Stephanie Krisper: "Ich halte diese Missstände nicht aus"

Der Ibiza-U-Ausschuss beginnt, in dem Stephanie Krisper als Neos-Fraktionsführerin versuchen will, mehr über die mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung herauszufinden

von Politik - Stephanie Krisper: "Ich halte diese Missstände nicht aus" © Bild: Ricardo Herrgott

Es ist ein bisschen wie vor einer Theaterpremiere. Im Vorfeld wurde ausführlich gestritten, die Besetzungsliste ist exquisit und die Nervosität aller Beteiligten wächst merklich, je näher die Premiere rückt. Nur das Genre steht bei diesem ganz speziellen Stück, das in den nächsten Monaten im Parlament gegeben wird, noch nicht zweifelsfrei fest. Komödie, Tragödie oder eher Groteske? Vom Ibiza-Untersuchungsausschuss ist alles zu erwarten.

Eine wichtige Rolle spielt jedenfalls Stephanie Krisper. Die Neos-Mandatarin hat sich schon längst als Aufdeckerin einen Namen gemacht und brachte den U-Ausschuss-Antrag gemeinsam mit Kai Jan Krainer von der SPÖ ein. Erklärtes Ziel: die "mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung" zu untersuchen. Acht Untersuchungsbereiche hatten Neos und SPÖ definiert, die - von ÖVP und Grünen zwischenzeitlich eingeschränkt - nach einem VfGH-Erkenntnis nun doch vollinhaltlich zur Anwendung kommen. Im Wesentlichen, sagt Krisper, gehe es um den Postenschacher-Vorwurf in Zusammenhang mit der Casinos-Affäre und um die Ermittlungen zum Ibiza-Video. Postenschacher habe es in Österreich immer schon gegeben. Aber, so Krisper: "In diesem Fall steht auch im Raum, dass bei einer Postenbesetzung Geld geflossen ist oder man versprochen hat, gegen Geld auch andere Leistungen vorzunehmen, etwa Einflussnahme auf die Gesetze. Und das darf es in diesem Land nicht geben." Der U-Ausschuss, der seit einigen Jahren auch von einer Minderheit im Nationalrat eingesetzt werden kann, soll die politischen Verantwortlichkeiten nun klären.

Video in voller Länge

Gleich zu Beginn, am heutigen Donnerstag, sind mit Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus die beiden Protagonisten des Ibiza-Videos geladen. Es liegt, wie vergangenen Mittwoch bekannt wurde, den Ermittlern nun in voller Länge vor und sollte, fordern Neos, auch dem U-Ausschuss übermittelt werden. Strache und Gudenus werden bei der Befragung wahrscheinlich versuchen, sich zurückzuziehen, vermutet Fraktionsführerin Krisper. "Aber wie man Strache in den letzten Wochen kennengelernt hat, wird er das starke Bedürfnis haben, sein Narrativ wieder zu verkaufen. Was mehr als absurd ist, aber man kann es ja versuchen. Deswegen haben wir zuerst 'Falter'-Chefredakteur Florian Klenk geladen, der das ganze Video kennt und sagen kann, ob es glaubhaft ist, dass Strache Opfer einer Sedierungs-oder sonstigen Drogeneinflussnahme ist, oder ob er sich vielleicht doch wie ein durchschnittlicher betrunkener Erwachsener verhält, der einfach so denkt, wie er gesprochen hat."

»Es passiert schon viel weniger, wenn die Machthabenden wissen, dass man ihnen auf die Finger schaut«

Der zweite U-Ausschuss-Tag hätte Befragungen von im Ibiza-Video genannten Persönlichkeiten wie Novomatic-Eigentümer Johann Graf (73), Heidi Horten (79) und Gaston Glock (90) vorgesehen (René Benko etwa darf sich auf eine Einladung im Herbst freuen). Alle drei ließen sich bereits aus gesundheitlichen Gründen entschuldigen. Krisper schlägt vor: "Bei Personen, die ein ärztliches Attest vorweisen, kann man dennoch entsprechende Vorkehrungen zur Risikominimierung andenken, die eine Befragung ermöglichen -etwa indem einmalig in den Plenarsaal ausgewichen wird, um größere Abstände zu schaffen, oder man Befragungen per Video aus dem Nebenraum andenkt."

Physisch anwesend sein wird höchstwahrscheinlich Bundeskanzler Sebastian Kurz, dessen Befragung für 24. Juni vorgesehen ist. Was kann man sich von den Auskünften des Kanzlers erwarten? "Ich war schockiert von seinen Aussagen im BVT-U-Ausschuss", sagt Krisper. "Neu für ihn war nämlich anscheinend, und darauf wird er diesmal vorbereitet sein, dass er Fragen auch beantworten muss. Vielleicht hat er auch gelernt, dass die Strategie schlecht ist, so zu tun, als wäre man schlechter informiert als ein durchschnittlicher Zeitungsleser. Die ÖVP ist seit Kurz dafür bekannt, dass sie Message Control betreibt, über alles Bescheid weiß und von der Spitze her durchdirigiert ist. Dass der Bundeskanzler nichts von Postenbesetzungen in äußerst relevanten staatsnahen Betrieben wusste, muss er uns erst mal klarmachen."

Ein U-Ausschuss -zudem in Zeiten des anlaufenden Wien-Wahlkampfs, in dem Heinz-Christian Strache sein politisches Comeback versucht -ist auch immer eine politische Schlammschlacht, ein Taktieren, ein Versuch, mit der eigenen Erzählung möglichst gut durchzukommen. Während Neos sich die kompromisslose politische Aufklärung Jeanne-d'Arc-gleich an die Oppositionsfahnen geheftet haben, möchten andere Parteien andere Erzählungen vermitteln. Gelegenheit dazu gibt es genug. Denn, erzählt Krisper, ein Learning aus dem BVT-U-Ausschuss: "Wir laden diesmal fast jede Auskunftsperson zu jedem Thema, damit es keine Einwände gibt und man weit aufklären kann - wenn man will. Jede Partei kann dann herauspicken, was für sie am wichtigsten ist."

Nicht alleine

Was treibt Krisper, Juristin und bis zu ihrem politischen Engagement in einer Kontrolltätigkeit im Menschenrechtsbereich, an? "Dass ich diese Missstände alle nicht aushalte. Und den Optimismus habe, dass man doch etwas ändern kann. Manchmal klappt es ja auch hinter den Kulissen, man sieht von außen als Bürger oder Bürgerin nicht immer alles. Und es passiert schon einmal viel weniger, wenn die Machthabenden wissen, dass man ihnen auf die Finger schaut. Viele Menschen in diesem Land, in der Zivilgesellschaft, in der akademischen Welt, in den Ministerien, setzen sich für einen gesunden Rechtsstaat ein. Man ist da nicht alleine."

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der News-Ausgabe Nr. 22/20

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