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Aus ukrainischen Delegationskreisen hieß es, alles hänge davon ab, "ob Russland aufhört, Ultimaten zu stellen, und eine konstruktive Haltung einnimmt". Davon werde abhängen, ob bei dem Treffen Ergebnisse erzielt werden können. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte die Erwartungen an die neue Verhandlungsrunde gedämpft.
Selenskyjs Angaben nach wird es auch diesmal nicht um einen Waffenstillstand und eine Beendigung des seit mehr als drei Jahren andauernden Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine gehen. Vorrangig für Kiew sei die Ausweitung des Gefangenenaustausches und die Rückholung von Kindern, die Russland aus den besetzten Gebieten verschleppt habe, sagte Selenskyj. Zudem will er, dass über ein Treffen mit Kreml-Chef Wladimir Putin gesprochen wird. Der Kreml hatte das nicht ausgeschlossen, fordert allerdings im Voraus eine Einigung auf einen Friedensplan.
Der Kreml erwartet nach eigener Darstellung von dem Treffen der Delegationen in Istanbul eine Annäherung der bisher gegensätzlichen Positionen Moskaus und Kiews zu den Bedingungen für eine Waffenruhe. Dazu sei aber "große diplomatische Arbeit" nötig, sagte Kremlsprecher Peskow. "Natürlich wird das ein sehr schwieriges Gespräch." Auf einen "Durchbruch aus der Reihe Wunder" rechne er nicht.
Die russische Delegation wird erneut von Präsidentenberater und Ex-Kulturminister Wladimir Medinski angeführt. Chefunterhändler auf ukrainischer Seite bleibt auch nach seinem Rücktritt als Verteidigungsminister Rustem Umjerow. Selenskyj hatte ihn zum Sekretär des nationalen Sicherheitsrats ernannt und mit der Aufstellung der neuen Delegation beauftragt. Türkischen Angaben zufolge sollen zudem der Chef des türkischen Geheimdienstes MIT, Ibrahim Kalin, sowie der Generalstabschef Metin Gürak an den Gesprächen teilnehmen.
Es ist bereits die dritte Runde direkter Gespräche zwischen den Kriegsparteien seit Mai. Zuvor hatte es seit 2022 keine Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew gegeben. Bei den bisherigen Treffen im Mai und Juni haben die Unterhändler einen großen Austausch von Kriegsgefangenen vereinbart. Freigekommen sind dabei zuletzt junge Soldaten im Alter unter 25 Jahren und schwer verwundete Kämpfer.
Daneben einigten sich Moskau und Kiew auf die Rücküberstellung Gefallener. Russland hat eigenen Angaben nach in dem Zusammenhang bisher 7.000 tote ukrainische Soldaten an Kiew übergeben - und selbst auch einige Leichen erhalten. Über die Zahl der ausgetauschten Gefangenen gibt es keine Angaben.
Für einen Frieden ist Russland bisher von seinen Maximalforderungen nicht abgerückt, dazu zählen der Verzicht der Ukraine auf den NATO-Beitritt und der vollständige Rückzug Kiewer Truppen aus den von Moskau annektierten Gebieten Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson. Bereits 2014 hatte Russland die ukrainische Halbinsel Krim völkerrechtswidrig annektiert. Das Land führt seit mehr als drei Jahren einen zerstörerischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Eine bedingungslose Waffenruhe, wie von US-Präsident Donald Trump bereits im März vorgeschlagen, hat Putin - im Gegensatz zu Selenskyj - abgelehnt. Er begründete dies mit Sorgen über eine Wiederaufrüstung und Neuaufstellung der ukrainischen Truppen. Stattdessen plant Russland, seinen Vormarsch fortzusetzen.
Die russische Führung beharrt darauf, dass die Positionspapiere über mögliche Wege zu einem Frieden, die sich die Kriegsparteien übergeben hatten, bei der dritten Verhandlungsrunde besprochen werden sollten. Die Vorstellungen auf beiden Seiten liegen weit auseinander.
Ungeachtet der Verhandlungen setzte Russland seine Angriffe auf die Ukraine in der Nacht fort. Eine 66-Jährige sei bei Beschuss der Stadt Cherson im Süden des Landes getötet worden, schrieb der Militärgouverneur des Gebiets, Olexander Prokudin, bei Telegram. In der Region wurden demnach zudem ein Bub und ein Mädchen im Alter von 13 Jahren verletzt, die Militärverwaltung schrieb außerdem von einem 48-jährigen Verletzten.
Nach Angaben der Luftwaffe griff Russland sein Nachbarland in der Nacht mit 71 Drohnen und Drohnenattrappen an. Davon seien 45 abgeschossen oder mit elektronischen Mitteln zu Boden gebracht worden. Die russischen Streitkräfte attackierten demnach die Regionen Dnipropetrowsk, Sumy, Charkiw und Tscherkassy. Die Ukraine verteidigt sich seit mehr als drei Jahren gegen die russische Invasion.