Marcel Hirscher spricht über sein neues Leben

Ski-Ausnahmekönner Marcel Hirscher ist nach dem Ende seiner Rennläufer-Karriere nicht nur Werbestar, sondern neuerdings auch Sportartikelunternehmer. Und das mit zunehmendem Erfolg. Wohl auch dank seinem Hang zum Perfektionismus

von Marcel Hirscher spricht über sein neues Leben © Bild: ServusTV / Neumayr / Leo

Seit Marcel Hirscher vor gut zwei Jahren seine außergewöhnliche Karriere als Skirennläufer aus freien Stücken beendet hat, tritt er vor allem als Werbeträger, Hobby-Motoradsportler und TV-Präsentator in Erscheinung. Zuletzt hat er nicht nur mit der Trennung von der Mutter seiner beiden Kinder Schlagzeilen gemacht, sondern auch mit der Präsentation der eigenen Skimarke Van Deer. News hat ihn kurz vor dem Lockdown im Wiener Hotel Sacher bei einem Tourismus-Event getroffen und mit ihm über sein neues Leben gesprochen.

Herr Hirscher, Sie sind nach Ihrer äußerst erfolgreichen Rennläufer-Karriere jetzt ins Unternehmertum gewechselt und dabei mit Ihrer eigenen Ski-Marke Van Deer offenbar ähnlich erfolgreich. Stimmen Sie mir da zu?
Das wird man so erst sagen können, wenn wir ein paar Jahre etabliert sind, nicht nach einigen Monaten. Aber es ist so, dass es viel besser als jemals erwartet anläuft. Manche haben gesagt: "Deppert wirst sein und eigene Ski machen." Aber es macht sehr viel Spaß.

Bis dato haben Sie 1.500 Paar verkauft, oder sind es mehr?
Diesen Winter werden wir schon 2.000 schaffen, aber es ist keine Frage der Verkaufbarkeit, sondern der Produzierbarkeit. Ein Paar unserer Ski bleibt zum Beispiel eine halbe Stunde in der Presse, was normalerweise nicht der Fall ist. Ein herkömmlicher Ski ist in der Regel ein Industrieprodukt, bei dem die Margen stimmen müssen.

© Günter Fritz/News PERSÖNLICHER BEZUG. Der Name der Skimarke Van Deer leitet sich von den holländischen Wurzeln seiner Familie und seinem Namen ab

Wie lange dauerten die Vorarbeiten für Ihren Ski?
Ein Leben lang. Es war schon sehr oft im Kopf so gedacht. Es ist einfach sehr schön, zu sehen und mit reinem Gewissen zu sagen: Dieses Produkt passt. Das ist kein erfundenes Produkt, für das Marketing notwendig ist, sondern eines, von dem ich mit voller Überzeugung sagen kann: Es ist super.

Produziert wird Ihr Ski von der Firma Augment im Pinzgau. Warum eigentlich nicht von Ihrem ehemaligen Langzeitpartner Atomic?
Das hat mit unterschiedlichen Plänen und Herangehensweisen zu tun. Mir war es einfach wichtig, zu sagen: Wenn ich so etwas mache, dann will ich meinen Qualitätsanspruch garantieren.

Atomic ist doch wohl auch ein Qualitätshersteller ...
Absolut, aber nicht auf dieser kleinen Manufakturebene. Mit Augment machen wir wirklich Handarbeit, ähnlich wie in einer Tischlerei. Ich bin selbst sehr oft vor Ort, habe immer den Zugriff und die Kontrolle. Es geht sehr viel um Leidenschaft - und es steckt meine ganze Erfahrung in dem Ski.

»Mein Ziel ist es, mit meinem Ski zumindest ein bisschen vermitteln zu können, wie cool Skifahren sein kann«

Was kann Ihr Van Deer nun besser als andere Ski?
Für ihn werden ausschließlich Materialien verwendet - und das ist kein Scherz -, die auch im Weltcup-Ski verwendet werden. Das ist normalerweise in einem kommerziellen Produkt unmöglich. Es gibt einen Holzkern, das beste Aluminium, den besten Belag, die besten Stahlkanten. Es ist Karbon drin, es ist Glasfaser drin; es kommt auf die Kleber an. Es spielen so viele Faktoren zusammen, auch, wie viel Zeit der Mensch hat, der den Ski baut. Der bekommt so viel Zeit, wie er braucht, damit der Ski perfekt wird - ohne dass jemand mit der Stoppuhr daneben steht. Mein Ziel ist es, mit meinem Ski zumindest ein bisschen vermitteln zu können, wie cool Skifahren sein kann.

