Ibiza-Ausschuss: "Kurz ist sicherlich eine ganz zentrale Figur"

Warum die Befragung des Kanzlers spannend wird - und was der U-Ausschuss bringen kann

Der Ibiza-Untersuchungsausschuss ist gestartet, die Wogen gehen bereits hoch, auch wenn sich bislang noch viel um Randthemen drehte. Welche Macht könnte dieser Ausschuss noch bekommen, was für Konsequenzen könnte es geben – und was kann man sich von der Befragung des Kanzlers Sebastian Kurz nächste Woche erwarten? Katrin Praprotnik, Politikwissenschaftlerin der Donau Universität Krems und Projektleiterin des Austrian Democracy Lab gibt Auskunft.

von Sebastian Kurz © Bild: Getty/Gallup

Vor zwei Wochen ist der Ibiza-Untersuchungsausschuss gestartet. Was war die bisher überraschendste Wendung, falls es so etwas schon gab?
Überraschend war und ist die geplante Übermittlung des Videos an den Ausschuss. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gab an, von der Beschlagnahmung des Videos aus den Medien erfahren zu haben, dann gab es ein Angebot das Video über Dritte direkt an den Ausschuss zu übermitteln, welches abgelehnt wurde und schließlich wurde bekannt, dass zumindest die Tonspur des Videos, das der Soko Tape vorliegt, nicht vollständig sein dürfte.
Ganz groß zum Thema geworden ist auch die Entschlagung. Wann darf sich eine Auskunftsperson entschlagen? Von der rechtlichen Seite ist natürlich klar, dass man sich als Beschuldigter nicht selbst belasten muss, aber wie weit das wirklich gefasst wird.
Und diese Fragen werden noch geklärt werden müssen, bevor es inhaltlich weiter geht.

Stichwort Entschlagungen. Denken Sie, wird sich hier etwas ändern?
Ich würde dazu das Rechtsgutachten abwarten. Ich glaube, das ist ein Schritt, der viel Klarheit bringen kann - und auch Bewegung.

Sollte sich nichts ändern, bringen dann solche Befragungen wie etwa von Ex-Novomatic-Chef Harald Neumann überhaupt etwas?
Ich denke schon, dass der U-Ausschuss per se etwas bringt. Man hat aber gesehen, dass es eben bei den Entschlagungen des Herrn Neumann so weit gegangen ist, dass es eben nichts mehr gebracht hat. Das wird man klären müssen, diese rote Linie definieren. Weil wenn es darauf hinausläuft, dass es wirklich zu viele Entschlagungen gibt, dann ist das natürlich für den Erfolg des Ausschusses hinderlich.

Man hat das Gefühl, dass die Wogen bereits jetzt teils schon recht hoch gehen. Woran liegt das?
Ich glaube, dass diese Verfahrensfragen heftig diskutiert wurden und dabei ist ja auch von der NEOS-Abgeordneten Stephanie Krisper das Wort „kafkaesk“ gefallen.
Und schon im Vorfeld hat die Debatte um die Frage, worum es überhaupt gehen soll in dem Ausschuss sehr stark begonnen. Es geht um insgesamt acht verschiedene Themenbereiche, wovon Ibiza ja nur eines davon ist. Viele Dinge aus der türkis-blauen Regierungszeit werden jetzt - wie von der Opposition gefordert und gewünscht – betrachtet.

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Der Ausschussvorsitzende Wolfgang Sobotka (ÖVP) steht derzeit in der Kritik, seine Unbefangenheit wird von manchen infrage gestellt. Wie sehen Sie das? Sollte er abgesetzt werden?
Die Kritik seitens der Opposition ist natürlich insofern nachvollziehbar, als es um das Alois-Mock-Institut ging, wo Sobotka Präsident ist. Das ist natürlich schwierig. In dem konkreten Fall ließ sich Sobotka zwar vertreten, als es um diesen Bereich ging und unterm Strich wird er wohl aktuell als nicht befangen gewertet. Prinzipiell kommt dem Präsidenten des Nationalrates der Vorsitz eines U-Ausschusses zu und dieser kann sich vertreten lassen.

Derzeit diese ganzen Nebenthemen stark im Fokus. Und Hauptthemen wie Ibiza und Strache schienen teils an den Rand gerückt zu sein. Besteht die Gefahr, dass man sich hier zu sehr verliert?
Das sollte natürlich nicht passieren, aber die Gefahr besteht natürlich ein Stück weit. Wie etwa nach der Veröffentlichung des Videos, als es nicht um die Inhalte sondern um die Personen dahinter ging.
Aber beim U-Ausschuss geht es um die Klärung politischer Verantwortlichkeit und die sollte natürlich im Vordergrund stehen.

Verdeckte Parteienfinanzierung, möglicher Gesetzeskauf, Postenschacher,… all das soll aufgeklärt werden. Wo glauben Sie, wird man am ehesten erfolgreich sein?
Der Blick in die Zukunft ist natürlich immer schwierig. Ich denke, man kann Postenbesetzungen zu einem gewissen Grad nachvollziehbar machen und auch Parteispenden und Geldflüsse. Man darf aber nicht vergessen, es gibt doch auch immer wieder Schriftverkehr von Beteiligten anhand dessen man vielleicht Schlüsse wird ziehen können. Aussagen der betroffenen Personen sind das eine, Beweismittel, die im Zuge der Ermittlungen zutage kommen können, aber das andere, wo vielleicht eben doch noch Dinge ans Licht kommen und sehr wohl politische Verantwortung geklärt werden kann.

