Regierung enthoben &
mit Fortführung betraut

Einen Tag nach dem Triumph der ÖVP bei der EU-Wahl hat Kanzler Sebastian Kurz seinen Kanzlersessel verloren. Der Nationalrat ihm das Misstrauen ausgesprochen und auch die gesamte Regierung des Amtes enthoben. Der von der SPÖ eingebrachte Misstrauensantrag wurde von der FPÖ und der Liste JETZT unterstützt und hatte damit die Mehrheit, ÖVP und NEOS votierten dagegen.

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Regierungskrise - Regierung enthoben &
mit Fortführung betraut

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Dienstag die Regierung Kurz des Amtes enthoben und die Minister mit der interimistischen Fortführung der Amtsgeschäfte betraut. Statt des bisherigen Regierungschefs Sebastian Kurz hat das Staatsoberhaupt Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) die interimistische Führung der Kanzler-Agenden übertragen.

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Die Fortführung der Amtsgeschäfts ist nur für eine kurze Übergangsfrist geplant, bis eine neue Regierung angelobt ist. Van der Bellen hofft, diese Aufgabe bis Ende dieser Woche oder Anfang nächster Woche erledigen zu können. Er ist dazu in Kontakt mit den Parlamentsparteien, weil die Übergangsregierung vom Nationalrat zumindest geduldet werden muss. Die Enthebung der bisherigen Regierung war laut Verfassung notwendig, weil ihr der Nationalrat am Montag das Misstrauen ausgesprochen hatte.

Für die Fortführung der Amtsgeschäfte wurden die bisherigen Regierungsmitglieder nach der formalen Enthebung neuerlich angelobt. Angeführt wurde die Regierungsmannschaft von Hartwig Löger, Kurz war bei der Zeremonie in der Hofburg nicht zugegen.

Die aktuellen Ereignisse im Live-Blog:

27. Mai

Kurz rechnet mit Abwahl

Nur einen Tag nach dem Triumph der ÖVP bei der EU-Wahl könnte Sebastian Kurz seinen Kanzlersessel verlieren. Weil der ÖVP-Chef seit der Aufkündigung der Koalition mit der FPÖ ohne Parlamentsmehrheit da steht, droht ihm bei der Sondersitzung des Nationalrats am Montag ein Misstrauensantrag. Die SPÖ will die gesamte ÖVP-Minderheitsregierung abwählen. Ob der Antrag durchgeht, liegt nun an der FPÖ.

Dass die Freiheitlichen Kurz nicht mehr vertrauen, haben sie bereits klar gemacht. Die Unterstützung der von SPÖ und Liste JETZT angekündigten Misstrauensanträge ließ Parteichef Norbert Hofer am jedoch Abend offen. "Ich habe eine klare Tendenz", sagte der designierte FP-Obmann, verwies aber auf die Beratungen in der blauen Klubsitzung am Montagvormittag.

Kurz selbst hatte schon am Sonntagvormittag gemeint, er rechne damit, dass "Rot und Blau den Misstrauensantrag am Montag im Nationalrat zustimmen werden". Durch das starke Abschneiden der ÖVP bei der Europawahl sah er sich aber "gestärkt". "Wir trotzen nicht nur dem Regen, wir trotzen allem anderen, was kommen wird", sagte er am Wahlabend.

Sollte eine Mehrheit der Abgeordneten Kurz das Vertrauen entsagen, müsste Bundespräsident Alexander Van der Bellen einen Übergangskanzler ernennen, der die Geschäfte bis zur Nationalratswahl im Herbst führt. Ein erfolgreicher Misstrauensantrag wäre eine Premiere: 185 Mal wurde seit 1945 versucht, ein Regierungsmitglied aus dem Amt zu wählen, aber noch nie gab es dafür eine Mehrheit. Eine "Staatskrise" wäre die Abwahl des Bundeskanzlers aber nicht, wie Van der Bellen am Sonntag betonte. In anderen Ländern seien solche Abstimmungen viel üblicher als in Österreich: "Von einer Staatskrise kann keine Rede sein."

