Philippa Strache:
Plötzlich Politikerin

Nach der Veröffentlichung des Ibiza-Videos wurde die ehrenamtliche Tierschutzbeauftragte Philippa Strache von heute auf morgen zur Spitzenpolitikerin. Doch ihre Karriere wird überschattet - von den mächtigen Konturen ihres Mannes Heinz-Christian Strache.

von Innenpolitik - Philippa Strache:
Plötzlich Politikerin © Bild: News/Ricardo Herrgott

Und dann war da zu allem Überfluss auch noch diese merkwürdige Bildmontage, die plötzlich durch das Netz geisterte: Im Vordergrund sie, scharf und entschlossenen Blickes, dahinter, fast mystisch schwebend, er, weichgezeichnet und gütig lächelnd. Darunter der klassische FPÖ-Schriftzug mit rot-weiß-roter Schleife und der Text: "Vorzugsstimme Philippa Strache".

Sie sagt, sie weiß nicht, wer die Collage von ihr und ihrem Mann produziert hat. Doch da das Machwerk täuschend echt aussieht und es viele für ein reales Wahlsujet hielten, bat sie ihn, es nicht auf Facebook zu posten. Er tat es trotzdem. "Ich weiß nicht, warum", sagt sie, lächelt und zuckt die Schultern. Und eine Userin postet: "HC bringt sie in eine Position, welcher sie nicht gewachsen ist."

Und tatsächlich, das Bild mit dem kontrollierend über sie wachenden Heinz-Christian Strache bringt das Dilemma seiner Frau Philippa Strache genau auf den Punkt: Nach Auffliegen des Ibiza-Skandals bekräftigte sie in Interviews, dass sie eisern zu ihrem Mann steht, ihn für ein Opfer hält -und ihn unterstützt, wo es nur geht. Sogar Steak oder Hühnerschnitzel brät sie ihm, und begnügt sich als bekennende Vegetarierin ohne das Gefühl des Verzichts mit den Beilagen, erzählt sie, allerdings in anderem Zusammenhang.

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Nun, da ihr Fleischtiger selbst auf sein EU-Mandat verzichtete und sie im Gegenzug für die FPÖ in den Nationalrat einziehen kann, muss sie sich, um als Politikerin ernst genommen zu werden, von dem übermächtigen Namen, von der Hausmarke, emanzipieren. Aber wie soll das gehen? "Derzeit könnte ich Monologe darüber halten, wie eigenständig ich handle -aber es wäre völlig sinnlos", sagt sie und lächelt. Während der Herr Gemahl erst als Vizekanzler zum Faserschmeichler mutierte und zuvor als Bulldozer punziert war, kultivierte das einstige Model ihr Lächeln als stärkste Waffe. "Ich muss mich mehr beweisen als jede andere", sagt sie und lächelt. "Aber irgendwann werde ich mir meine eigene Geschichte erkämpft haben", sagt sie und lächelt. "Blond ist sie, jung ist sie - manche wundern sich, dass ich sogar drei zusammenhängende Sätze sprechen kann", sagt sie und lächelt. Klar, immer wieder spüre sie auch Neid, besonders von Frauen. "Doch die Zickerei kann mich nicht aufhalten", sagt sie und lächelt. Plötzlich ist sie Politikerin -dabei ist das nicht immer lustig.

Etwa jetzt, im Wahlkampf, diese Abschiede von Hendrik, dem neun Monate alten Söhnchen. Noch im Frühsommer war sie ehrenamtlich Tierschutzbeauftragte der FPÖ und öfter und länger bei ihm zu Hause. Oder sie nahm ihn ganz einfach mit ins Büro, während ihr Mann nach dem Papamonat drüben am Minoritenplatz als Nummer zwei hinter Kurz die Regierung schupfte. Nun springt ihre Mutter als Aufpasserin und Betreuerin ein. Dafür, sagt sie, suche der Kleine dann am Wochenende ganz intensiv ihre Nähe. "Mama kann er schon sagen, Papa noch nicht."

