"Strache versucht, sich
selbst noch zu retten"

Heinz-Christian Strache ist mit seiner Rücktrittserklärung aus allen politischen Ämtern der Suspendierung durch die Partei zuvorgekommen. Aber wie geht es jetzt weiter? Politik-Expertin Dr. Kathrin Stainer-Hämmerle analysiert im Gespräch mit News.at die Folgen für den ehemaligen FP-Chef und seine Partei.

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Notbremse - "Strache versucht, sich
selbst noch zu retten"

Wie überraschend ist der Rücktritt von Heinz-Christian Strache wirklich gekommen?
Wenn ich überrascht war, dann von der Art und Weise, wie Heinz-Christian Strache seinen Rücktritt argumentiert hat. Sich so stark in die Opferrolle hineinzuversetzen, das konnte ich nicht nachvollziehen.

Ich habe es auch als widersprüchlich empfunden, wie er seine Erklärung formuliert hat. Am Anfang sprach er davon, seine Mitgliedschaft ruhend zu stellen bis alle Vorwürfe geklärt sind, aber am Ende seiner Erklärung verabschiedete er sich dann doch recht eindeutig. Die Gerüchte haben sich einfach verdichtet, dass die FPÖ ihn ausschließen will. Und um sein politisches Erbe noch irgendwie zu wahren, ist er dem zuvorgekommen.

Die Rücktrittserklärung war also spontan und so nicht geplant?
Ich denke, er wollte verhindern, dass die Partei Schritte gegen ihn setzt und somit sein Ansehen beschädigt. Dieses Vorgreifen betrifft auch weitere Wortmeldungen und Forderungen einzelner Vertreter aus den Landesorganisationen der Partei, wie sie bereits von Christof Bitschi und Gottfried Waldhäusl gekommen sind. Diese schwelende Debatte wollte er abkürzen und das ist ihm gelungen.

Impliziert die Formulierung „Mitgliedschaft ruhend gestellt“ Heinz-Christian Straches Hoffnung, dass es noch eine Versöhnung mit der FPÖ geben könnte?
Wir wissen nicht, wie es mit der FPÖ weitergehen wird, somit lässt sich das zukünftige Verhältnis zwischen ihr und Heinz-Christian Strache auch schwer einschätzen. Bis zur Wahl war klar, dass der ehemalige FPÖ-Chef seine Verdienste und Anhänger hat, da wollte die Partei noch keinen vorzeitigen Bruch vollziehen mit der Gefahr, dass sie auch seine Anhänger vertrieben hätten.

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Diese Strategie hat offensichtlich nicht funktioniert, die Wahl wurde verloren. Nach der Wahl stehen andere strategische Überlegungen im Vordergrund. Etwa ob die FPÖ als Koalitionspartner für die ÖVP im Spiel bleiben will oder nicht. Das schlechte Wahlergebnis hat diese Chance nun verringert und damit wiederum die Bedingungen für die FPÖ verändert, wie sie mit ihrem ehemaligen Parteiobmann umgehen muss.

Es bleibt offen, ob zukünftig der Kickl-Kurs der kantigen Fundamental-Opposition gefahren wird oder doch eher das konziliantere Verhalten von Parteichef Norbert Hofer die Hoffnung aufrechterhält, dass für Sebastian Kurz nach gescheiterten Verhandlungen mit anderen Koalitionspartnern die Tür offen gehalten wird.

In seiner Erklärung sprach Heinz-Christian Strache immer wieder davon, seine Unschuld beweisen zu wollen. Hat das Relevanz? Was ist da noch zu erwarten?
Eine Möglichkeit in der Spesenaffäre könnte sein, dass die Partei ihm die Spesen gewährt hat, sie das jetzt aber abstreitet und versucht, ihm die Schuld in die Schuhe zu schieben. Die zweite Möglichkeit wäre, dass er wirklich unsauber abgerechnet und Privatrechnungen untergeschoben hat. Das wäre Betrug. Am Schluss dürfte an der Causa jedenfalls hängenbleiben, dass Strache ein unangenehmes Schreiben des Finanzamtes erhält.

»Heinz-Christian Strache versucht, sich selbst noch zu retten«

Was sagt der Umstand aus, dass sich offenbar niemand in der FPÖ auf seine Seite stellt?
Die FPÖ sucht einen Schuldigen. Jede Verliererpartei sucht nach der Wahl den Schuldigen und Heinz-Christian Strache ist jetzt der Sündenbock. Die FPÖ ist eine Partei, die ohnehin gerne mit diesen Bildern arbeitet. Im Grunde muss er die Verantwortung für das schlechte Ergebnis übernehmen.

Thomas Drozda von der SPÖ stellt sich aus Loyalität zur Partei hin und übernimmt die Verantwortung, um ihr den Druck zu nehmen. Bei Heinz-Christian Strache sieht es umgekehrt aus: Er versucht, sich selbst noch zu retten.