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Was bisher passiert ist:

26. Mai

SPÖ-Präsidium einstimmig für Misstrauen gegen gesamte Regierung


Das Bundesparteipräsidium der SPÖ hat sich am Sonntagabend einstimmig für eine Empfehlung an den SP-Parlamentsklub ausgesprochen, Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und der gesamten Bundesregierung das Misstrauen auszusprechen. Das hat Parteichefin Pamela Rendi-Wagner nach mehrstündigen Beratungen bekannt gegeben.

Kurz habe die vergangenen zehn Tage keine vertrauensbildenden Maßnahmen gesetzt, begründete sie vor Journalisten die Empfehlung für das Misstrauensvotum. Er habe für eine "ÖVP-Alleinregierung" gesorgt, ohne sich vorher mit den anderen Fraktionen abgestimmt zu haben.

24. Mai

Kurz ringt weiter um Verbleib

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ringt weiter um seinen Verbleib im Kanzleramt. Freitagvormittag lud er die Landeshauptleute zu einem Gespräch. Diese zeigten sich aber keineswegs einmütig. Während die ÖVP-Landeschefs an ihre SPÖ-Kollegen appellierten, auf ihre Partei einzuwirken, Kurz nicht das Misstrauen auszusprechen, meinten diese, es liege vielmehr an Kurz, sich Mehrheiten zu suchen.

Neben der SPÖ ließen auch die Freiheitlichen Kurz weiter zappeln. In beiden Parteien war die Meinungsbildung noch nicht abgeschlossen, ob sie einem von der Liste JETZT formulierten Antrag zustimmen oder eventuell einen eigenen einbringen sollen. Die Liste JETZT legte sich hingegen auf ihren bereits formulierten Misstrauensantrag fest. Eine von Listengründer Peter Pilz ins Spiel gebrachte Variante eines Misstrauensantrags gegen die gesamte Regierung nahm selbiger nach einem Rüffel von Klubchef Bruno Rossmann zurück.


Zudem wurde bei SPÖ und JETZT auch über die Beantragung einer geheimen Abstimmung nachgedacht. Auf diese Weise sollen die Abgeordneten nach bestem Wissen und Gewissen abstimmen können, so die Argumentation. Die ÖVP-Fraktion könnte einer solchen Aktion allerdings mit einer namentlichen Abstimmung kontern, was den genau umgekehrten Effekt hätte.

Ebenfalls ambivalent verlief für Kurz das Treffen mit den Landeschefs. So hofften die Vertreter der Kanzlerpartei, dass die Chefs der rot regierten Länder ihre Parteichefin überzeugen können, am Montag dagegenzustimmen. Die roten Landechefs zeigten sich hingegen unnachgiebig. Vielmehr liege es an Kurz, "sich Mehrheiten im Parlament zu suchen". Kärntens Landeshauptmann und derzeit Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz Peter Kaiser betonte ferner, dass noch einiges, sehr überraschendes, passieren müsste, damit Kurz das Vertrauen der SPÖ gewinne.

Indes erklärte Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache am Freitag, dass er bei der Staatsanwaltschaft Wien im Zusammenhang mit dem "Ibiza-Video" Anzeige gegen drei Personen erstattet habe. In einer Erklärung gegenüber der APA bezeichnete er diese als "mögliche Mittäter" bei der Erstellung des Materials. Zudem ging der ehemalige Vizekanzler nicht davon aus, dass es noch mehr kompromittierendes Material gegen ihn gebe.

Auch Straches Ehefrau dementierte am Freitag Berichte, wonach sie nach der Veröffentlichung des Ibiza-Videos aus dem gemeinsamen Haus ausgezogen zu sein. "Ich wohne nach wie vor mit unserem Sohn und meinem Mann zusammen", stellt Philippa Strache klar. Verziehen haben dürfte ihm auch der Sprecher der rechtsextremen Identitären, Martin Sellner. Er rief auf Twitter zur Wahl Straches bei der EU-Wahl auf.