Zur Zeit erfolgt der Vertrieb in Österreich über Intersport Bründl. Wie sieht es mit den weiteren Plänen aus?
Es wird massiv in den Forecast für die kommende Saison gearbeitet. Wir wollen natürlich weiter wachsen, auch was die Länder betrifft - langsam und gesund, aber stetig. À la longue wollen wir natürlich den gesamten Skimarkt beliefern können. Die Strukturen dafür sind vorhanden

© Mihai Stetcu/Red Bull Content Pool ACTION. Das Enduro-Fahren ist ein Hobby von Marcel Hirscher. Bei der Red Bull Romaniacs in Sibiu hat er sich heuer verletzt.

Wie sieht es mit dem Rennsport aus? Man hört, Sie wollen auch in den Austria Ski Pool (Ausrüsterverein für ÖSV-Sportler, Anm.) aufgenommen werden.
Das ist in Österreich einfach schwierig, weil die Regulative hierzulande äußerst streng sind. Bis man für den Weltcup ausrüsten darf, ist es ein jahrelanger Prozess, für den es einen langen Atem braucht. Bei anderen nationalen Skiverbänden geht es wesentlich leichter. Da gibt es viele proaktive Angebote. Bei uns ist die Bereitschaft dagegen nicht so groß.

Das heißt, es wird eher ein ausländischer Sportler mit einem Van-Deer-Ski an den Start gehen als eine Österreicherin beziehungsweise ein Österreicher?
Im Ausland ist man jedenfalls schneller im Weltcup dabei als in Österreich - leider. Mein Wunsch wäre natürlich eine Österreicherin oder ein Österreicher; aber wenn das nicht geht, geht es eben nicht.

Wann wird man dann Rennläufer mit einem Van Deer am Start sehen?
In der kommenden Saison.

Und wer wird das sein?
Da gibt es einige Namen - auch durchaus prominente. Aber die sage ich nicht.

Ist Ihr Vater Ferdinand, der bei Ihrer Karriere ja mit eine entscheidende Rolle gespielt hat, auch in der Skifirma als Tippgeber noch mit dabei?
Absolut. Der war immer das Mastermind und wird es auch immer bleiben.

© mia Maria-knoll.com/Free Ride World Tour IM GELÄNDE. Freeriden ist eine Leidenschaft des ehemaligen Pisten-Skistars. Hier ist er im Outfit seiner eigenen Bekleidungslinie The Mountain Studio unterwegs. Bei dieser arbeitet mit Profis aus der Textilbranche zusammen

Sie produzieren ja außerdem noch Skibekleidung ...
Ja, die heißt The Mountain Studio. Da bin ich aber im Gegensatz zur Van Deer GmbH nur Teilhaber. Dahinter stehen Stefan Engstöm und Peter Blom, die Gründer von Peak Performance und J. Lindeberg. Die kenne ich noch aus meiner aktiven Zeit, und vor zwei Jahren haben wir begonnen, mit dem Projekt zu starten.

Klingt vielversprechend - auch mit Blick auf gescheiterte Versuche anderer ehemaliger Skistars in der Bekleidungsbranche. Das sind kompetente Partner ...
Ja, die sollten wissen, wie es geht. (Lacht.)

