Kein Lächeln, kein Fehler, kein Zufall: Wer bei Wimbledon Ball Boy oder Ball Girl werden will, durchläuft ein monatelanges Auswahlverfahren mit militärischer Präzision. Nur die Besten schaffen es aufs heilige Rasenviereck – für 200 Pfund und einen Platz in der Tennisgeschichte.
Ich beobachtete sie letztes Wochenende in Wimbledon. Sechs betreten in einer Reihe hintereinander in dunkelblau gestreiften Uniformen vor den Spielern das Spielfeld. Zwei lauern beim Netz auf dem Knie, beide Hände im Rasen wie 100-Meter-Läufer, stürmen los, wenn ein Ball im Netz oder Spielfeld landet. Die anderen stehen aufrecht in den vier Ecken des Spielfelds, die Arme am Rücken verschränkt, oder den Arm gestreckt hebend, in der Hand einen Ball, warten auf ein Zeichen des Spielers, der Spielerin und werfen den Ball zu. Der Ball sollte etwa einen Meter vor ihnen aufspringen, damit er leicht aufgefangen werden kann. Das Gesicht ernst, kein Lächeln, kein Wort, egal, was passiert.
Sie gelten als die besten Ball Boys und Girls der Welt. Ihre Vorbereitung in Bewegung, Balltechnik, Haltung, Gesichtsausdruck und Know-how der Tennisregeln verleiht ihnen die elitäre Identität der Wimbledon BBGs (Ball Boys and Girls).
1.000 Bewerberinnen und Bewerber
Für Wimbledon 2025 meldeten sich etwa 1.000 Bewerberinnen und Bewerber am 13. und 14. Januar beim All England Lawn Tennis Club. Mindestalter ist 14 Jahre. Wimbledon veröffentlicht eine Liste von High Schools. Nur Mädchen und Buben dieser Schulen dürfen sich melden. 750 werden für die Ausbildung angenommen. 250 zwei Wochen vor Beginn der Spiele ausgewählt, 170 neue Bewerber, 80 vom letzten Jahr.
Fünf Monate dauert die Vorbereitung mit Starten, Laufen, Bälle fangen, rollen und werfen, sie am Rücken halten – maximal drei – den Spielern zuwerfen und sie blitzschnell einsammeln, wenn Spieler sie fallen lassen – und die Regeln des Spiels. Oft sind es Kleinigkeiten, die den Unterschied machen. Ein Zuspätkommen, ein Vergessen der Ausrüstung, während des Trainings Kaugummi kauen, oder das Mobiltelefon beantworten. Kein Fehler wird verziehen.
Wichtig ist die Zusammenarbeit mit dem ‚Chair Umpire‘, dem Haupt-Schiedsrichter auf dem erhöhten Stuhl. Es müssen genügend Bälle auf dem Spielfeld sein. Fehlt einer, informieren die BBGs sofort den Chair Umpire. Endet das Spiel, sammeln die BBGs die Bälle ein und übergeben sie dem Schiedsrichter.
Goldene Regeln
Ein paar ‚Goldene Regeln‘: Niemals einen Ball zu anderen BBGs zwischen 1. und 2. Service rollen. Alle Bälle müssen auf der Seite sein, von der aus serviert wird. Niemals einen Ball bewegen während des Spiels. Tie-Breaks sind die größte Herausforderung, da nach kurzer Zeit Service und Seite gewechselt wird. Bei dem Kommando ‚Ball-Change‘ werden die alten Bälle zu den BBGs am Netz gerollt, diese verstauen sie und bringen neue Bälle ins Spiel. Eine Stunde wird gearbeitet, eine Stunde Pause.
Als Princess Kate als Einlage für das Publikum sich als Ball Girl für Roger Federer zur Verfügung stellte, machte sie einen unverzeihlichen Fehler. Sie fing einen Ball mit einer Hand aus der Luft. A perfect catch lobte sie Federer, ermahnte sie jedoch, dass dies in Wimbledon nicht erlaubt sei. BBGs sollten den Ball auf dem Boden zumindest einmal aufprallen lassen, bevor sie ihn fangen. Lohn für monatelange Vorbereitung und zwei Wochen Arbeit: 200 British Pound.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 28+29/25 erschienen.