SPÖ-LH erwarten aktuell Misstrauensvotum

Die SPÖ-Landeshauptmänner gehen nach dem Gespräch mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Freitag nach derzeitigem Stand davon aus, dass der Nationalrat am Montag Kurz das Misstrauen aussprechen werde. Es liege aber an Kurz, "sich Mehrheiten im Parlament zu suchen". Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser betonte, dass noch einiges, sehr überraschendes, passieren müsste, damit Kurz das Vertrauen der SPÖ gewinne.

Alle drei Landeschefs wiesen darauf hin, dass es bei dem Gespräch keine Angebote von Kurz gegeben habe. "Wir hätten diese auch nicht diskutiert", meinte Wiens Landeschef Michael Ludwig. Man werde den Inhalt des Gesprächs in den Gremien besprechen. Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil erinnerte daran, dass die ÖVP bei jedem Regierungsbruch der vergangenen Zeit dabei gewesen sei. Zudem lasse Bundeskanzler Kurz ein gewisses Maß an Staatsräson vermissen. Doskozil kritisiert in diesem Zusammenhang, dass jedem neuen Minister "ein ÖVP-Aufpasser" zur Seite gestellt worden sei. Seiner Ansicht nach ist auch eine Expertenregierung in der Lage, den Staat zu führen.

Landeschefs wegen Misstrauen gegen Kurz nicht einig

Die Landeshauptleute von ÖVP und SPÖ haben sich auch nach dem Gespräch bei Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nicht einigen können, was einen Misstrauensantrag gegen den Regierungschef betrifft. So hofften Vertreter der Kanzlerpartei, dass die Chefs der rot regierten Länder ihre Parteichefin Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) überzeugen können, am Montag dabei dagegenzustimmen.

So meinte etwa der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP), die SPÖ wisse zwar, worin sie sich "hier hineinmanövriert" habe, nun komme man wohl schwer aus der Situation heraus. Man werde sehen, ob man sich gegen Rendi-Wagner durchsetzen werde. Ein Sturz des Bundeskanzlers in einer derartigen Staatskrise wäre jedenfalls nicht gut, so Schützenhöfer.

Wie Schützenhöfer sprach auch sein Tiroler Kollege Günther Platter (ÖVP) zwar von einem guten Gespräch im Kanzleramt, aber auch er appellierte an die SPÖ-Vertreter in der LH-Konferenz, dass diese auf ihre Parteispitze einwirken. Kurz sei ein "exzellenter Bundeskanzler" mit einer guten Reputation. Es sei abzuwenden, dass es nicht monatelang zu einem Stillstand kommt.

Taktische Spiele vor der Sondersitzung

Zwischen den Parlamentsfraktionen wird vor der Nationalratssondersitzung am Montag hektisch taktiert. Die Liste JETZT legte sich bei einer Pressekonferenz am Freitag auf ihren bereits formulierten Misstrauensantrag gegen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) fest. Andere Varianten, etwa ein Misstrauensantrag gegen die gesamte Regierung, lehne man ab, nahm Pilz entsprechende Aussagen zurück.

Er appellierte an die SPÖ, keinen Antrag gegen die gesamte Regierung einzubringen, weil sich dieser auch gegen den nach Ansicht von Pilz höchst geeigneten neuen Innenminister Eckart Ratz richten würde. Donnerstagabend hatte Pilz vor dem Gespräch zwischen Kurz und Vertretern der Parlamentsfraktionen mehrere Varianten für Misstrauensanträge ins Spiel gebracht, Hauptsache erfolgreich. Heute korrigierte er nach einem Rüffel von Klubchef Bruno Rossmann diese Aussagen und legte sich auf den bereits formulierten Antrag fest.

