Eine neue Studie zeigt: Stadtbäume wie Platanen leisten selbst bei Temperaturen über 39 Grad Celsius erstaunlich viel für das Stadtklima. Alte Annahmen zur Kühlgrenze von Bäumen geraten ins Wanken – mit weitreichenden Folgen für die Stadtplanung.
Die Sonne brennt, der Asphalt flimmert, das Thermometer klettert über die 39-Grad-Marke – und dennoch bleibt es unter einer Platane spürbar kühler. Was viele Stadtbewohner im Sommer intuitiv erleben, bestätigt nun eine neue Studie der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) gemeinsam mit der ETH Lausanne (EPFL): Bäume wie die Platane kühlen ihre Umgebung selbst unter extremen Hitzebedingungen zuverlässig ab.
Alte Modelle, neue Erkenntnisse
Bislang galt: Bei Temperaturen jenseits der 35 Grad schließen viele Bäume ihre Blattporen, um Wasserverlust zu vermeiden – die kühlende Verdunstung stoppt, die Blätter überhitzen, die Fotosynthese kommt zum Erliegen. So die Theorie.
Doch die aktuellen Messungen im Sommer 2023 im Lausanner Stadtteil Lancy erzählen eine andere Geschichte. Dort analysierte das Forschungsteam das Verhalten von acht Platanen während einer Hitzewelle. Das Ergebnis: Statt in den Hitzemodus zu schalten und Wasser zu sparen, erhöhten die Bäume ihre Verdunstungsrate. Der Wasserfluss in den Stämmen nahm mit steigenden Temperaturen sogar zu. Die Platanen schwitzten regelrecht gegen die Hitze an – und kühlten damit ihre Umgebung effektiv ab.
Tiefer greifen – im wahrsten Sinne des Wortes
Die Forschenden vermuten, dass unter anderem tiefreichende Wasserreserven im Boden den Bäumen bei dieser Strategie halfen. Platanen gehören zu den Baumarten mit besonders tiefem Wurzelwerk – ein Vorteil in urbanen Hitzeinseln, wo die oberen Bodenschichten oft ausgetrocknet sind. Die neuen Erkenntnisse werfen ein neues Licht auf die Kühlleistung von Stadtbäumen: Bestehende Modelle unterschätzen sie womöglich deutlich.
„Offensichtlich haben wir noch nicht vollständig verstanden, wie Bäume auf extreme Bedingungen reagieren“, sagt Studienleiter Christoph Bachofen. Der Bericht erschien in der Fachzeitschrift Urban Forestry & Urban Greening.


Straßenbäume als Luftverbesserer Straßen- und Stadtbäume wie Platanen während der Zeit hoher Tagestemperaturen als Frischluftlieferanten
© IMAGO / Gottfried CzepluchStadtgrün als Klimaanlage
Stadtbäume gelten schon länger als natürliche Klimaanlagen. Durch Verdunstung kühlen sie nicht nur direkt ihre Umgebung, sondern spenden auch Schatten, binden Feinstaub, verbessern die Luftqualität und fördern die Biodiversität. Für die Städte, die weltweit mit steigenden Temperaturen und zunehmenden Hitzewellen kämpfen, sind sie ein wichtiger Bestandteil der Anpassungsstrategie an den Klimawandel.
Doch welche Bäume sind besonders hitzeresistent und leistungsfähig? Die Antwort darauf ist noch offen. Die Studie legt nahe, dass Platanen gute Kandidaten sind – aber sie sind nicht überall die ideale Wahl. In Deutschland etwa gelten sie mancherorts als anfällig für Krankheiten wie die Massaria-Krankheit, zudem können ihre Früchte allergische Reaktionen auslösen.
Stadtplanung der Zukunft: Hitze ist planbar
Die aktuellen Erkenntnisse unterstreichen die Bedeutung einer klugen, wissenschaftlich fundierten Stadtbegrünung. Es reicht nicht, Bäume zu pflanzen – entscheidend ist, welche Arten gewählt werden, wie gut der Boden durchlässig und tiefgründig ist, und wie die Wasserversorgung langfristig gesichert werden kann. Dabei rückt auch die sogenannte „blaue Infrastruktur“ – also Wasserläufe, Regenwasserspeicher und Schwammstadt-Konzepte – in den Fokus.
In vielen deutschen Städten laufen bereits entsprechende Programme: Berlin will bis 2030 zehntausende neue Straßenbäume pflanzen, München investiert in grüne Dächer und wasserdurchlässige Flächen. Die neuen Erkenntnisse könnten diese Bemühungen neu ausrichten.
Grüne Hoffnung im Klimawandel
Die Platanen-Studie ist eine ermutigende Nachricht in einer Zeit, in der die Folgen der Klimakrise immer deutlicher spürbar werden – besonders in Städten. Sie zeigt: Mit dem richtigen Wissen und der passenden Infrastruktur können wir die natürlichen Fähigkeiten von Bäumen gezielt nutzen. Und vielleicht ist der Spaziergang unter der Platane künftig nicht nur angenehm – sondern auch ein Stück Zukunftsvorsorge.