Ein niedriges KGV allein macht noch keine gute Aktie: Warum echte Unternehmensqualität Zeit braucht, was Value-Fallen sind und weshalb langfristiger Erfolg an der Börse mehr mit Ausdauer als mit Timing zu tun hat, erklärt Wolfgang Fickus, Produktspezialist für Europa-Aktien bei Comgest.
Zwischen Preis und Wert: Warum Schnäppchenjagd an der Börse trügen kann
In Zeiten volatiler Märkte neigen Anleger dazu, nach Orientierung zu suchen – und landen dabei oft beim altbewährten Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV). Doch genau dieser Fokus kann in die Irre führen. Denn was oberflächlich günstig erscheint, birgt unter der Oberfläche häufig mehr Risiko als Potenzial. Wolfgang Fickus, Produktspezialist für Europa-Aktien beim Vermögensverwalter Comgest, bringt es auf den Punkt: „Ein niedriges KGV ist kein Garant für Wert – sondern meist nur ein Blick auf den Preis von heute.“
Bewertung ist nicht gleich Unternehmenswert
Tatsächlich basieren viele Bewertungsmodelle auf kurzfristigen Erwartungen. Das KGV etwa kalkuliert mit den prognostizierten Gewinnen der nächsten zwölf Monate – eine äußerst fragile Messlatte in wirtschaftlich unsicheren Zeiten. „Ein Unternehmen, das operativ an Dynamik verliert, kann trotz niedrigem KGV zur sogenannten Value-Falle werden“, warnt Fickus. Entscheidend sei nicht, wie günstig eine Aktie scheint, sondern wie nachhaltig ihr Geschäftsmodell trägt.
Qualität hat Substanz – und ihren Preis
Bei Comgest orientiert man sich nicht am schnellen Auf und Ab, sondern am langfristigen Potenzial. Investiert wird in Unternehmen mit stabilen Erträgen, hohen Kapitalrenditen und robuster Marktstellung – etwa Schneider Electric oder Belimo. Der französische Technologiekonzern profitiert vom weltweiten Trend zur Dekarbonisierung, Digitalisierung und Automatisierung. Mit 36 Milliarden Euro Umsatz und einer operativen Marge von 17 Prozent ist Schneider Electric nicht nur ein Schwergewicht, sondern auch ein Vorreiter in puncto Energieeffizienz.
Ähnlich solide zeigt sich Belimo aus der Schweiz. Der Spezialist für HLK-Systeme (Heizung, Lüftung, Klimatisierung) wächst mit bemerkenswerter Konstanz – zuletzt weit über dem langfristigen Schnitt. Eine Eigenkapitalquote von über 70 Prozent und organisches Umsatzwachstum machen das Unternehmen zu einem Paradebeispiel für langfristige Wertschöpfung abseits der Börsenschlagzeilen.
Wert entsteht nicht über Nacht
Fickus spricht aus Erfahrung, wenn er sagt: „In einem stimmungsgetriebenen Marktumfeld setzen sich langfristig nur robuste Geschäftsmodelle durch.“ Für Comgest ist ein Bewertungsaufschlag gegenüber dem breiten Markt kein Nachteil, sondern Ausdruck von Qualität. Während der europäische Leitindex MSCI Europe im Schnitt mit dem 13-Fachen der erwarteten Gewinne bewertet ist, liegt das Multiple im Comgest Growth Europe Compounders Portfolio bei rund 25 – mit gutem Grund.
Fazit: Zeit, nicht Timing
Wer langfristig erfolgreich investieren will, braucht mehr als ein gutes Gespür für vermeintliche Börsenschnäppchen. Er braucht Substanz, Weitblick – und ein solides Verständnis dafür, dass Wert nicht im Kurs, sondern im Geschäftsmodell steckt. Oder, wie Fickus es zusammenfasst: „Wert entsteht über Zeit, nicht über Timing.“