Ob SPÖ und FPÖ diesem Antrag zustimmen oder einen eigenen einbringen, ist noch Gegenstand von taktischen Überlegungen. Gut möglich, dass ein Misstrauensantrag gegen die ganze Regierung mit den Stimmen der FPÖ die Mehrheit findet. Die Freiheitlichen würden damit zwar gegen ihre bisherigen Kollegen stimmen, sie sollen dem Vernehmen nach aber besonders auf Außenministerin Karin Kneissl sauer sein, die sie in die Regierung gebracht haben, die sich aber geweigert hat, mit ihnen diese zu verlassen.

»Er bot ein Minderheitenrecht der Opposition als Gnadenakt«

Bei SPÖ und JETZT wird auch über die Beantragung einer geheimen Abstimmung nachgedacht, damit die Abgeordneten nach bestem Wissen und Gewissen abstimmen können. Die ÖVP-Fraktion könnte einer solchen Aktion allerdings mit einer namentlichen Abstimmung kontern, was den genau umgekehrten Effekt hätte.

Bei allen diesen Überlegungen spielt natürlich auch die bevorstehende EU-Wahl am Sonntag eine Rolle, die die Karten völlig neu mischen könnte. Pilz zeigte sich am Freitag jedenfalls "optimistisch für Montag". Kurz habe Donnerstagabend "seine letzte politische Chance vertan". "Er bot ein Minderheitenrecht der Opposition als Gnadenakt und keine ÖVP-Parteibuchwirtschaft mehr zu machen an. Das ist großartig", kommentierte Pilz zynisch den Vorschlag des Kanzlers, nach der Wahl die beiden Untersuchungsausschüsse wieder einzusetzen und bis zur Wahl keine Funktionen mehr zu besetzen.

Vilimsky sieht FPÖ in Kommissarsfrage "an nichts gebunden"

FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky sieht nach dem Platzen der türkis-blauen Regierung aufgrund des Strache-Videos die Freiheitlichen in der Frage des künftigen österreichischen Kommissars in Brüssel "an nichts gebunden". Zu einem "Kurier"-Artikel, wonach nach dem Koalitionsbruch der EU-Kommissar für die ÖVP wackle, meinte Vilimsky auf Anfrage der APA, diese Frage sei offen.

Bisher habe es in der FPÖ keine Beratungen dazu gegeben, sagte der FPÖ-Spitzenkandidat bei der Europawahl. Daher "ist die Frage, Unterstützung oder nicht, selbst vorschlagen oder nicht", erst zu beraten. Hier sollte man "step by step vorgehen".

»So was ist nicht nützlich«

Angesprochen auf die Stimmung in der FPÖ nach dem Chaos rund ums inkriminierte Strache-Video meinte Vilimsky, er sei auch nach der dritten Elefantenrunde der Kandidaten für die EU-Wahlen zuversichtlich. "Ich hatte bei allen Umfragen nach den Runden die Nase vorn. Nach der gestrigen Runde haben 53 Prozent erklärt, dass sie von mir überzeugt sind. Ich sehe die Stimmung als sehr gut."

Ob also für die FPÖ in Österreich kein ähnliches Schicksal zu erwarten sei wie bei den Rechten in den Niederlanden, die Wählerbefragungen zufolge überraschend von den Sozialdemokraten überholt wurden? - Vilimsky winkte ab: "Ich sehe eine Jetzt-erst-recht-Stimmung".

Also hat in Wahrheit das Strache-Video der FPÖ für die EU-Wahlen genützt? - Der FPÖ-Generalsekretär: "So was ist nicht nützlich. In Wahrheit hat das zur Regierungskrise geführt und zu völligem Chaos. Ich will auch nicht die Unanständigkeit für mich in Anspruch nehmen, da von Nutzen für die Partei zu sprechen. Das ist nur als absurd zu bezeichnen." Jedenfalls "bin ich in Kontakt" mit dem zurückgetretenen Parteichef Heinz-Christian Strache.


