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Dämpfer für polnische Regierung bei Präsidentenwahl

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Die polnische Präsidentenwahl am Sonntag hat einen massiven Rechtsruck gebracht. Der favorisierte pro-europäische Regierungskandidat Rafał Trzaskowski setzte sich mit 31,36 Prozent nur knapp gegen seinen rechtskonservativen Kontrahenten Karol Nawrocki mit 29,54 Prozent durch, während zwei rechtsextreme Kandidaten mehr als 20 Prozent der Stimmen erhielten und als Königsmacher gelten. Experten sehen in der Stichwahl am 1. Juni eine "sehr schwierige Aufgabe" für Trzaskowski.

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Weil kein Kandidat die erforderliche absolute Stimmenmehrheit erhielt, ist eine Stichwahl zwischen Trzaskowski und Nawrocki erforderlich. Beobachter geben dem Bewerber der oppositionellen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) bessere Chancen, die Wähler der beiden rechtsextremen Kandidaten - Slawomir Mentzen von der Konfederacja mit 14,81 Prozent sowie Grzegorz Braun mit 6,34 Prozent - anzusprechen. Eine für den Privatsender TVN erstellte Umfrage des Instituts Opinia24 sieht Trzaskowski bei 46 Prozent und Nawrocki bei 44 Prozent. Sechs Prozent machten keine Angaben, vier Prozent waren unentschlossen.

Die Politikwissenschafterin Maria Wincławska wies gegenüber der polnischen Nachrichtenagentur PAP darauf hin, dass die Kandidaten der zwei kleineren Regierungsparteien sehr schlecht abgeschnitten haben. Parlamentspräsident Szymon Hołownia vom Dritten Weg kam nur auf 5 Prozent, Magdalena Biejat von der Linken auf 4,2 Prozent. Selbst wenn man die Stimmen für den Ex-Linkspartei-Politiker Adrian Zandberg (4,9 Prozent) hinzurechne, sei das Regierungslager weit von einer absoluten Mehrheit entfernt, so Wincławska.

Das Ergebnis der ersten Wahlrunde bestätige somit Umfragewerte bezüglich der Beliebtheit der aktuellen Regierung. "Daher wird Trzaskowski eine sehr schwierige Aufgabe haben, vor der zweiten Runde eine überzeugende Geschichte zu entwickeln, worum es bei diesen Wahlen geht", betonte die Warschauer Universitätsprofessorin. Sie betonte, dass die Wähler der beiden rechtsextremen Kandidaten darüber entscheiden werden, wer in der Stichwahl die Oberhand behalten wird.

Ähnlich äußerte sich der Politikwissenschafter Maciej Onasz, der sich überrascht vom geringen Unterschied zwischen Trzaskowski und Nawrocki zeige. Das allein kann schon als Erfolg des PiS-Kandidaten gewertet werden. "Das Team von Trzaskowski wird vor der Stichwahl sicher eine harte Nuss zu knacken haben", sagte der Forscher an der Universität Lodz der Nachrichtenagentur PAP.

Trzaskowski rief seine Anhänger in der Nacht auf Montag eindringlich zur Mobilisierung vor der Stichwahl auf. "Ich freue mich über den Sieg in der ersten Runde, aber wir haben noch viel Arbeit vor uns. Es braucht absolute Entschlossenheit", sagte er. Nawrocki sagte, dass er am Montag "sehr gut gelaunt aufgewacht" sei. Im Gespräch mit Journalisten zeigte er sich "voller Energie und Optimismus auf dem Weg zum Sieg". In der Stichwahlkampagne wolle er auch Wähler der Linken ansprechen, sagte er auf die Frage, wann er den beiden rechtsextremen Kandidaten ein Angebot machen werde. Zugleich kritisierte er, dass der ausgeschiedene Parlamentspräsident Holownia noch am Wahlabend zur Unterstützung Trzaskowskis aufgerufen habe. Solcherart "die Wähler weiterzugeben" sei "respektlos", so Nawrocki.

Angesichts des knappen Rennens werden die weiteren Schritte des drittplatzierten Kandidaten Mentzen mit besonderem Interesse verfolgt. Er ließ am Wahlabend durchblicken, dass er eine Wahlempfehlung abgeben wird. Er wolle seinen Anhängern bei der Entscheidung helfen, sagte er. Details werde er aber nicht am Wahlabend, sondern "in Kürze" bekanntgeben.

Die Abstimmung gilt als Richtungswahl für das EU- und NATO-Land Polen. Kommentatoren in Warschau erwarten eine harte Auseinandersetzung zwischen der regierenden liberalkonservativen Bürgerkoalition (KO) und der PiS. Die beiden Kräfte dominieren das politische Leben Polens seit 20 Jahren. "Das Spiel um alles hat gerade erst begonnen. Ein harter Kampf um jede Stimme. Diese zwei Wochen werden über die Zukunft unserer Heimat entscheiden", schrieb der proeuropäische Regierungschef Donald Tusk auf X. Tusk braucht einen Sieg seines Kandidaten Trzaskowski, um Reformprojekte voranzubringen. Der bisherige Präsident Andrzej Duda, der aus den Reihen der PiS stammt, hatte diese mit seinem Veto gebremst.

Vor allem junge Wähler erteilten den dominierenden Parteien KO und PiS eine Abfuhr, viele von ihnen zog es nach rechts. Besonders Mentzen begeisterte sie mit einem wirtschaftlich liberalen, euroskeptischen und einwanderungsfeindlichen Programm, das nach seinen Worten eine Alternative zu beiden bietet. Experten zufolge gilt es aber keineswegs als ausgemacht, dass seine Anhänger uneingeschränkt den PiS-Kandidaten unterstützen werden. Mentzen hat Nawrocki nämlich scharf kritisiert. Am anderen Ende des politischen Spektrums sieht es ähnlich aus: Zwei linke Kandidaten erzielten am Sonntag zusammen etwas mehr als neun Prozent, doch keiner von ihnen gab Trzaskowski eine eindeutige Unterstützungszusage.

In Polen amtiert der Präsident fünf Jahre. Das Staatsoberhaupt hat mehr Befugnisse als der österreichische Bundespräsident. Er repräsentiert das Land nicht nur nach außen, sondern hat auch Einfluss auf die Außenpolitik, ernennt den Regierungschef sowie das Kabinett und ist im Kriegsfall Oberkommandierender der polnischen Streitkräfte. Innenpolitisch am gewichtigsten ist sein Vetorecht gegen Gesetzesbeschlüsse. Ein solches Veto kann vom polnischen Parlament nämlich nur mit einer Drei-Fünftel-Mehrheit überstimmt werden. Verfügt eine Regierungskoalition - so wie derzeit - nicht über eine solche Mehrheit, ist der Präsident Mitentscheider im Gesetzgebungsprozess.

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