Corona-Umfrage: So
unzufrieden ist Österreich

Trotz vorsichtiger Öffnungsschritte sinkt die Zustimmung der Bevölkerung zur Corona-Politik der Regierung kontinuierlich, wie eine Exklusiv-Umfrage des Instituts für Demoskopie und Datenanalyse (IFDD) für News zeigt. Bereits 55 Prozent der Bevölkerung sind damit unzufrieden.

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Von dieser Stimmungslage profitiert die Opposition -allen voran die FPÖ, wo Klubobmann Herbert Kickl dabei ist, die Macht zu übernehmen, und mit einem Brutalokurs offenbar erfolgreich Stimmenfang betreibt.

Auch wenn mit 8. Februar der harte Lockdown mit leichten Lockerungsschritten in den Schulen, im Handel, bei Frisören und Museen vorläufig beendet wird, die Stimmung im Land zur Corona-Politik der Regierung ist längst gekippt. Das beweist nicht nur die Anti-Corona-Demonstration in Wien, an der am vergangenen Wochenende trotz Verbots rund 10.000 Menschen teilgenommen haben. Auch im privaten Leben der Österreicher war zuletzt eine zunehmende Lockdown-Müdigkeit feststellbar.

Wie zufrieden sind Sie mit den Corona-Maßnahmen der österreichischen Bundesregierung?

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Die Entwicklung hat sich spürbar in der politischen Akzeptanz der türkis-grünen Regierungskoalition niedergeschlagen. Wie eine repräsentative Exklusiv-Umfrage des niederösterreichischen Instituts für Demoskopie und Datenanalyse (IFDD) für News zeigt, ist die Zustimmung der Bevölkerung zu den Maßnahmen der Regierung erstmals deutlich unter 50 Prozent gesunken: Nur noch sechs Prozent der Bevölkerung sind damit sehr zufrieden und 37 Prozent zufrieden -zusammen 43 Prozent. Umgekehrt sind 32 Prozent damit weniger und 23 Prozent gar nicht zufrieden -also zusammen 55 Prozent. Am deutlichsten fällt die Ablehnung mit 80 Prozent bei FPÖ-Anhängern aus. Aber auch 67 Prozent der SPÖ-Wähler können der Corona-Politik wenig oder gar nichts abgewinnen. Lediglich bei Anhängern der Regierungsparteien ÖVP und Grüne beträgt die Zustimmung noch 62 bzw. 59 Prozent.

Österreichweit überwiegt jedoch die ablehnende Haltung in der Bevölkerung - quer durch alle Bildungs-und Altersgruppen und egal, wo die Menschen leben: In der Stadt sind mit 61 Prozent noch mehr dagegen als am Land (53 Prozent), Frauen sind mit 52 Prozent etwas weniger ablehnend als Männer (59 Prozent). Unterm Strich ist die Bilanz für ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz und seinen grünen Gesundheitsminister Rudolf Anschober jedenfalls ernüchternd.

Große Corona-Müdigkeit

"Angesichts der Dauer der Maßnahmen, des permanenten Verschiebens von Entscheidungen, der fehlenden Planungssicherheit sowohl in den Familien -Stichwort Schule -als auch in den Unternehmen, der negativen wirtschaftlichen Auswirkungen des Zusperrens vieler Lebensbereiche, steigender Arbeitslosigkeit und der eingeschränkten Bewegungsfreiheit sagen viele: 'Wir können nicht mehr'", interpretiert IFDD-Chef Christoph Haselmayer die Umfrage. Seit dem ersten Lockdown im März 2020 habe die Zustimmung zu den Regierungsmaßnahmen sukzessive abgenommen. Um Weihnachten habe sie noch 50 Prozent betragen, jetzt sei der bisherige Tiefpunkt erreicht. Die Regierung habe es nicht geschafft, nach dem Grundsatz "Sage, was du tust, und tue, was du sagt" zu handeln. Dadurch sei "das Vertrauen der Bevölkerung in sie verloren gegangen", so Haselmayer. Angesichts dieser Entwicklung erklärt sich auch, warum sich Kanzler Kurz trotz eindringlicher Warnungen der Gesundheitsexperten vor einem möglichen erneuten Anstieg der Infektionszahlen jetzt zu einer vorsichtigen Öffnung unter harten Auflagen entschlossen hat. "Die Gefahr, dass die ÖVP in der Gunst der Wähler verlieren könnte, war ihm offenbar einfach zu groß", sagt Haselmayer.

