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Putins Abwesenheit dämpfte die Erwartungen auf einen größeren Durchbruch zu einer Waffenruhe im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Die direkten Gespräche in Istanbul hatte Putin selbst vorgeschlagen - als Antwort auf die Forderung Selenskyjs nach einer bedingungslosen Waffenruhe, die am Montag hätte beginnen sollen.
Selenskyj kritisierte die von Russland entsandte Delegation: "Das Niveau der russischen Delegation ist ein regelrechtes Täuschungsmanöver", sagte er der staatlichen türkischen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge vor einem Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Ankara.
Das brachte im postwendend Beschimpfungen aus Moskau ein: Die Sprecherin des russischen Außenministeriums nannte ihn "Clown" und "Versager", der Der russische Außenminister Sergej Lawrow nannte Selenskyjs Forderung nach Putins Anwesenheit in Istanbul "erbärmlich".
Putin hat jedenfalls derzeit nicht die Absicht nach Istanbul zu reisen, wie der Kreml in Moskau erklärt. Kremlsprecher Dmitri Peskow antwortete auf die Frage, ob Putin nach Istanbul reisen würde, falls US-Präsident Donald Trump das täte, dass es derzeit keine solchen Pläne gebe.
Ukrainischen Regierungskreisen zufolge wollte Selenskyj nach dem Treffen mit Erdogan entscheiden, wie es mit den in Istanbul geplanten Gesprächen mit russischen Vertretern weitergeht. Selenskyj bezeichnete die russische Delegation für die Gespräche in Istanbul als "dekorativ". Der ukrainische Präsident hatte zuvor betont, er sei nicht bereit, mit jemandem von russischer Seite außer Putin zu sprechen. Erdoğan seinerseits urgierte nach Angaben seines Büros einen Waffenstillstand und unverzügliche Friedensgespräche.
Für die Verhandlungen über ein Ende des Ukraine-Kriegs war die russische Delegation am Donnerstag in der Früh in der türkischen Millionenmetropole Istanbul angekommen, berichtete die russische Nachrichtenagentur Interfax. Erst in der Nacht auf Donnerstag wurde bekannt, dass Wladimir Medinski die Delegation leiten wird. Dieser ist als Berater Putins und ehemaliger Kulturminister politisch eher ein Leichtgewicht in Moskau. Er leitete bereits 2022 das bisher letzte direkte Treffen zwischen russischen und ukrainischen Unterhändlern - das kein Ergebnis brachte. Außerdem sind Vize-Außenminister Michail Galusin, der General Igor Kostjukow vom russischen Generalstab und der Vize-Verteidigungsminister Alexander Fomin Teil der russischen Delegation, meldete die staatliche russische Nachrichtenagentur TASS.
Das Treffen finde hinter verschlossenen Türen statt, die Presse habe keinen Zugang, berichtete TASS unter Berufung auf eine mit den Verhandlungen vertraute Person. Als Ort sei der Dolmabahçe-Palast ausgewählt worden. "Die russisch-ukrainischen Verhandlungen wurden auf Initiative der türkischen Seite auf die zweite Tageshälfte verlegt", sagte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa. Genauere Angaben machte sie nicht. Aus dem türkischen Außenministerium hieß es jedoch, es sei noch keine Uhrzeit für das Treffen festgesetzt. Zuvor hatten einzelne Medien berichtet, dass das Treffen um 10.00 Uhr Ortszeit (09.00 Uhr MESZ) beginnen solle.
US-Präsident Donald Trump schließt eine Teilnahme an den Gesprächen zwischen der Ukraine und Russland in der Türkei nicht vollkommen aus. "Falls etwas passieren sollte, würde ich am Freitag hinfahren, wenn es angemessen wäre", sagte Trump bei einem Besuch in Katars Hauptstadt Doha. Er hoffe, dass Russland und die Ukraine etwas erreichen können. "Es muss aufhören." Trump, der sich auf einer Nahost-Reise befindet, hatte erklärt, dass er auch zu den Gesprächen zwischen der Ukraine und Russland reisen könnte, wenn auch Putin komme. Nach der Absage Putins hatte es aber in US-Regierungskreisen geheißen, dass auch Trump nun nicht mehr dazukommen werde.
Trump ist nach Aussagen von US-Außenminister Marco Rubio für jeden Mechanismus offen, der zu einem gerechten Frieden zwischen der Ukraine und Russland führen würde. Die USA wollten in den nächsten Tagen Fortschritte sehen, sagte Rubio vor einem informellen Treffen der NATO-Außenminister in Antalya. Eine militärische Lösung für den Konflikt gebe es nicht. Rubio hatte am Mittwoch seinen ukrainischen Kollegen Andrij Sybiha getroffen. Er habe Rubio die "Friedensvision" Selenskyjs erläutert, teilte Sybiha am Mittwochabend mit. Es sei wichtig, "dass Russland die konstruktiven Schritte der Ukraine erwidert". Moskau müsse begreifen, "dass die Ablehnung des Friedens einen hohen Preis hat", fügte Sybiha hinzu. Er traf am Donnerstag in Ankara ein.
NATO-Generalsekretär Mark Rutte zeigte sich im Vorfeld der Gespräche vorsichtig optimistisch. Der nächste Schritt in einem möglichen Friedensprozess muss laut Rutte von Russland kommen. Die Ukraine sei eindeutig zu einem Waffenstillstand und sofortigen Gesprächen bereit, sagte Rutte vor dem Treffen der NATO-Außenministerinnen und -minister in Antalya. "Es liegt nun an den Russen, sicherzustellen, dass sie die nächsten notwendigen Schritte unternehmen."
Estland bezeichnete Putins Entscheidung, ein Team mit Vertretern der dritten Reihe zu entsenden, als "Ohrfeige". Ein Insider, der auf ukrainischer Seite bereits an den Gesprächen mit Russland im März 2022 in Istanbul beteiligt war, sagte, Medinski habe auch damals das russische Team geleitet und habe kein Mandat für Entscheidungen. "Der wichtigste Punkt ist, dass die Personen, die tatsächlich am Tisch sitzen werden, nicht unbedingt die Hauptakteure sind."
Russland und die Ukraine führten zuletzt im März 2022 direkte Gespräche in Istanbul, nur wenige Wochen nach Beginn der russischen Vollinvasion im Februar. Die russischen Streitkräfte kontrollieren mittlerweile fast ein Fünftel der Ukraine. Am Donnerstag meldeten sie die Einnahme der Siedlung Nowooleksandriwka in der Ostukraine. Putin hält nach wie vor an seinen langjährigen Forderungen fest: Die Ukraine solle Gebiete abtreten, ihre NATO-Ambitionen aufgeben und ein neutrales Land werden. Die Ukraine lehnt diese Bedingungen als gleichbedeutend mit Kapitulation ab und sucht Garantien für ihre künftige Sicherheit insbesondere von den USA. Selenskyj befürwortet einen sofortigen 30-tägigen Waffenstillstand. Putin hat erklärt, er wolle zunächst Gespräche beginnen, bei denen die Details eines solchen Waffenstillstands erörtert werden sollten.
Turkish security personnel stand alert at the entrance to Dolmabahce Palace in Istanbul, May 15, 2025, where direct talks between Russian and Ukrainian delegations are expected to take place. Russia and Ukraine traded insults as negotiators were due to meet in Turkey for the first direct peace talks in more than three years. (Photo by Yasin AKGUL / AFP)