"Mein Kind macht sich ständig Sorgen" - Was Eltern tun sollen

Psychologe erklärt, woher die Ängste kommen und wie Eltern ihr Kind am besten unterstützen

Es gibt Kinder, die jeden Tag unbeschwert und mit einem Lächeln in den Tag starten. Und dann gibt es Kinder, die machen sich (zu) viele Gedanken, grübeln viel und machen sich ständig Sorgen. Das stellt Eltern vor eine große Herausforderung. Der klinische Psychologe und Diplom-Pädagoge Mag. Johannes Achammer erklärt, woher dieses Verhalten kommt und wie man am besten damit umgeht.

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1. Warum macht sich mein Kind ständig Sorgen?

Was ist, wenn die Tür zur Schule schon zu ist? Was ist wenn die Lehrerin krankt ist und eine andere kommt? Was ist, wenn Du nicht zu Hause bist, wenn ich komme? Manche Kinder machen sich schon über die kleinsten Herausforderungen des Alltags viele Gedanken und grübeln zu viel. Zumindest aus Erwachsenensicht. Hängt dieses Verhalten mit ausgeprägte Phantasie und Vorstellungskraft zusammen oder liegt es in den Genen?

Die Antwort lautet:Weder noch. "So etwas ist nicht vererbbar, es wird anerzogen. Die Eltern sind die primären Vorbilder für ihr Kind", sagt klinische Psychologe und Diplom-Pädagoge Johannes Achammer. Das Verhalten seien Lernerfahrungen von den ersten Bezugspersonen. "Habe ich eine ängstliche Mutter, bin ich selber auch ängstlich." Interessant:In der Psychologie unterscheidet man zwischen "grübeln" (bezieht sich auf die Vergangenheit) und sich sorgen machen (bezieht sich auf die Zukunft).

2. Was können Eltern tun, um ihr Kind zu unterstützen?

Egal wie unrealistisch und unwichtig uns Erwachsenen, die Situation erscheint, die einem Kind Unbehagen bereitet, die wichtigste Regel lautet: Eltern sollen die Ängste ihrer Kinder auf jeden Fall ernst nehmen! Sätze wie "Das ist doch alles kein Problem", "Es gibt doch keine Monster", "Ich habe ja auch keine Angst im Dunkeln" machen nicht viel Sinn. Denn diese Argumentation findet auf der Realitätsebene eines Erwachsenen statt und überfordert Kinder schlicht.

»Je kleiner ein Kind ist, desto spielerischer sollte die Erklärung sein«


Stattdessen sollten sich Eltern auf die Stufe des Kindes begeben. "Je kleiner ein Kind ist, desto spielerischer sollte die Erklärung sein", sagt der Experte. Mit spielerisch sei gemeint, Kinder ihre Sorgen etwa in einer Zeichnung ausdrücken zu lassen. Zum Beispiel wenn es um den Schulweg geht. Hier kann man die Gefahrensituationen einzeichnen und gleichzeitig darüber sprechen und kindgerecht nachfragen. Wovor fürchtest du dich? Was an dieser Situation findest du schlimm?

Ein kindgerechtes Gespräch könnte so ablaufen:

Kind: "Ich habe Angst vor den großen Autos."
Mama: "Meinst du die LKWs?"
Kind: "Ja."
Mama: "Wenn so ein Fahrzeug kommt, dann gehe auf dem Gehsteig zwei Schritte zurück, dann können dir auch die großen Autos nicht tun." Laut Psychologe wäre dies ein Gespräch auf Augenhöhe des Kindes. Wichtig:Geduldig bleiben! Es ist ein längerer Prozess bis Eltern wirklich auf Augenhöhe mit ihrem Kind kommunizieren lernen.

4. Wie normal ist es, dass Kinder Angst bekommen?

Ängste gehören zum Kindsein dazu. Mit sieben, acht Monaten haben alle Kinder erste Trennungsängste, das so genannte Fremdeln. Das sei sogar evolutionsbiologisch erklärbar: Durch diese Angst werden Kinder im Krabbelalter ein Stück in ihren Erkundungen gebremst, damit sie nicht zu weit von den Eltern weggehen. Typische Ängste für die Kleinkindalter-Gruppe sind zum Beispiel Angst vor lauten Geräuschen, vor Unwetter, vor Dunkelheit, vor Tieren. Viele Ängste sind der Beginn einer neuen Entwicklungsstufe und verlieren sich mit der Zeit. Aber nicht alle. Manche Ängste können sich auch zur manifesten Angsterkrankung auswachsen.