Am anderen Ende der Gefühlsskala: Muss sich die FPÖ vor einem Rachefeldzug fürchten?
Ich glaube nicht. Rache wäre, dass er sich mit einer eigenen Liste abspaltet und in Wien antritt. Bis dahin wird er vielleicht schon einen Job gefunden und sich anderweitig orientiert haben. Sonst hätte er die Möglichkeit, Insider-Informationen weiterzutragen. Das kann er aber nicht, weil er über viele Jahre verantwortlich gewesen ist für die Organisation der Partei, er würde also sein politisches Lebenswerk mitbeschädigen.

Wie ist sein Rückzug für die FPÖ generell einzuschätzen?
Der Erklärung von Heinz-Christian Strache ist für die FPÖ intern sicherlich eine Erleichterung, weil er damit auch eine Zerreißprobe verhindert hat, bei der sich die Parteimitglieder bekennen hätten müssen. Er hat die Konsequenz jetzt selbst gezogen und niemand muss für oder gegen seinen Ausschluss stimmen, was zu einer ernsten innerparteilichen Krise geführt hätte.

Glauben Sie, dass es ein großes Comeback von Heinz-Christian Strache geben könnte?
Eine Rückkehr auf bundespolitischer Ebene kann ich mir für ihn unter keinen Umständen vorstellen, weil die Ibiza-Affäre die Partei dadurch fortlaufend verfolgen würde.

Die Angst innerhalb der Partei bestand allerdings darin, dass sich Heinz-Christian Strache in Wien ein Comeback wünscht mit dem Druckmittel, dass er eine eigene Partei gründet, wenn die FPÖ einen sicheren Listenplatz oder gar die Spitzenkandidatur verweigert. Und gerade in Wien ist ja die Personaldecke der FPÖ sehr dünn, da hatte die Partei einen enormen Verlust an hoffnungsvollen Kandidaten hinnehmen müssen.

Wieviel Potenzial hätte eine Liste Strache?
Das Potenzial wäre auf jeden Fall da, das zeigen schon die Vorzugsstimmen, die Heinz-Christian Strache bei der EU-Wahl bekommen hat. Freilich auch unter der Voraussetzung, dass es der Wiener FPÖ nicht gelingt, rechtzeitig vor der Wien-Wahl einen geeigneten Kandidaten aufzubauen. Darüber hinaus darf man nicht vergessen, dass Heinz-Christian Strache auch niemand einen Erfolg zutraute, nachdem er von Jörg Haider die Partei mit 3,6 Prozent übernommen hatte. Das ist also letztendlich schwierig abzuschätzen.

»Natürlich ist die Frage, wie Philippa Strache es aushält, allein im Nationalrat zu sitzen unter feindlich gesinnten Klub“kollegen“«

Wie geht es Ihrer Ansicht nach mit seiner Frau Philippa weiter?
Niemand kann Philippa Strache das Parlamentsmandat nehmen, wenn sie es erreicht hat. Sie kann es nur selbst nicht annehmen, das ist ihre persönliche Entscheidung und hängt auch von ihren beruflichen Alternativen ab. Natürlich ist die Frage, wie sie es aushält, allein im Nationalrat zu sitzen unter feindlich gesinnten Klub“kollegen“. Aber das Gehalt einer Nationalratsabgeordneten könnte unter Umständen ein Grund sein, das über sich ergehen zu lassen.

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Hätte die FPÖ eine andere Option gehabt als sich von Strache zu trennen?
Wenn die FPÖ sich wirklich endgültig aus dem Koalitionsspiel nehmen will, dann wäre eine Trennung nicht notwendig gewesen. Dabei würde allerdings die Frage offenbleiben, wie man den Wählern diese Spesenaffäre erklärt. Das könnte sogar gelingen, denn auch Jörg Haider hat sich teure Uhren auf Parteikosten gekauft, hatte ein ähnlich üppig gefülltes Spesenkonto und irgendwie war ihm der Großteil seiner Wähler auch nicht böse.

Gebrandmarkt von Ibiza und dubiosen Spesen: Welche Perspektive hat Strache Ihrer Ansicht nach jetzt noch?
Ich würde nicht unterschätzen, welche Breite rechtspopulistische Strömungen bis hin in die USA bekommen haben. Es gibt genug Medien und Unternehmer, die diese Politik unterstützen, um in den USA mit Steve Bannon nur ein Beispiel zu nennen. Es gibt aber auch genügend gewichtige Persönlichkeiten in der europäischen Wirtschaft, die populistische Parteien schätzen und die genügend Möglichkeiten haben Jobs zu schaffen, das muss nicht in Österreich sein. Heinz-Christian Strache hat ja auch gute Kontakte nach Russland und wie wir wissen, sind nicht nur österreichische Politiker dort mit Aufsichtsrat-Posten versorgt worden, sondern auch deutsche.