»Es läuft wirtschaftlich sehr, sehr cool. Und die Freude am Sport ist wieder komplett da«

Apropos kompetente Partner: Ihre Zusammenarbeit mit Atomic haben Sie ja beendet. Welche anderen Werbeaktivitäten haben Sie derzeit noch?
Ich arbeite weiter mit Red Bull zusammen - die Partnerschaft wurde zuletzt deutlich ausgebaut. Das ist das Ergebnis eines jahrelangen Prozesses und schlussendlich eine wunderbare Geschichte, die auch der Neudefinition meiner weiteren Laufbahn Rechnung trägt. Bei Raiffeisen hat es eine Umstrukturierung in der Marketingstrategie gegeben, da findet die Zusammenarbeit jetzt in einer anderen Form statt. Es gibt aber weiter gemeinsame Termine und summa summarum nach wie vor ein sehr gutes Verhältnis. Der Raiffeisen-Skitag in meinem Kalender, der wird bleiben. Eine bessere Lösung hätte es nicht geben können. Und ich bin seit Langem Markenbotschafter für Salzburger-Land Tourismus. Zusätzlich gibt es eine Zusammenarbeit mit Audi und Oakley. Es läuft wirtschaftlich wirklich sehr, sehr cool, und die Freude am Sport ist wieder komplett da. Das ist das Schöne.

Sie sind also voll im Unternehmertum angekommen. Eigentlich überraschend.
Ja, ich muss was tun. Mir ist sonst fad. Ich brauche eine Herausforderung, eine Aufgabe, die mir Spaß und Freude macht.

Arbeiten sie jetzt eigentlich mehr als in Ihrer Zeit als Skirennläufer?
Nein, viel weniger. Das ist keine Arbeit im Vergleich zu früher. Wenn ich heute einmal schlecht geschlafen habe, kann ich sagen, ich komme zwei Stunden später ins Büro. Im Skirennsport gibt es keine Entschuldigung.

© Markus Berger for Wings for Life World Run AKTIVITÄT. Leistungssport ist für Marcel Hirscher abgehakt, er hält sich aber weiter fit. Neben Skifahren u.a. mit Laufen und Bewegung in der Natur. Ein Comeback war für ihn nie ein Thema

Es tut Ihnen also nicht leid, dass Sie aufgehört haben?
Ich bereue keine Sekunde, dass ich aufgehört habe. Ein Comeback war und ist undenkbar.

Wie zufrieden sind Sie mit den heimischen Skisportlern? Nach Ihrem Rückzug gab es bei den Männern speziell in den technischen Disziplinen ja ein großes Loch. Schaut es jetzt wieder besser aus?
Ja. Die Beurteilung von außen ist aber immer sehr schwierig. Die Leistungen sind ansprechend, insgesamt geht es wieder aufwärts, in allen Disziplinen ist wahnsinnig viel vorhanden. Österreich kann heuer absolut schon wieder einen Gesamtweltcupsieger haben.

Und wohin geht die Ski-Technik? Hat sich die inzwischen bereits verändert?
Die geht mehr in meine Richtung. (Lacht.) Mehr Brutalität, das merkt man schon.

Das ist sozusagen Ihr Erbe?
Ja; und die Materialschlacht wird noch heftiger.

Und wie geht es Ihnen privat nach der Trennung von Ihrer Frau und Mutter Ihrer beiden Kinder?
Privates bleibt privat. Wir haben jedenfalls nach wie vor ein sehr gutes Verhältnis. Das Wichtigste ist die Elternschaft, und die ist sehr, sehr gut.

ZUR PERSON

Marcel Hirscher, 32, hat als Skirennläufer Geschichte geschrieben. Spezialisiert auf die Disziplinen Slalom und Riesenslalom, hat der gebürtige Salzburger als Erster acht Mal in Folge den Gesamtweltcup gewonnen. Zudem ist er zweifacher Olympiasieger, siebenfacher Weltmeister und Gewinner von 67 Weltcuprennen. 2019 trat er zurück. Heuer im Sommer wurde die Trennung von seiner Frau, der Mutter seiner beiden Kinder, bekannt. Nachdem er fast 20 Jahre eng mit Atomic zusammengearbeitet hatte, präsentierte Hirscher Ende September seine eigene Skimarke. An der dahinter stehenden Van Deer GmbH hält er 66,67 Prozent. Die restlichen 33,33 Prozent gehören Marie-Luise Schrempf und Dominic Tritscher. Letzterer ist auch Hirschers PR-Manager und Van-Deer-Geschäftsführer.

Das Interview ist ursprünglich in der Printausgabe von News Nr. 47/2021 erschienen.