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Mehr als 100.000 bäuerlichen Produzenten und Verarbeitern stünden "einer Handvoll Handelsriesen gegenüber". "Viele Produzenten fürchten, ihren Regalplatz zu verlieren und sehen sich gezwungen, unfaire Bedingungen zu akzeptieren, weil ihnen Alternativen fehlen", betonte Totschnig in einer Aussendung. Der neue Bericht zeige ein nach wie vor starkes Ungleichgewicht in der Lebensmittelkette.
Als Beispiel für unfaire Praktiken wurde unter anderem die Situation von "traditionellen und familiengeführten Fleischerbetrieben" angeführt, denen in manchen Fällen trotz steigender Personal- und Energiekosten eine Preisanpassung für ihre Produkte verweigert werde. So habe in einem dokumentierten Fall eine Handelskette den Konsumentenpreis eines Produkts um 30 Prozent erhöht, während der Produzent gleichzeitig 2 Prozent weniger erhalten habe.
Die noch unter der ehemaligen Agrarministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) installierte Ombudsstelle hatte im März 2022 ihre Arbeit aufgenommen. Landwirte können sich kostenfrei und anonym an die weisungsfreie Stelle wenden, um sich besser gegen die Marktmacht der Handelskonzerne zu behaupten. In Österreich wird der Lebensmittelmarkt zu nahezu 90 Prozent von großen Ketten wie Spar, Hofer und Rewe dominiert. Durchsetzungsbehörde für Beschwerden ist die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB).
BWB-Chefin Natalie Harsdorf: "Unlautere Handelspraktiken benachteiligen Lieferanten in ungerechtfertigter Weise gegenüber ihren Abnehmern. Die BWB hat bereits im Rahmen der Branchenuntersuchung Lebensmittel angekündigt, diese unlauteren Handelspraktiken prioritär zu verfolgen." In vier Beschwerdefällen von Lieferanten und Interessensverbänden zu einseitigen Änderungen von Liefervereinbarungen werde aufgrund eines Anfangsverdachts noch ermittelt.
Der Handelsverband rechnete seinerseits mit Verweis auf die Anzahl der Fälle vor, dass es bei mehr als 100.000 Betrieben und insgesamt 239 eingebrachten Beschwerden um nicht einmal 2,4 Promille handle. "Jeder große Lebensmittelhändler führt jährlich zehntausende Lieferantengespräche mit mehreren tausend Lieferanten und hat dabei natürlich immer den Anspruch, die rechtlichen Vorgaben einzuhalten. Daher muss man die Zahl der Beschwerden in diesem Verhältnis sehen", argumentierte Geschäftsführer Reiner Will. Harte Verhandlungen würden beiderseits geführt, um den besten Preis und heimische Qualität für die Konsumenten zu bieten. Der Lebensmittelhandel habe sich jedenfalls "kein Körberlgeld verdient".