5. Welche Art von Ängsten ist alarmierend?

Eltern sollten dann aufhorchen, wenn sie merken, dass die Ängste das Leben des Kindes dominieren. Wenn es dadurch in seiner Entwicklung eingeschränkt ist und nicht mehr das macht, was andere Kinder machen. "Kindliche Ängste und Depressionen äußern sich immer wenn ein Kind entweder ganz ruhig oder ganz hyperaktiv wird. Das sind Warnsignale", bestätigt Achammer.

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6. Wann sollten sich Eltern professionelle Hilfe holen?


Wenn Eltern das Gefühl haben ihr Kind nicht mehr wieder zu erkennen, dann sollten die Alarmglocken schrillen. Auch wenn eine Angst anhält und das Kind in der Gedankenschleife feststeckt, dann sollte man sich professionelle Hilfe holen. Mit Unterstützung eines Psychologen kann der innere Konflikt des Kindes aufgearbeitet werden. Ernüchternde, aber sehr ehrliche Worte, spricht Psychologe Achammer im Gespräch mit "news.at" aus: "Es liegt meistens nicht an den Kindern, die Hauptarbeit habe ich mit den Eltern."

7. Angststörung und Hochbegabung - besteht ein Zusammenhang?

Manche Eltern orten in der zögerlichen und vorausdenkenden Art ihres Kindes eine versteckte Hochbegabung. Was ist dran an dieser Theorie?
"Es ist nicht wissenschaftlich belegt, dass hochbegabte Kinder mehr grübeln oder sich mehr Sorgen machen", weiß der Experte. Wenn Eltern vermuten, dass ihr Kind hochbegabt ist, sei es meist eine reine Wunschvorstellung.

» Bei Intelligenzdiagnostik geht es nicht nur um den IQ«

Häufig handle es sich um ein sogenannte "Inselbegabung", was einer außergewöhnlichen Begabung in einem speziellen Teilbereich entspricht. Wer sein Kind tatsächlich testen möchte, kann ab einem Alter von sechs Jahren eine Intelligenzdiagnostik-Test bei einem klinischen Psychologen durchführen lassen. Hierbei werde nicht nur Wissen, sondern auch sozialer Umgang abgefragt. Die Daten zeigen alle Stärken und Schwächen in verschiedenen Kategorien. "Da geht es nicht nur um IQ", erklärt Achammer.

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8. Mehr Leichtigkeit ins Leben des Kindes bringen

Kinder die zu verkopft sind und ständig grübeln, stürzen sich nicht so furchtlos und unbeschwert ins Leben wie andere. Doch Eltern können mit dem richtigen Verhalten dazu beitragen, dass jene Kinder mehr Leichtigkeit verspüren und sich weniger Sorgen machen. So funktioniert es:

- Kinder und ihre Sorgen immer Ernst nehmen
- Auf Augenhöhe kommunizieren
- Qualitativ gute Zeit mit dem Kind verbringen (Gemeint ist damit nicht, das Kind rund um die Uhr zu bespaßen, sondern einfach nur da sein, wenn man gebraucht wird. Auch Augenkontakt sei wichtig - in Zeiten von Smartphones für manche Eltern durchaus eine Herausforderung.)
- Gemeinsam raus in die Natur gehen
- Gemeinsames Spielen und Spaß haben
- Unbedingt Hausverstand & umgekehrte Psychologie anwenden (Das Kind hat Angst und will nicht ins Wasser? Beim nächsten Schwimmbadbesuch einfach mal sagen: "Du darfst nicht ins Wasser, das ist zu gefährlich, bleib lieber draußen, esse deine Süßigkeiten und warte auf mich." Als Elternteil muss man sehr reflektiert sein und manchmal Dinge umkehren, um ans Ziel zu kommen.

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Zur Person:
Mag. Johannes Achammer ist Klinischer Psychologe und ausgebildeter Diplom-Pädagoge. Am Vormittag arbeitet er als Lehrer, am Nachmittag als Psychologe und verbindet so zwei Welten. Gemeinsam mit der Klinische und Gesundheits- Psychologin Mag. Marcella Stolz führt er eine psychologische Praxis in Innbruck. Zudem engagiert Achammer sich als Notfallpsychologie in besonderen Krisensituationen.