Bei den EU-Wahlen selbst glaubt Vilimsky für die FPÖ an eine "positive Überraschung. Es gibt im Augenblick keinen einzigen Marktforscher, der nur annähernd Willens ist, eine Einschätzung abzugeben."

23. Mai

Strache: Misstrauen gegen ÖVP und Kurz "logisch"

Ex-FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache hat am Donnerstag gegenüber dem "Kurier" erklärt, Misstrauen gegen ÖVP-Chef Sebastian Kurz und dessen Partei sei "verständlich und logisch". Das ergebe sich aus der Aufkündigung der Koalition und der Absetzung von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ).

"Ich stehe hier voll und ganz zum designierten Bundesparteichef Norbert Hofer und dem durch Bundeskanzler Kurz abgesetzten ehemaligen Innenminister Herbert Kickl", erklärte der im Zuge der Ibiza-Video-Affäre zurückgetretene Strache in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber dem "Kurier" (Online-Ausgabe).

»Stand der Regierung nicht im Wege«

"Durch meinen völligen Rückzug stand ich einer von Bundeskanzler Kurz zugesagten Weiterarbeit der Regierung nicht im Wege", meinte der gefallene FPÖ-Chef. "Durch das spätere Aufkündigen der Regierungskoalition durch ÖVP-Obmann Kurz und die zusätzlich erfolgte Absetzung von Innenminister Kickl ist dieses Misstrauen gegenüber der ÖVP und Bundeskanzler Kurz verständlich und logisch", merkte er an.

Die FPÖ hatte sich am Donnerstag in ihrer Entscheidung, ob sie dem von der Liste JETZT für Montag angekündigten Misstrauensantrag zustimmen wird, noch bedeckt gehalten. Allerdings hatte sich Klubchef Walter Rosenkranz nach einem Gespräch der Oppositionsvertreter mit Kurz wenig euphorisch gezeigt und der designierte Wiener Landesparteichef Dominik Nepp sich klar für ein Misstrauensvotum seiner Partei ausgesprochen.

Im Video: Bundeskanzler Sebastian Kurz hat nach einer Unterredung mit Vertretern anderer Parteien über seine Pläne gesprochen.

Opposition nach Treffen mit Kurz reserviert

Die Vertreter der Oppositionsparteien haben sich nach einem Treffen mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wenig euphorisch gezeigt. Zweck des Gesprächs war es, den Oppositionsparteien Angebote zu machen, um sie davon zu überzeugen, von einem Misstrauensvotum gegen Kurz Abstand zu nehmen. Für SPÖ, FPÖ und JETZT brachte dies aber keine Entscheidung, der Kanzler war für sie nicht überzeugend.

SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried meinte nach der Unterredung im Kanzleramt am Donnerstagnachmittag in einem Statement gegenüber der APA, es habe sich durch das Gespräch nichts geändert. Kurz habe "einige Selbstverständlichkeiten als Zugeständnisse an die im Nationalrat vertretenen Fraktionen verkauft. Es ist bezeichnend, dass er die Aufklärung der schwerwiegenden Vorwürfe aus dem Video, die selbstverständlich ist in so einer Phase, als Angebot wertet." Dass Kurz ankündigt, die U-Ausschüsse nach der Wahl wieder einzusetzen, stellt für Leichtfried ebenfalls kein Angebot dar. Denn "dass die U-Ausschüsse ihre Arbeit auch nach der Neuwahl fortsetzen" können, davon sei die SPÖ sowieso ausgegangen.

An der Gesamtsituation habe sich "nichts geändert", so Leichtfried. "Kurz steht einer ÖVP-Alleinregierung vor und verzichtet weiterhin darauf, für eine Mehrheit im Parlament zu werben. Aufklärung ist eine Selbstverständlichkeit, und es ist bezeichnend, dass Kurz das als Angebot wertet."

