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Neues Tool für Ärzte gegen Versorgungsmangel bei ME/CFS

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5 min
In Österreich sind 70.000 bis 80.000 Personen von ME/CFS betroffen
©AFP, APA
Mit einem neuen Diagnostik- und Therapie-Leitfaden soll dem Versorgungsmangel von Betroffenen der Multisystemerkrankung ME/CFS entgegengewirkt werden. Da spezialisierte Behandlungsstellen weiter auf sich warten lassen, hat die Leiterin des Referenzzentrums für postvirale Syndrome an der MedUni Wien einen kompakten Diagnostik- und Ersttherapie-Algorithmus für ME/CFS veröffentlicht, der vor allem für die Basisversorgung auf Haus- und Facharztebene gedacht ist.

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Der straffe Leitfaden der ME/CFS-Expertin Kathryn Hoffmann, die an der Medizinischen Universität Wien am Zentrum für Public Health auch die Abteilung für Primary Care Medicine leitet, ist auf der Webseite der Abteilung abrufbar (unter https://go.apa.at/uwGC5cf8). Neben einer kompakten Einleitung zum Krankheitsbild ist auch eine Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Diagnose-Erstellung enthalten, die für Gesundheitsdienstleister in der Basisversorgung eine konkrete Handlungsanleitung darstellen soll. Ebenso findet sich ein kompaktes Therapieschema.

Abgehandelt wird auch die Frage des Schweregrades, die zur Einschätzung des Schweregrades etwa für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit, Rehabilitationsfähigkeit, Reha-Geld (bzw. Invaliditätspension oder Berufsunfähigkeitspension) nötig ist. Relevant ist dies u.a. auch für die Einschätzung des Pflegegrades, der Organisation von Hausbesuchen, telemedizinischer Angebote und sonstiger sozialer Unterstützung. Dass Patienten mit ME/CFS und Post Covid bei der sozialen Versorgung auf große Probleme, Nicht-Anerkennung ihrer Erkrankung und Versorgungslücken stoßen, hat erst im Mai eine gemeinsame Recherche von APA, ORF und der Rechercheplattform Dossier gezeigt. Dies betrifft etwa die Gewährung von Berufsunfähigkeits-/Invaliditätspension bzw. Rehageld sowie Pflegegeld durch die Pensionsversicherungsanstalt (PVA).

Der neue Leitfaden ist auf die schwere Multisystemerkrankung ME/CFS ausgelegt, die vor allem nach viralen oder bakteriellen Infektionen auftritt, in seltenen Fällen auch durch andere Trigger wie Operationen oder Traumata an Hals oder Kopf oder toxische Belastungen. Aber auch andere postvirale Erkrankungen, die nicht das Vollbild von ME/CFS aufweisen, aber dennoch mit massiven gesundheitlichen Einschränkungen einhergehen, können mit dem Leitfaden erfasst werden.

"Denn die Kanadischen Konsensuskriterien zu ME/CFS, mittels welcher ME/CFS im europäischen Raum korrekt diagnostiziert werden muss und nach denen der Leitfaden auch aufgebaut ist, umfassen - grob gesagt - auch alle anderen häufigen postakuten Infektionssyndrome (PAIS)", sagt Hoffmann. Diese können laut der Medizinerin einzeln oder in Kombinationen auftreten - "ohne dass gleich sieben der acht Kriterien gemeinsam auftreten müssen wie bei ME/CFS".

Beispielsweise könne eine autonome orthostatische Dysfunktion (Kreislauf-Störungen, die mit diversen Symptomen einhergehen kann, Anm.) mit einer chronischen Fatigue auch als "Einzelsymptome" auftreten, so Hoffmann. In diesem Fall könne einfach nur den positiven Algorithmuspunkten des Leitfadens gefolgt werden. "Korrekte Leitfäden für ME/CFS sind daher auch immer nützlich für PAIS-Betroffene." Umgekehrt - "wenn der Fokus nur auf einzelnen PAIS liegt" - würden ME/CFS-Betroffene aber meist nicht berücksichtigt werden, weil Kriterien fehlen", so die Expertin. "Daher ist mein Ansatz mich in den Leitfäden oder auch Anleitungen zu Behandlungsstrukturen auf ME/CFS zu fokussieren."

Sie hoffe sehr, "dass dieser Algorithmus den betroffenen Menschen hilft, zumindest Zugang zu einer strukturierten Basisdiagnostik und ersten Behandlungsschritten zu bekommen", sagte Hoffmann. "Für viele ist das derzeit die einzige realistische Chance auf Hilfe - denn spezialisierte Behandlungsstellen lassen weiterhin auf sich warten, auch wenn in einzelnen Bundesländern erste Schritte gesetzt werden." Umso wichtiger sei es zusätzlich, dass Hausärzte und Hausärztinnen und andere Behandelnde in diesem oft noch ungewohnten Feld nicht allein gelassen werden, sondern durch klare Strukturen unterstützt werden. "Der Aufbau spezialisierter Angebote bleibt natürlich ein vordringliches Ziel - aber bis dahin darf niemand ohne Versorgung bleiben."

Von der Krankheit ME/CFS sind in Österreich laut Schätzungen der MedUni Wien rund 70.000 bis 80.000 Personen betroffen (abgeleitet aus internationalen Daten), ca. 20 Prozent davon sind schwer oder sehr schwer betroffen. Dabei sind freilich nur jene gemeint, die unter die Kategorie ME/CFS fallen (und damit das Kardinalsymptom PEM aufweisen). Andere von Post-Covid- oder PAIS-Betroffene, die nicht die ME/CFS-Kriterien mit PEM erfüllen, fallen nicht in diese Zählung hinein, die Zahlen dürften daher noch höher sein. Zum Vergleich: Von den deutlich bekannteren Krankheiten wie Multiple Sklerose oder Parkinson sind laut deren Patientenorganisationen in Österreich ca. 13.500 bzw. mindestens 25.000 Personen betroffen.

WIEN - ÖSTERREICH: FOTO: APA/APA/AFP

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