Liebe mit Nebenwirkungen

Marlies und René lassen es zwei Jahre lang an privaten Pärchenabenden so richtig krachen. Nach fast 25 Jahren Missionarsstellung hat zuerst er, dann sie den Sex mit völlig Fremden für sich entdeckt.

von Dr. Monika Wogrolly © Bild: Matt Observe/News

In Arbeitspausen grast Marlies lange Zeit völlig sorglos einschlägige Internetplattformen auf mögliche Sexpartnerschaften fürs Wochenende ab. Bei ihrer Gynäkologin scheint ihr frivoles Liebesleben dann jäh beendet. René zieht nach. Was bei ihr nach Abbruch für immer klingt, ist bei ihm nur eine notgedrungene Swingerpause. Warum Marlies und René dann unter Sexverbot stehen, hat jedoch ganz andere als moralische Gründe. Was die wenigsten wissen: Mehr als zwei Drittel aller Männer und Frauen infizieren sich mindestens einmal in ihrem Leben mit Humanen Papillomaviren. Und das muss nicht über Geschlechtsverkehr geschehen. Es reicht mithin schon der Kontakt mit Körpersekreten. Normaler Weise verläuft ein Infekt ohne Symptome und vergeht unbemerkt von selbst. Anders bei Marlies und René: Bei ihm treten Hautveränderungen im Analbereich auf. Sie hat Hautveränderungen im Bereich der Vulva. Das können Krebsvorstufen sein, die bei ihm operativ entfernt werden. Eine insgesamt schmerzhafte Erfahrung, da sich die Geschwülste nach dem Eingriff nachbilden. Seit einigen Jahren gibt es die HPV-Impfung, die vor einer Infektion mit einigen HP-Viren schützt.

Der Facharzt für Gynäkologie Edgar Petru klärt über die häufigsten Fehlannahmen auf: "Eine HPV-Infektion bedeutet nicht, automatisch an Krebs zu erkranken. HPV ist nur eine Virengruppe, die zur Bildung von krebserregenden Zellen führen kann." Der Experte weiter: "Wir Menschen leben mit dem HP-Virus. Das menschliche Immunsystem kann es durch seine Anpassungsleistung meist selbst und ohne medizinische Behandlung bewältigen." In chronischen Fällen können sich mithin Feigwarzen im Genitalbereich bilden: bei Frauen an Vagina, Schamlippen oder Gebärmutterhals, bei Männern am Penis oder am After. Diese kleinen Hautveränderungen werden meist nur zufällig entdeckt. Derzeit sind über hundert verschiedene HPV-Typen bekannt. Universitätsprofessor Petru: "HP-Viren unterteilt man in sogenannte Low-Risk-und High-Risk-Typen."

Die Low-Risk-Typen können zur Bildung von Genital-oder Feigwarzen oder einer geringfügigen Zellveränderung führen; diese sind zwar unangenehm, aber ungefährlich. Die High-Risk-Typen können im Einzelfall zu Gebärmutterhalskrebs und seinen Vorstufen führen. Die meisten Infektionen mit High-Risk-Typen heilen von selbst aus. Kondome schützen nur zum Teil vor einer Ansteckung mit HPV. der Gebrauch ist zu empfehlen, aber kein hundertprozentiger Schutz. Von der Österreichischen Krebshilfe wird empfohlen, sowohl Mädchen als auch Buben vor Aufnahme der ersten sexuellen Aktivität impfen zu lassen, also im Alter zwischen neun und 21 Jahren. Grundsätzlich ist die Impfung aber für alle Altersklassen möglich. Dr. Petru kennt Studiendaten bis zum 45. Lebensjahr: "Der Schutz liegt selbst im 45. Lebensjahr bei ca. 80 Prozent." Gibt es Nebenwirkungen? Edgar Petru: "Wie bei jeder Impfung müssen Rötung der Haut und leichte Schmerzen an der Einstichstelle einkalkuliert werden. Selten sind Fieber, Gelenksschmerzen bzw. leichte grippeartige Symptome."

Marlies und René haben nichts von einer Ansteckungsgefahr bei Partnerwechsel gewusst. Beide sind überzeugt, sich beim Sex mit Unbekannten infiziert zu haben. Für eine Infektion kann auch schon Schleimhautkontakt ausreichen. Daher besser geschützt als gesundheitlichen Risiken ausgesetzt und im schlimmsten Fall nicht nur einer unfreiwilligen Sexpause unterworfen, sondern ernsthaft krank.

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