Österreichs Claire Underwood

Philippa Strache, das ist, zumindest ein bisserl, die Claire Underwood von Österreich. Wie die Präsidentengattin in "House of Cards" sprang sie politisch für ihren Mann ein, als ihn die äußeren Umstände außer Gefecht setzten. Oder die Austro- Version von Alicia Florrick aus "The Good Wife", die spontan ins Berufsleben zurückkehrte, als ihr mächtiger Mann über eine Affäre stolperte. Auf jeden Fall ist Philippa, wie Claire und Alicia, sehr telegen, denn das ist einer der Jobs, die sie lernte: Bei "Oe24-TV" moderierte sie Wetter, News und Society-Themen -ehe sie im Wiener Hyatt-Hotel, wo ihr damaliger Boss Wolfgang Fellner seinen Sechziger feierte, Heinz-Christian Strache kennenlernte.

Und es war, den Klischees zum Trotz, kein politischer Naivling, den der damalige FP-Alleinherrscher da in der Nobelherberge kennenlernte. "Ich denke, für mein Alter hatte und habe ich relativ viel Ahnung." Sie erschien ihm überraschend abgeklärt und reif, er erschien ihr überraschend geduldig und einfühlsam, seit 7. Oktober 2016 sind sie verheiratet.

Ideologisch wollte sich die Blaue im dritten Bildungsweg zwar nie festlegen ("Ich würde sagen, ich bin politisch neutral"), doch die Mechanismen des Machtspiels namens Realpolitik lernte sie bereits als Teenager: Mit 19 Jahren marschierte sie zum Vorstellungsgespräch in den SPÖ-Parlamentsklub, wo sie alsbald die Klubsekretäre bei ihrer Arbeit für diverse Ausschüsse unterstützte. Dann wechselte sie zu Stronach, übernahm in der Phase seiner Parteigründung einen Teil der Presseagenden und blieb dem Hohen Haus so erhalten. "Auch wenn ich nach fünf Jahren im Parlament nach neuen Perspektiven suchte -irgendwie hatte ich Blut geleckt, und wenn du einmal Blut geleckt hast, lässt dich das Parlament nicht mehr los", sagt Philippa Strache. Und so übernahm sie die Social-Media-Agenden der FPÖ. Doch da war nicht nur diese funktionierende Koalition zwischen Privatleben und Job. Da war auch die bittere Erkenntnis, was es im sozialen Echtleben bedeutet, zur viel beschworenen "freiheitlichen Familie" zu gehören: Viele Bekannte, erzählt Philippa Strache, hätten sich angewidert abgewandt. Mit einer ehemals guten Freundin, die sich "voll Herablassung" und "gnadenhalber" bereit erklärt hätte, wenn es denn unbedingt sein müsse, ihren Partner H.-C. kennenzulernen, habe sie von sich aus den Kontakt abgebrochen. Wieder lächelt Philippa Strache, und es wirkt wie Angriff und Verteidigung in einem.

Spitzname "Prinzessin"

"Die Dinge sind eben, wie sie sind", sagt sie. Immer wieder muss sie sich den Vorwurf gefallen lassen, als Günstling der Umstände viel zu rasch aufzusteigen, zumal man sie auf Platz drei der Wiener Landesliste reihte, und das garantiert den Einzug ins Hohe Haus. Ist die Frau, die man in der eigenen Partei zuweilen halb bewundernd, halb abwertend "Prinzessin" nennt, eine Glücksritterin, eine Opportunistin? Auf jeden Fall ist sie eine, die sich in neuen Realitäten angstfrei zu akklimatisieren versteht. "Ich war nie ein Mensch, der nein sagt, wenn sich neue Chancen auftun."

