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Journalisten in Gaza durch israelischen Angriff getötet

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Bei einem israelischen Angriff in Gaza-Stadt sind am Sonntagabend insgesamt sechs palästinensische Journalisten getötet worden. Neben vier Journalisten des TV-Senders Al-Jazeera und einem freiberuflichen Kameramann sei auch ein freier Reporter unter den Toten, teilte die Organisation Reporter ohne Grenzen mit. Der Journalist Anas al-Sharif wurde zusammen mit seinen Kollegen bei einem "mutmaßlich gezielten israelischen Angriff" getötet, berichtete der katarische Sender.

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Al-Jazeera hatte ursprünglich mitgeteilt, dass fünf Mitarbeiter getötet worden seien, dann aber klargestellt, dass es sich um vier seiner Journalisten und einen freiberuflichen Kameramann handelte. Ein Angriff der israelischen Armee habe ein Zelt für Journalisten vor dem Haupttor des Al-Schifa-Krankenhauses in der Stadt Gaza getroffen.

"Vor kurzem hat die IDF in der Stadt Gaza den Terroristen Anas al-Sharif getroffen, der sich als Journalist für den Sender Al-Jazeera ausgab", erklärte die israelische Armee (IDF) am späten Sonntag im Onlinedienst Telegram. Al-Sharif sei "ein Anführer einer Terrorzelle der Terrororganisation Hamas und verantwortlich für Raketenangriffe auf israelische Zivilisten und IDF-Truppen" gewesen.

Der arabische Sender erklärte dazu, das israelische Militär habe keine von unabhängigen internationalen Stellen verifizierten Unterlagen vorgelegt, die diese Behauptung belegen würden. Die UNO-Sonderberichterstatterin Irene Khan hatte bereits im vergangenen Monat erklärt, dass die israelischen Behauptungen unbegründet seien.

Israels Armee verwies dagegen auf nachrichtendienstliche Informationen und im Gazastreifen gefundene Dokumente, die die militärische Zugehörigkeit von Anas al-Sharif zur Hamas belegen würden. Al-Sharif sei verantwortlich für die Durchführung von Raketenangriffen auf israelische Zivilisten und Soldaten gewesen. Zu den anderen vier Opfern des Angriffs äußerte sich das Militär nicht.

Al-Sharif war einer der bekanntesten Reporter des arabischsprachigen Senders im Gazastreifen. Er berichtete seit Ausbruch des Gaza-Kriegs am 7. Oktober 2023 über die Geschehnisse vor Ort. Besonders in der arabischen Welt galt der 28-Jährige als prominentes Gesicht der Berichterstattung aus Gaza. Der in Katar ansässige Sender verurteilte den Angriff als einen weiteren "vorsätzlich geplanten Angriff auf die Pressefreiheit." Al-Sharif und seine Kollegen seien eine der letzten öffentlichen Stimmen aus Gaza gewesen. Neben al-Sharif seien dabei auch der Al-Jazeera-Korrespondent Mohammed Qriqea und die Kameramänner Ebrahim Zaher, Moamen Aliwa sowie deren Assistent Muhammed Nofal getötet worden.

Zuvor am Sonntag hatte al-Sharif im Onlinedienst X von "intensiver, konzentrierter israelischer Bombardierung der Stadt Gaza" berichtet. Einer seiner letzten Beiträge enthielt ein kurzes Video, das israelische Angriffe auf die Stadt zeigte.

Große Menschenmengen säumten am Tag danach den letzten Weg der Getöteten zum Scheich-Radwan-Friedhof in der Stadt Gaza, berichtete Al-Jazeera unter Berufung auf verifizierte Clips in den sozialen Medien. Freunde, Kollegen und Verwandte umarmten und trösteten einander. Ein Mann reckte eine Schutzweste mit der Aufschrift "Press" in die Höhe, während andere ihre Tränen wegwischten.

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres verurteilte die Tötung der Journalisten. "Der Generalsekretär fordert eine unabhängige und unparteiische Untersuchung dieser jüngsten Tötungen", sagt Guterres' Sprecher Stephane Dujarric am Montag in New York. Seit Beginn des Krieges im Gazastreifen seien mindestens 242 Journalisten getötet worden. "Journalisten und Medienschaffende müssen respektiert und geschützt werden und ihre Arbeit frei, ohne Angst und ohne Schikanen ausüben können."

Die EU verurteilt die Tötung der Journalisten ebenfalls. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas teilte zudem mit, man nehme den israelischen Vorwurf zur Kenntnis, dass es sich bei der Gruppe um Hamas-Terroristen handelte. "Aber in solchen Fällen müssen im Sinne der Rechtsstaatlichkeit eindeutige Beweise vorgelegt werden", forderte die Estin. Kallas drang nach einer Videokonferenz der EU-Außenminister am Montagabend zudem auf mehr Unterstützung für die notleidenden Menschen im abgeriegelten Gazastreifen. Es kämen zwar mehr Hilfsgüter an, doch der Bedarf sei noch viel größer. "Wir fordern Israel dringend auf, mehr Lastwagen zuzulassen und eine bessere Verteilung der Hilfe zu ermöglichen."

Das Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) äußerte sich "entsetzt" über den Tod der fünf Journalisten. "Die Praxis Israels, Journalisten ohne glaubwürdige Beweise als Kämpfer zu bezeichnen, wirft ernsthafte Fragen" auf, erklärte CPJ-Regionalleiterin Sara Kudah in der Nacht auf Montag. "Journalisten sind Zivilisten und dürfen niemals zur Zielscheibe werden", fügte Kudah hinzu.

Die palästinensische Journalistengewerkschaft bezeichnete den israelischen Angriff auf al-Sharif und seine Kollegen als "blutiges Verbrechen" und Ermordung.

Der Auslandspresseverband in Israel (FPA) zeigte sich empört über die Tötung al-Sharifs und seiner Kollegen. "In den letzten 22 Monaten hat das israelische Militär palästinensische Journalisten wiederholt als Militante abgestempelt, oft ohne nachprüfbare Evidenz, und sie damit zu Angriffszielen gemacht", schrieb der Verband in einer Stellungnahme.

Die FPA kritisierte darüber hinaus, dass ausländischen Journalisten der Zutritt zum Gazastreifen seit Kriegsbeginn weitgehend verboten ist. Die Berichterstattung liegt deshalb allein in Händen lokaler Reporter und Reporterinnen, die damit ihr Leben riskieren. Israel wirft wiederum der Berichterstattung aus dem Gazastreifen Einseitigkeit und Manipulation durch die Hamas vor.

Al-Jazeera ist einer der führenden Nachrichtensender in der arabischen Welt und erreicht dort ein Millionenpublikum. Das Verhältnis zwischen Israel und dem katarischen Sender ist seit Jahren angespannt. In Israel besteht aktuell ein Sendeverbot gegen Al-Jazeera. Ermöglicht worden war dies durch ein im April beschlossenes Gesetz, welches das Verbot ausländischer Medien vorsieht, die als schädlich für die Sicherheit Israels angesehen werden.

Israel blockiert immer wieder die Arbeit von Journalisten des Senders und hat auch bereits deren Büro im Westjordanland geschlossen. Israel wirft Al-Jazeera unter anderem vor, "Sprachrohr" der Hamas und der proiranischen Hisbollah zu sein. Ein Vorwurf, den der Sender zurückweist.

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