Von Verträgen bis Steuerfragen: So bereiten sich Unternehmer:innen in Kärnten auf eine erfolgreiche Übergabe vor – mit Expertentipps. Am „Round Table“ von Kärnten Regional geben renommierte Expert:innen aus unterschiedlichen wirtschaftlichen Perspektiven Einblick in dieses komplexe und zukunftsentscheidende Thema der heimischen Wirtschaft.
Rechtliche, steuerliche, wirtschaftliche und nicht zuletzt zwischenmenschliche Aspekte spielen bei der erfolgreichen Umsetzung einer Betriebsnachfolge entscheidende Rollen: Denn es geht nicht nur um den reibungslosen Übergang der Geschäftsführung eines Unternehmens, sondern vor allem um das Weiterführen von Innovationskraft, das Bewahren einer kollegialen und dabei zielgerichteten Unternehmenskultur sowie um die langfristige Sicherung von Arbeitsplätzen und regionaler Wertschöpfung. Um dieses vielschichtige Thema neu zu beleuchten, diskutieren am „Runden Tisch“ von Kärnten Regional vier echte Experten:innen:
die Steuerberaterin Kristin Grasser, LL.M. MBA BA, die Präsidentin der Kammer der Steuerberater:innen und Wirtschaftsprüfer:innen Kärnten ist,
der öffentliche Notar und Präsident der Notariatskammer Kärnten, Mag. Werner Stein,
der neue Präsident der Rechtsanwaltskammer für Kärnten, Rechtsanwalt Hon.-Prof. Dr. Bernhard Fink,
sowie der Präsident der Wirtschaftskammer Kärnten, Jürgen Mandl, MBA.
Welche Branchen in Kärnten stehen ganz besonders vor der Herausforderung eine geeignete Betriebsnachfolge zu finden?
MANDL: Die Nachfolgeproblematik betrifft nicht nur kleine Betriebe, sondern auch weltweit tätige Großunternehmen. Besonders herausgefordert sind Familienunternehmen, die in Österreich rund 50 % der Unternehmen ausmachen: Viele stehen in den kommenden Jahren vor einer Übergabe. Eine gut begleitete Nachfolge ist vor allem dann wichtig, wenn eine Übernahme innerhalb der Familie nicht möglich ist. In diesen Fällen muss die Nachfolge durch externe Lösungen unterstützt werden. In Zeiten des demografischen Wandels, in denen auch der Anteil der Unternehmer:innen im pensionsfähigen Alter steigt, ist es entscheidend, den Fortbestand wirtschaftlich erfolgreicher Betriebe zu sichern. Natürlich sind auch die Behörden gefordert, Übernehmer*innen keine zusätzlichen Steine in Form langwieriger Behördenverfahren, neuerlicher Betriebsstättengenehmigungen und anderer Schikanen in den Weg zu legen.
GRASSER: Besonders betroffen sind Branchen mit hohem Fachkräftebedarf wie der Tourismus, das Baugewerbe und der Handel. In diesen Sektoren gibt es oft keine familieninternen Nachfolger:innen, was die professionell begleitete Suche nach externen Übernehmer*innen so besonders wichtig macht.
Welche Rolle spielt die wirtschaftliche, steuerliche und rechtliche Beratung durch die einzelnen Kammern beim Thema Betriebsnachfolge?
MANDL: Die Wirtschaftskammer hat bei der Unternehmensnachfolge eine entscheidende Rolle, weil wir sowohl Übergeber:innen als auch Nachfolger:innen ein umfassendes Service- und Beratungsangebot zur Verfügung stellen. Als Wirtschaftskammer Kärnten haben wir im Jahr 2024 mehr als 600 Beratungen zur Betriebsnachfolge durchgeführt: Dabei bieten wir hausinterne Beratung zu rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Fragen. Gemeinsam mit dem Land Kärnten wurde eine Beratungsförderung ins Leben gerufen, an der auch die Kammer der Steuerberater:innen und Wirtschaftsprüfer:innen Kärnten und die Rechtsanwaltskammer für Kärnten mitwirken. Im Rahmen dieser Förderaktion können bis zu 50 Prozent der Beratungskosten, maximal 1500 Euro, jedoch maximal 500 Euro pro Kammer rückerstattet werden.
FINK: Die wirtschaftliche und rechtliche Beratung spielt bei der Betriebsnachfolge eine entscheidende Rolle, da sie sicherstellt, dass der Übergabeprozess rechtssicher optimiert und wirtschaftlich sinnvoll gestaltet wird. Rechtsanwälte erstellen und prüfen Kaufverträge, Schenkungsverträge oder Gesellschaftsverträge, um den rechtssicheren Übergang eines Unternehmens zu gewährleisten. Sie klären Fragen zur erbrechtlichen Gestaltung, insbesondere bei Familienunternehmen, und unterstützen bei der Erstellung von Testamenten oder Erbverträgen. Aufgrund ihrer großen Prozesserfahrung können Anwälte aber auch mögliche Haftungsrisiken für Übergeber und Nachfolger analysieren und zugleich minimieren.
