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Man hoffe, dass die Hilfslieferungen noch heute oder spätestens am Mittwoch abgefertigt werden, sagte der Sprecher des UN-Nothilfebüros in Genf, Jens Laerke. Die Verteilung sollte heute beginnen. An Bord sei Babynahrung. "Dort gibt es Babys, die dies zum Überleben brauchen", sagte Laerke. "Wenn sie diese Nahrung nicht bekommen, sind sie in Lebensgefahr." Die rund 2,2 Millionen Einwohner des Gazastreifens sind zum Überleben fast ausschließlich auf Hilfe von außen angewiesen.
In der gemeinsamen Erklärung vom Montagabend hatten Frankreich, Großbritannien und Kanada Israel dazu aufgefordert umfangreiche Hilfe zuzulassen, ohne diese auch nur in irgendeiner Weise zu behindern. Wenn es seine ausgeweitete Gaza-Offensive nicht einstelle und Beschränkungen für Hilfslieferungen aufhebe, würden die drei Staaten "Maßnahmen" setzen.
Der israelische Ministerpräsident bezeichnete mögliche Maßnahmen Großbritanniens, Frankreichs und Kanadas gegen Israel in einer Stellungnahme als eine "riesige Belohnung für den Völkermordangriff auf Israel vom 7. Oktober" und eine "Einladung zu weiteren Gräueltaten dieser Art". Israel akzeptiere die Vision von Präsident Trump für den Gazastreifen und fordere alle europäischen Staats- und Regierungschefs auf, dasselbe zu tun. Der Krieg könne morgen beendet werden, wenn die verbleibenden Geiseln freigelassen würden, die Hamas ihre Waffen niederlege, "ihre mörderischen Führer" ins Exil gingen und der Gazastreifen entmilitarisiert werde. "Dies ist ein Krieg der Zivilisation gegen die Barbarei. Israel wird sich mit allen Mitteln verteidigen, bis der vollständige Sieg errungen ist", heißt es in der Stellungnahme.
Am Dienstag werde ein Telefonat zwischen Stocker und Netanyahu stattfinden, teilte das Bundeskanzleramt der APA mit. "Die palästinensische Zivilbevölkerung darf nicht den Preis für den Terror der Hamas bezahlen", betonte eine Sprecherin des Bundeskanzleramts im Vorfeld des Gesprächs. "Es muss wieder vollumfänglich humanitäre Hilfe nach internationalen Standards zu den Menschen in Gaza kommen." Dass Israel humanitäre Hilfe wieder zulasse, sei "längst überfällig". Am Montag waren nach wochenlanger Blockade fünf UNO-Lastwagen im Gazastreifen angekommen. Israel hatte die Blockade sämtlicher humanitärer Hilfslieferungen in das Palästinensergebiet Anfang März verhängt. Hilfsorganisationen warnten daraufhin vor einer Hungerkatastrophe.
Nach der Ankündigung Netanyahus vom Vortag, die vollständige Kontrolle über den Gazastreifen zu übernehmen, erklärte eine Sprecherin des Bundeskanzleramts: "Das Völkerrecht ist klar: Gaza muss palästinensisch bleiben, es darf keine Vertreibungen geben." Gleichzeitig bestehe kein Zweifel daran, "dass die Terrororganisation Hamas in Zukunft keine Macht mehr in Gaza haben darf". Österreich fordert "eine realistische, völkerrechtskonforme Lösung unter Mitwirkung der Palästinensischen Autonomiebehörde und der internationalen Gemeinschaft". Wichtig dabei sei die aktive Einbindung unserer regionalen Partner. "Wir müssen endlich zurück zu einem Waffenstillstand - es gibt schon viel zu viele zivile Opfer auf beiden Seiten."
Das Bundeskanzleramt verweist auf den Ursprung dieses Krieges: Der Terroranschlag der Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023. Israel habe daher das Recht zur Selbstverteidigung. Klar sei aber auch, dass diese im Rahmen des Völkerrechts erfolgen müsse - "das ist unser Anspruch an die einzige Demokratie im Nahen Osten". Die Situation in Gaza sei dramatisch. "Die Hamas könnte diese Tragödie jederzeit beenden, indem sie alle Geiseln freilässt. Österreich fordert die bedingungslose und sofortige Freilassung aller Geiseln." Nach israelischen Angaben befinden sich noch 58 Geiseln im Gazastreifen, die meisten von ihnen sind demnach mittlerweile tot.
"Dieses verantwortungslose, aggressive Verhalten untergräbt jegliche potenzielle Chance auf Frieden", sagte Katars Regierungschef Mohammed bin Abdulrahman al-Thani am Dienstag beim katarischen Wirtschaftsforum. Nach der Freilassung der US-israelischen Geisel Edan Alexander in der vergangenen Woche habe Hoffnung auf ein Ende des Krieges bestanden. "Aber die Antwort war eine noch brutalere Welle von Angriffen."
Die Waffenruhe-Verhandlungen in Doha in den vergangenen Wochen hätten bisher zu nichts geführt, "weil es eine wesentliche Kluft zwischen den beiden Parteien gibt", sagte al-Thani. Eine Seite wolle ein teilweises Abkommen schließen, das womöglich zu einem umfassenden Abkommen führen werde, "und die andere Seite will bloß eine einzige Vereinbarung (...) und diesen Krieg beenden und alle Geiseln freibekommen".
Ein Team israelischer Unterhändler ist seit einer Woche erneut in Katars Hauptstadt, um indirekt über ein weiteres Abkommen für eine Waffenruhe, die Freilassung der verbleibenden Geiseln im Gazastreifen und palästinensischer Gefangener in israelischen Gefängnissen zu sprechen. Der israelische TV-Sender Kan berichtete allerdings, Netanjahu erwäge, die israelische Delegation aus Doha noch am heutigen Dienstag abzuziehen, sollte es keine Fortschritte bei den Verhandlungen geben. Offizielle Angaben von Netanjahus Büro gab es dazu zunächst nicht.
Die israelische Regierung hatte vor wenigen Tagen eine neue umfassende Bodenoffensive im Gazastreifen angekündigt und gestartet. Zudem kündigte Netanyahu am Montag an, dass Israel die Kontrolle über den Gazastreifen übernehmen wolle. Damit solle verhindert werden, dass die Hamas Hilfsgüter plündere. Ziel ist es laut israelischer Regierung, die Terrororganisation zu besiegen und die Freilassung der von islamistischen Extremisten festgehaltenen Geiseln zu erreichen. Rechtsextreme Politiker aus Netanyahus Koalition streben aber auch eine Neubesiedlung des Gazastreifens an, aus dem Israel sich vor 20 Jahren zurückgezogen hat. Zuletzt gab es Medienberichte, wonach die Regierung von US-Präsident Donald Trump an einem Plan zur dauerhaften Umsiedlung von bis zu einer Million Palästinensern aus dem Gazastreifen nach Libyen arbeite.