Debrecen: Mehr als ein Produktionsstandort

Debrecen war einmal ein Zentrum des Handels – im 19. Jahrhundert wurden von hier aus Tiere, Waren und Ideen in alle Richtungen verschoben. Jetzt wird die Stadt Wahlheimat für einen der größten Industrieinvestoren Europas. BMW investiert über 2 Milliarden Euro allein in Batterie- und Fahrzeugproduktion bis Ende 2025.

Mit Arbeitsplätzen, Infrastruktur und politischem Gewicht wird Debrecen zum Motor für ganz Ostungarn. Auch chinesische Unternehmen haben sich angesiedelt, darunter der Batteriehersteller CATL mit einer der größten Zellfabriken Europas.

BMW Werk Debrecen

Politische Risiken: Illiberale Demokratie und BMWs Rechtfertigung

Die tiefen Wurzeln, die BMW in Ungarn schlägt, werfen Fragen auf: Wie fühlt es sich für Unternehmensverantwortliche an, in Viktor Orbáns „illiberaler Demokratie“ zu investieren?

„Politische Strukturen kommen und gehen“, sagt Nedeljkovic. Seine Antwort: Ungarn sei Mitglied der EU – und damit gelte auch EU-Recht. Auf Sorgen in der Bevölkerung – etwa wegen Wasserknappheit oder Umweltbelastungen durch die Batterieproduktion – reagiert er: Die Ängste hätten sich gelegt.

Vision, Chance – und Vorsicht

BMWs Werk in Debrecen ist ein ambitioniertes Projekt: Lean in der Struktur, flexibel im Betrieb, digital im Betriebsmittel – und preislich strategisch optimiert. Dennoch bleibt die Frage, wie das Zusammenspiel von Industrie, Staat und Gesellschaft wirkt, wenn demokratische Institutionen in Ungarn zunehmend unter Druck geraten.

Debrecen könnte ein Musterprojekt sein – oder ein Prüfstein für die Grenzen wirtschaftlicher Vernunft in einem politischen Umfeld voller Widersprüche.

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