Wenig euphorisch reagierte auch die FPÖ: "Es sind höfliche Maßnahmen, Maßnahmen des Respekts", meinte FPÖ-Klubobmann Walter Rosenkranz nach dem Gespräch gegenüber dem ORF. Es habe Signale seitens Kurz gegeben, dass man über die Frage der Parteifinanzen rasch in Verhandlungen trete, das aber sei Sache des Parlaments, so Rosenkranz.

Deutlich äußerte sich unterdessen der designierte Wiener FPÖ-Obmanns Dominik Nepp in Sachen Misstrauensantrag: "Wäre ich Abgeordneter, würde ich ihm das Misstrauen aussprechen", sagte er gegenüber der "Presse" (laut Vorabmeldung der Freitag-Ausgabe).

JETZT-Abgeordneter Peter Pilz sprach von einem "im Grunde ergebnislosen" Gespräch. "Es ist nichts vom Bundeskanzler gesagt worden, was bei mir den Eindruck erweckt hätte, er hat etwas dazugelernt, ist bereit was zu verändern, ist bereit Österreich anders zu regieren als in den eineinhalb Jahren", so Pilz.

NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger begrüßte gegenüber der APA, dass Kurz das Gespräch gesucht habe - "unabhängig davon, ob es inszeniert war, oder nicht". Sie selbst habe deponiert, dass die Justiz mit den nötigen Ressourcen ausgestattet werden müsse, und dass sie davon ausgehe, dass die von FPÖ-Innenminister Herbert Kickl unmittelbar vor seiner Abdankung getroffenen Entscheidungen rückgängig gemacht werden. Bei den Weichenstellungen auf europäischer Ebene erwarte sie sich die nötige Transparenz. Bezüglich des geplanten Misstrauensantrages sei die Position der NEOS unverändert. Es gehe jetzt nicht um Taktik, sondern um Verantwortung, so die NEOS-Chefin.

Kurz hatte eigentlich die Chefs der anderen Parlamentsparteien geladen. Gekommen war nur NEOS-Chefin Meinl-Reisinger, die übrigen Fraktionen hatten nur die "zweite Garnitur" geschickt. Die SPÖ argumentierte damit, dass Partei- und Klubchefin Pamela Rendi-Wagner schon zwei "substanzlose Scheingespräche absolviert habe".

22. Mai

Kärntner FPÖ-Chef: "Kurzsichtig gehandelt"

Der Kärntner FPÖ-Chef Gernot Darmann hat am Mittwoch das Handeln von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Zuge der Regierungskrise am Wochenende kritisiert. Das "Sprengen der Regierung ohne Not" sei verantwortungslos gewesen, sagte Darmann bei einer Pressekonferenz in Klagenfurt. Zudem schloss er aus, dass Heinz-Christian Strache (FPÖ) "jetzt eine Funktion in der Politik einnimmt".

Was die Aufnahmen aus der Villa auf Ibiza angeht, sprach Darmann gleich zu Beginn von einem "unsäglichen Video, das in Sequenzen bekannt ist, bei dem, die Aussagen betreffend, nichts zu beschönigen und nichts zu verteidigen ist". Ausführlich referierte er danach aber über die Geschehnisse vom Samstag: Mit Kurz sei vereinbart gewesen, dass Strache und Johann Gudenus (FPÖ) zurücktreten und dann Norbert Hofer (FPÖ) das Vizekanzleramt übernimmt, um dann die gleiche Regierungskonstellation fortzusetzen. "Doch dann ist die altschwarze ÖVP rund um Kurz draufgekommen, sich das immerschwarze Innenministerium zurückholen", so der Kärntner Landesparteiobmann, der Herbert Kickl (FPÖ) als "tadellosen Innenminister, der sich nichts zuschulden kommen hat lassen" bezeichnete.

