Eine Volksschule im 22. Bezirk in Wien bemüht sich um einen positiven Zugang. Trotz aller Herausforderungen: Kinder müssen von den Erwachsenen lernen, mit Problemen richtig umzugehen, sagt die Direktorin Petra Feldhofer-Mahmoudian. Ein Schulbesuch
Die Plakette vor dem Schultor wurde mit einer Sprühdose verschönert. Statt Donaustadt steht dort jetzt „Stonerstadt“. Es ist ein urbanes Umfeld, in dem sich die Volksschule am Kaisermühlendamm befindet. Die Hochhaustürme der Donauplatte ragen nur wenige hundert Meter von hier gen Himmel, gegenüber reiht sich ein graues Wohngebäude an das nächste. Aber grau und trist ist diese Schule nur äußerlich. Das Büro von Direktorin Petra Feldhofer-Mahmoudian im zweiten Stock ist warm und freundlich eingerichtet. Fröhliche Farbtöne, die Kaffeemaschine blubbert heimelig.
Erst letztes Jahr errang die „Offene Volksschule am Kaisermühlendamm“, wie sie offiziell heißt, beim Staatspreis für innovative Schulen den zweiten Platz. Sie ist auch Partnerschule beim IDEAS-Programm der Innovationsstiftung für Bildung: Schulleitungen und Lehrkräfte anderer Schulen können hierherkommen, um zu lernen, wie innovative Schule funktioniert.
Besonderheiten
Was macht die Schule im 22. Wiener Bezirk so besonders? In Feldhofer-
Mahmoudians Büro haben sich vier Kinder rund um den Besprechungstisch versammelt. Anna, Hareer, Oskar und Sarah besuchen die vierte Schulstufe. Sie erzählen von Projekten, die es so nur an ihrer Schule gibt: Zwei Monate dauernde „Unterrichtsabschnitte“, in deren Rahmen sich die Schülerinnen und Schüler aller Klassen mit einem bestimmten Thema – aktuell: „Wir sind eine Gemeinschaft“ – auseinandersetzen, und die mit Feiern abgeschlossen werden. Jede Klasse hat Streitschlichterinnen und Streitschlichter, die bei Konflikten eingreifen, und es gibt ein Schülerparlament, das alle paar Wochen tagt.
Der Hintergrund all dessen, erklärt Direktorin Petra Feldhofer-Mahmoudian: Die Kinder sollen sich kompetent und handlungsfähig fühlen. „Auf die Kinder kommt extrem viel zu. Vom Klimawandel bis zu Krieg, all das schwappt jetzt schon in die Klassenzimmer herein. Wir haben also die Aufgabe, ihnen zu zeigen, wie man proaktiv mit Herausforderungen umgehen kann. Es geht dabei um meine Vorbildwirkung als Pädagogin. Wenn schon ich bei jeder Herausforderung in die Knie gehe, was kommt dann bei den Kindern an?“
Positiver Zugang
Wer die öffentlichen Debatten verfolgt, könnte meinen, Wiener Pflichtschulen stünden kurz vor dem Zusammenbruch. Ja, es gibt Herausforderungen, bestätigt Feldhofer-Mahmoudian. Aber letztlich gehe es darum, einen Weg zu finden, diese Herausforderungen zu meistern. „Ich kann natürlich sagen, alles ist furchtbar, mir fehlt eine Lehrerin. Ich kann aber auch sagen: Super, mir fehlt nur eine,“ plädiert sie für einen positiveren Zugang. Womit nicht gesagt ist, dass alles seine Ordnung hat im Schulsystem. „Ich hätte schon einige Wünsche“, sagt Feldhofer-Mahmoudian. „Ich liebe die Idee der gemeinsamen Schule, auch wenn ich weiß, dass sie für viele ein rotes Tuch ist. Aber es ist furchtbar, die Kinder im zehnten Lebensjahr auszuselektieren und zu sagen, du bist gut genug für die AHS und du nicht. Die Kinder kommen mit sechs zu uns, bauen Beziehungen auf, und dann zerreißen wir diese stabilen Lerngruppen genau in der Phase, in der die Kinder langsam in die Pubertät kommen. Das halte ich nicht für sinnvoll.“ Und, sagte sie: „Ich wünsche uns allen weniger Administration. Schulleitung sollte nur für Pädagogik da sein.“
Ein frommer Wunsch an den nächsten Bildungsminister. Und doch, auch wenn die Rahmenbedingungen nicht ideal sind, Petra Feldhofer-Mahmoudian zeigt, dass Schule trotzdem ein Ort der Freude und Begeisterung sein kann.
Schülerparlament
In einem Klassenzimmer im ersten Stock hat sich das Schülerparlament eingefunden. Zum ersten Mal in diesem Schuljahr. Von den Erstklasslern, schüchtern noch, und nicht gewohnt, vor einer großen Gruppe zu sprechen, bis zu den „Großen“ aus den vierten Klassen dürfen alle Klassensprecherinnen und Klassensprecher berichten, was ihre Kollegen ihnen mitgegeben haben.
Ein Thema bewegt die Kinder der Volksschule am Kaisermühlendamm besonders: Die Rutsche soll bitte endlich wieder repariert werden. Sie werde sich darum kümmern, verspricht Direktorin Feldhofer-Mahmoudian. In den kommenden Monaten wird das Schülerparlament immer wieder zusammentreten. Um Anliegen einzusammeln, Beschlüsse zu fassen. Und – vor allem – um den Kindern zu vermitteln: Ihr seid wichtig. Auch eure Meinung zählt.