Bereits früher, als die Schülerin Philippa ihre ersten Ferialjobs bei Modemessen in Düsseldorf und Berlin hatte und bei der Aufteilung der Stände mithalf, sagte sie nicht nein, als man ihr mit 17 Jahren anbot, selbst zu modeln. "Ich wollte immer unabhängig sein, auf eigenen Beinen stehen", sagt sie und lächelt. Denn die Mutter habe es als Alleinverdienerin und Alleinerzieherin nicht immer leicht gehabt, der Vater sei nie präsent gewesen. Bereits da sei dieser Wunsch nach Unabhängigkeit entstanden, dieses Bedürfnis nach beruflicher und ökonomischer Eigenständigkeit. Doch wer soll das ausgerechnet einer Frau Strache glauben, die ausgerechnet Politikerin wird? Einer, deren Mann Fake-Wahlplakate mit sich selbst im Hintergrund postet?

Philippas neue Abenteuer

Im Pflegeheim von Rudersdorf, Burgenland, hat die Wahlkämpferin Strache quasi ein Heimspiel. Die Seniorenresidenz gehört einer FPÖ-Abgeordneten, die sie eingeladen hat. Dort schwebt Philippa Strache an der Seite eines American Staffordshire Terriers ein. Grundsätzlich gehört der ja zu jenen "Listenhunden", die Philippa Straches politische Intimfeindin Ulli Sima verbieten will. Doch dieser hier ist ein Weibchen, heißt Kiara und ist obendrein eine Therapiehündin. Das gute Tier vollführt, auf der Suche nach Hundekuchen, im Kreise der betagten Menschen beachtliche Kunststückchen, frisst ihnen über eine sogenannte "Leckerlirutsche", die an einen langen Schuhlöffel erinnert, quasi aus der Hand. "Ich möchte durchsetzen, dass alte Menschen ihre Lieblinge, wenn es so weit ist, mit ins Heim nehmen dürfen", postuliert Philippa Strache und lächelt.

Flugplatz Fürstenfeld, Steiermark, die zweite Station an diesem Wahlkampftag. Wahlvolk ist hier keines zugegen. Dafür aber wartet ein netter FP-Abgeordneter aus der Region, wie Norbert Hofer passionierter Flieger, der die Gattin des Ex-Chefs gerne auf einen Rundflug über die schöne Südoststeiermark mitnimmt. Eine Dutzendschaft diensteifriger Funktionäre wartet unten, während Philippa Strache abhebt. Wähler lassen sich so zwar direkt keine gewinnen, wohl aber eindrucksvolle Impressionen für die sozialen Netzwerke - nix Viktor-Adler-Markt, nix Kulis verteilen, Lächeln statt Bechern, Stimmenfang über die Bande gewissermaßen.

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Doch dann passiert es: Angetan vom unvergesslichen Panoramaflug steigt Kandidatin Philippa, angestachelt vom blauen Bodenpersonal, auch noch zu einem vielversprechenden jungen Kunstflieger in die Maschine. "Die arme Maus", murmelt Elisabeth, genannt Lilly, die einmal Heinz- Christian Straches Sekretärin war und nunmehr neben ihrem Job als parlamentarische Mitarbeiterin auch dessen Gemahlin mitbetreut. Lillys Blick folgt sorgenvoll einem winzig wirkenden Flieger, der da oben am blauen Himmel ein Looping vollführt, dann eine Drehung seitlich abwärts.

Philippa Strache klettert mit letzter Kraft aus dem Cockpit, ehe sie ins Gras neben dem Rollfeld sinkt, dort ermattet liegenbleibt und für etwa 30 Minuten mit Wasser, Cola und einer trockenen Semmel gelabt werden muss. "Klar, dass ihr schlecht ist, sie hat ja den ganzen Tag nichts gegessen", sagt Lilly und macht sich Vorwürfe, dass sie morgens nicht, wie beabsichtigt, Dinkeltopfengolatschen mitbrachte.

Doch dann steht Strache wieder auf und absolviert trotz Schmerzen all ihre weiteren Termine. Wäre dasselbe ihrem Mann passiert, er würde wohl von einem "politischen Attentat" sprechen. Bei Philippa Strache hingegen besteht der Verdacht auf ein Schleudertrauma. Sie bekämpft es mit Medikamenten. Und einem Lächeln.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in er Printausgabe von News (38/2019) erschienen!