STEIN: Die Kärntner Notarinnen und Notare sind wie die Steuerberater:innen und Rechtsanwält:innen bei vielen Unternehmen von Anfang an dabei: Seit der Gründung begleiten wir Betriebe in allen Lebens- und Wirtschaftslagen und sorgen für das rechtliche Know-how.
Gibt es Veränderungen bei der Art der Übergaben? Welche Trends zeichnen sich zurzeit bei den heimischen Betriebsnachfolgen ab?
STEIN: Hier ist alles breit gefächert. Es gibt einerseits Übergaben an Mitarbeiter:innen, die schon längere Zeit im Unternehmen tätig sind, oder an entferntere Verwandte wie Neffen und Nichten, aber auch Verkäufe an Dritte, speziell etwa an Mitbewerber.
MANDL: Die externe Unternehmensnachfolge wird in den kommenden Jahren zunehmend an Bedeutung gewinnen und häufiger erfolgen als die Übergabe innerhalb der Familie. Wird keine Nachfolgelösung gefunden, geht wertvolles Wissen verloren und die Infrastruktur leidet, vor allem in ländlichen Regionen: Arbeitsplätze und Lehrstellen fallen weg, was sich negativ auf den gesamten Standort und die Wertschöpfung des Landes auswirkt. Es ist daher wichtig, die Betriebsnachfolge ebenso attraktiv zu gestalten wie die Gründung neuer Unternehmen, um den Pool potenzieller Nachfolgerinnen und Nachfolger zu vergrößern. Hier sind das Land und die Politik gefordert, geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen und die Nachfolge durch gezielte Fördermaßnahmen zu unterstützen. Die Wirtschaftskammer und die Junge Wirtschaft haben hierzu eine Nachfolgestrategie und neue Formate entwickelt, um das Bewusstsein zu schärfen: So findet etwa am 6. Mai im Casineum Velden die Veranstaltung „Topf sucht Deckel“ zum Thema Betriebsnachfolge statt. Dabei handelt es sich um ein wirtschaftliches Speeddating für Betriebe und mögliche Nachfolger. Angehende Unternehmer*innen haben die Möglichkeit, Betriebe zu treffen, die nach einer Nachfolge suchen.
Wie unterscheiden sich die Anforderungen bei der Übergabe eines Einzelunternehmens, einer Personengesellschaft oder einer Kapitalgesellschaft?
GRASSER: Es kommt ganz darauf an, wer Übergeber ist und wer übernimmt. Sind es Familienangehörige oder Mitarbeiter:innen, Lieferanten oder fremde Dritte. In der Familie sind Schenkungen häufig, bei Mitarbeitern kann es eine Mischform sein, und fremde Dritte kaufen für gewöhnlich. Ob es nun sinnvoller ist, in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft zu übergeben oder als Personengesellschaft oder Einzelunternehmen, hängt von sehr vielen Faktoren auf beiden Seiten ab. Man kann beispielsweise ein Einzelunternehmen in eine neu gegründete FlexKap (Flexible Kapitalgesellschaft einbringen) und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beteiligen und die Anteile dem übernehmenden Kind schenken. Man kann aber auch ganz einfach das Einzelunternehmen als Asset Deal veräußern.
STEIN: In der Regel geht es meistens um die Absicherung des Übergebers, der bei einem Einzelunternehmen persönlich haftet. Hier muss man entsprechende Freistellungen durch die Bank und Haftungsübernahmen durch den Übernehmer sichern.
FINK: Ein Einzelunternehmen gehört vollständig einer Person, wodurch die Übergabe vergleichsweise unkompliziert, aber auch risikobehaftet sein kann. Kapitalgesellschaften bieten durch die juristische Eigenständigkeit Vorteile, haben jedoch komplexere formale Anforderungen. Bei Personengesellschaften erfordern Gesellschafterverträge und Haftungsfragen besondere Aufmerksamkeit. Die Anforderungen an die Übergabe unterscheiden sich je nach Rechtsform des Unternehmens erheblich. Diese Unterschiede ergeben sich aus den rechtlichen, steuerlichen und organisatorischen Besonderheiten jeder Unternehmensform.
Welche zentralen Punkte sollte ein Übergabevertrag enthalten, um spätere Konflikte zu vermeiden?STEIN: Wichtig ist natürlich, dass jeder der beiden Vertragsteile – also Übergeber und Übernehmer – seine jeweiligen ihm wichtigen Punkte abgesichert hat: Das bedeutet, dass man auf Augenhöhe verhandelt und die wesentlichen Punkte immer verschriftlicht. Aber nicht nur das: Auch die rechtliche Absicherung der Vereinbarung muss geregelt sein, damit nachher kein Streit entstehen kann und Rechtssicherheit und Rechtsfrieden gewahrt sind. Also wichtig ist etwa, Zahlungsmodalitäten (wann und wie) festzulegen, wenn ein Verzug eintritt, und wie dann vorzugehen ist, sowie Unternehmensverbindlichkeiten zum Stichtag festzulegen und allfällige Sicherheiten, die im Eigentum des Übergebers sind, freizustellen. Oft wohnen Übergebende auch im Betriebsgebäude. Dann braucht es im Vertrag Regelungen, um die Wohnversorgung weiterhin zu gewährleisten.