Überhaupt habe Kurz die "sehr gute und motiviert arbeitende Regierung" gesprengt: "Kurz hat kurzsichtig gehandelt, zum Nachteil der Republik Österreich." Die FPÖ stehe jedenfalls geschlossen hinter Hofer als neuem Parteichef und Spitzenkandidaten. Bereits am Sonntag hatte die Bundes-FPÖ die "lückenlose, transparente Offenlegung der Parteifinanzen" beschlossen, darüber hinaus sollen externe Prüfer auch die parteinahen Vereine unter die Lupe nehmen.

Ludwig vermisst Maßnahmen von Kurz

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) wollte sich am Mittwoch noch nicht festlegen, ob die SPÖ einem Misstrauensantrag gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zustimmen wird. Er vermisse bislang aber "vertrauensbildende Maßnahmen" von Kurz, sagte Ludwig bei einer Pressekonferenz im Rahmen des Städtetages in Rust.

"In einer solchen Situation liegt es am Bundespräsidenten und am Kanzler, sicherzustellen, dass es künftig für inhaltliche und personelle Vorschläge eine Mehrheit im Nationalrat gibt", betonte Ludwig. Er erwarte sich deshalb, dass Bundeskanzler Kurz den anderen Parteien die Hand ausstrecke und vertrauensbildende Maßnahmen setze. "Die Signale an die Sozialdemokratie stimmen mich nicht optimistisch", sagte der Wiener Bürgermeister.

Kirche warnt vor Misstrauensantrag

Die römisch-katholische Bischofskonferenz hat am Mittwoch vor einem Misstrauensantrag gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gewarnt. "Die österreichische Bundesregierung steckt in einer ernsthaften Krise", heißt es in einer Erklärung. Wer dabei leichtfertig die staatlichen Institutionen schwächt, um kurzfristig politische Vorteile für sich zu erhoffen, könne dem Land schweren Schaden zufügen.

Zwar gingen Kardinal Christoph Schönborn und Salzburgs Erzbischof Franz Lackner in ihrem Brief nicht wörtlich auf den im Raum stehenden Misstrauensantrag ein. Allerdings appellierten sie an die politischen Vertreter, Gespräche über Parteigrenzen hinweg zu führen und gemeinsam zu agieren. Das Gemeinwohl und das Vertrauen in die demokratische Ordnung müssten nun vor kurzfristige Parteiinteressen gestellt werden, heißt es in der von "Kathpress" veröffentlichten Erklärung.

Fällt die Regierung, werden Beamte betraut

Sollte ein Misstrauensvotum gegen die ganze Regierung erfolgreich sein, dann müsste diese auch sofort ihre Ämter aufgeben. Der Bundespräsident hätte dann laut Verfassung die Aufgabe, sofort andere Personen mit der vorübergehenden Fortführung der Verwaltung zu betrauen. Laut Verfassungsexperte Theo Öhlinger kämen in diesem Fall nur leitende Beamte der betreffenden Ministerien infrage.

In Artikel 74, Abs. 1 der Bundesverfassung ist das Vorgehen geregelt, wie im Falle des Ausscheidens der Bundesregierung aus dem Amt grundsätzlich vorzugehen ist. Der Bundespräsident hat demnach "bis zur Bildung der neuen Bundesregierung Mitglieder der scheidenden Bundesregierung mit der Fortführung der Verwaltung und einen von ihnen mit dem Vorsitz in der einstweiligen Bundesregierung zu betrauen", heißt es darin.

Alternativ kann mit dieser Aufgabe "auch ein dem ausgeschiedenen Bundesminister beigegebener Staatssekretär oder ein leitender Beamter des betreffenden Bundesministeriums betraut werden". Laut Öhlinger käme im Falle eines erfolgreichen Misstrauensantrags gegen die ganze Regierung nur mehr die Variante der leitenden Beamten infrage.