»Im Ausschuss gilt die Wahrheitspflicht. Kurz kann also nicht einfach irgendwas sagen. «

Nächste Woche, am 24. Juni, ist Bundeskanzler Sebastian Kurz als Auskunftsperson geladen. Entschlagen darf sich dieser nicht, da er ja kein Beschuldigter eines Verfahrens ist. Was darf man sich also erwarten?
Genau, er ist kein Beschuldigter in einem Verfahren - und im Ausschuss gilt die Wahrheitspflicht. Er kann also nicht einfach irgendwas sagen. Deshalb ist er eine sehr spannende Auskunftsperson für den Fall, weil es um die türkis-blaue Bundesregierung und die Besetzungen in dieser Zeit geht und da ist er sicherlich eine ganz zentrale Figur. Es wird auch nicht reichen, dass er bei jeder Frage sagt: „Dazu kann ich nichts beitragen“.
Um die Person Kurz ging es ja auch schon im Zuge des Streits zwischen WKSta und Soko Tape bei der Übermittlung von Dokumenten, die an der Stelle, wo es um ihn ging, zunächst in schlechter Qualität übermittelt wurden.
Von daher ist er eine sehr wichtige Auskunftsperson und es wird spannend.

Und man sieht: Wieder ist es sehr wichtig, dass der amtierende Bundeskanzler geladen und befragt werden kann. Das zeigt nochmal, was der Untersuchungsausschuss kann.

Thema ist ja nicht nur die FPÖ und Ibiza, sondern die türkis-blaue Regierungszeit, somit also auch um die ÖVP. Das bringt wiederum die Grünen in ein Dilemma. Glauben Sie, werden diese eine Aufdecker-Rolle übernehmen – oder doch eher versuchen, den Koalitionspartner zu schützen?
Bisher hat man schon gesehen, dass sich die Verhaltensweise der Grünen verändert hat, seit sie von der Opposition in die Regierung gewechselt haben. Im Tagesgeschäft müssen sie und haben gelernt mit der Koalitionsraison zu leben und auch Maßnahmen mitzutragen, die sie sicherlich so nicht in ihren Programmen gehabt hätten. Und auch bei Verfahrensfragen, wie der Einsetzung der Ausschuss-Thematik haben sie sich bereits im Sinne des Koalitionsfriedens verhalten.

»Noch würde ich davon ausgehen, dass man auch diesen Untersuchungsausschuss im Sinne des Koalitionsfriedens rüberbringen möchte. «

Und wie würden Sie die Rolle der Grünen bislang im Ausschuss selbst bewerten?
Da war ja noch nicht viel, aber bei der Frage, worum es geht, waren sie eben auf ÖVP-Linie und ich habe auch nicht wahrgenommen, dass etwa die grüne Justizministerin Alma Zadic großes Interesse gehabt hätte, noch einmal hochzuspielen, dass ÖVP-Innenminister Karl Nehammer ihr das Finden des Videos nicht direkt sofort erzählt hat. Sie hat es zwar klargestellt, es aber nicht wirklich auf Konfrontation auf dieser Ebene angelegt. Noch würde ich davon ausgehen, dass man auch diesen Untersuchungsausschuss im Sinne des Koalitionsfriedens rüberbringen möchte.

Früher war Peter Pilz stets ein großer Name in U-Ausschüssen – heute ist er nur noch als Beobachter dabei. Wer könnte in die Fußstapfen des „Mr. U-Ausschuss“ treten?
Peter Pilz hatte sich über die Jahre sicherlich das Image als „der Kontrolleur“ erarbeitet. Jetzt haben neue Namen eine Chance, sich zu profilieren. Kai Jan Krainer (SPÖ), Christian Hafenecker (FPÖ) und Stefanie Krisper (NEOS) gehen das meiner Einschätzung nach auch aktiv an.

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Wirkliche – rechtliche - Konsequenzen hat so ein Untersuchungsausschuss ja nicht. Es kann nur Druck aufgebaut werden, wodurch es dann zu Konsequenzen wie etwa Rücktritten kommen kann. Denken Sie, wird das passieren? Welche Macht hat so ein Ausschuss überhaupt?
Ich glaube, ein wichtiger Punkt ist die öffentliche, auch die medial-öffentliche Beschäftigung mit der Thematik, noch einmal die Aufarbeitung.
Und natürlich der politische Druck, der dadurch entsteht und der eben auch zu realen Konsequenzen führen kann wie etwa Rücktritten oder aber auch zu weiteren strafrechtlichen Ermittlungen, sollte man etwas herausfinden.
Aber vielleicht kann es in weiterer Folge auch zu Veränderungen bei Gesetzen kommen, wenn man sich etwa mit Parteispenden beschäftigt und sieht, was derzeit rechtlich möglich ist, aber in der Praxis zu Umgehungen führt. Da kann so eine Ausschussarbeit auch die Legislativtätigkeit in einem Land beeinflussen.

»Dass politischer Druck auch persönliche Rücktritte bedingen kann, ist also schon gegeben«

Rücktritte sind in Österreich nicht gerade Gang und Gäbe... wie schätzen Sie die Chancen diesbezüglich ein?
Kommt darauf an, was herauskommt. Mit der Veröffentlichung des Videos war innerhalb von 24 Stunden klar, dass Strache und Gudenus nicht in ihren Ämtern bleiben können und es wurden sehr rasch die Rücktritte vollzogen. Dass politischer Druck auch persönliche Rücktritte bedingen kann, ist also schon gegeben, siehe auch zuletzt bei Ulrike Lunacek.