FINK: Ein gut gestalteter Übergabevertrag ist jedenfalls entscheidend, um spätere Konflikte bei der Betriebsnachfolge zu vermeiden. Eine detaillierte Auflistung, was übergeben wird (Maschinen, Immobilien, Markenrechte, Kundenstamm) und eine klare Regelung, welche Verbindlichkeiten der Übernehmer übernimmt, sind vielfach notwendig. Zu klären sind auch Personalfragen, die allfällige Aufnahme von Wettbewerbs- und Vertraulichkeitsklauseln und Regelungen betreffend die Streitbeilegung.
Welche Checkliste sollte jeder Übergeber vor der Übergabe abarbeiten, um sicherzustellen, dass alle relevanten Bereiche abgedeckt sind?
GRASSER: Jede Übergabe ist ein sehr individueller Prozess, da auch die privaten Umstände von Übergeber:innen und Übernehmer*innen zu berücksichtigen sind. Daher ist eine rechtzeitige Planung mit Steuerberater:innen und Rechtsberater:innen aus den Bereichen Anwaltei und Notariat unerlässlich.
FINK: Eine gut strukturierte Checkliste hilft sicherzustellen, dass alle Aspekte der Unternehmensnachfolge abgedeckt sind und der Übergabeprozess reibungslos verläuft. Am wichtigsten ist die Klärung, was mit der Übergabe erreicht werden soll, etwa Fortbestand des Unternehmens, finanzielle Absicherung, Übergabe innerhalb der Familie. Eine Checkliste ist individuell zu erstellen und muss alle wesentlichen Bereiche der Unternehmensnachfolge abdecken – von der Vorbereitung bis hin zur rechtlichen, steuerlichen und operativen Umsetzung.
Welche Maßnahmen sollten Übergeber*innen ergreifen, um Haftungsrisiken nach der Übergabe zu minimieren? Was sind die häufigsten rechtlichen Probleme, etwa bei Haftungsfragen, Arbeitsverträgen oder Gewerbeberechtigungen?
STEIN: Wichtig ist, von einem Fachmann eine Überprüfung der Haftungsrisken bzw. der allgemeinen rechtlichen Zusammenhänge einzuholen: „Due Diligence“ heißt dies im Fachjargon: Der Gang zu einem Profi ist unausweichlich, denn die Materie ist sehr komplex und da braucht es das Wissen und die Expertise eines Steuerberaters, Notars und Anwalts.
FINK: Übergeber sollten Haftungsrisiken durch umfassende Vertragsgestaltung, rechtzeitige Prüfung aller Unternehmensbereiche und Absicherung der eigenen Position minimieren.
Wie kann man sichergehen, dass alle wesentlichen Verträge – von Miet- und Arbeitsverträgen bis zu Lieferverträgen – rechtlich korrekt vom Übergeber auf den Nachfolger übertragen werden?
FINK: Eine strukturierte Vorgehensweise ist erforderlich. Eine sorgfältige Prüfung aller Verträge, die Zustimmung der Vertragspartner sowie die Zusammenarbeit mit erfahrenen Beratern minimieren rechtliche Risiken und sorgen für einen reibungslosen Übergang. Eine Einbeziehung erbrechtlicher Gesichtspunkte ist ebenfalls essenziell.
Welche steuerlichen Risiken können durch eine unzureichende Vorbereitung entstehen? Was sind typische Fehler aus steuerlicher Sicht?
GRASSER: Neben der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer (je nach Rechtsform) sind auch die Umsatzsteuer und mögliche Vorsteuerkorrekturen sowie die Grunderwerbsteuer genau zu beleuchten und bei guter Planung können einzelne Steuern gänzlich vermieden oder zumindest drastisch reduziert werden. Gute Vorbereitung, Planung und Durchführung mit seinem Steuerberater, aber auch Hand in Hand mit den Rechtsberater*innen ist unerlässlich. Dazu kommt: Gute buchhalterische Dokumentation vermeidet spätere Diskussionen in einer nachträglichen Betriebsprüfung.
Welche steuerlichen Vorteile können Übergeber nutzen, um die Steuerbelastung bei einer Übergabe zu minimieren?
GRASSER: In der Einkommensteuer gibt es beispielsweise bei Erreichung des 60. Lebensjahres die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Hälftesteuersatzes oder der Dreijahresverteilung anlässlich einer Betriebsaufgabe oder Veräußerung. Die Grunderwerbsteuer sieht bei Betriebsübergaben und auch bei Übergaben an Familienmitglieder Erleichterungen vor. Daher ist die Rechtsformplanung ein wesentlicher Teil bei Planung einer Übergabe.