Werden Sie an der Coronavirus-Impfaktion teilnehmen und sich impfen lassen?

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Hohe Impfbereitschaft

Dass sich mit Stand Anfang Februar mehr Österreicher denn je -nämlich 55 Prozent -gegen das Virus impfen lassen wollen, sei hingegen unabhängig von der Unzufriedenheit mit der Corona-Politik zu sehen: "Das hat rein pragmatische Gründe, weil damit wohl schneller wieder ein normales Leben möglich sein wird, sei es beim Reisen, beim Besuch von Kulturveranstaltungen oder beim Zusammentreffen mit anderen Menschen", erklärt der Meinungsforscher den bislang höchsten Zustimmungswert. Die 22 Prozent noch Unentschlossenen seien zudem durch gezielte Aufklärungsarbeit erreichbar, ist er überzeugt: "Wenn nur ein Teil der Unentschlossenen sich impfen lassen würde, dann wäre die sogenannte Herdenimmunität, die bei geschätzten 70 Prozent liegt, wohl erreicht." Was auch zeige, dass es Österreich durchaus aus der Krise schaffen könne, so der IFDD-Chef.

Die andauernden Schwierigkeiten im Umgang mit der Pandemie, der zuletzt durch diverse Virusmutationen und Impfstoffengpässe bestimmt wurde, haben Kanzler Kurz auch zu parteipolitischen Volten veranlasst. Zwar wurde versucht, die sich häufenden Fehler im Corona-Management dem grünen Koalitionspartner - insbesondere Gesundheitsminister Rudolf Anschober, der im Politranking steil abgestürzt ist - umzuhängen. Doch das allein reicht nicht, um aus der Schusslinie zu kommen. Kurz hat daher die Corona-Bekämpfung auf eine breitere Basis gestellt und zunehmend Sozialpartner und Opposition eingebunden. Auffällig war vor allem seine Annäherung an die Sozialdemokraten: etwa durch gemeinsame Medienauftritte mit dem neuen starken Mann der SPÖ, Wiens Bürgermeister Michael Ludwig, sowie durch die Beiziehung der Parteivorsitzenden, Pamela Rendi-Wagner, die als Ärztin und Ex-Sektionschefin für öffentliche Gesundheit und medizinische Angelegenheiten als einzige Spitzenpolitikerin echte Expertise in Sachen Corona hat.

Würden Sie aus heutiger Sicht eine Regierungsbeteiligung der SPÖ begrüßen?

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Dies hat der SPÖ laut der IFDD-Umfrage zusätzlichen politischen Schwung verliehen: Aus heutiger Sicht würden immerhin 44 Prozent der österreichischen Bevölkerung eine Regierungsbeteiligung der Sozialdemokraten begrüßen. 42 Prozent lehnen diese ab. De facto eine Pattsituation, auch wenn SPÖ-und Grün-Wähler aus naheliegenden Gründen die Annäherung sehr viel positiver bewerten. Insgesamt gewinne die SPÖ aber augenscheinlich dazu, sagt Haselmayer, der dafür auch gleich eine nachvollziehbare Erklärung mitliefert: "In der Vergangenheit wurde die große Koalition als Blockaderegierung angesehen. Jetzt in der Krise wird sie in den Köpfen der Menschen eher als Stabilitätsfaktor wahrgenommen."

Kickls Brutalopposition

Während der türkise Koalitionspartner, die Grünen, in den vergangenen Wochen immer stärker in die Kritik gerät und offenbar Stimmen an die SPÖ verliert, scheint es am anderen Ende des Meinungsspektrums überraschende Zugewinne zu geben: nämlich bei der FPÖ. Der freiheitliche Klubobmann Herbert Kickl positioniert sich immer stärker mit einem Brutalokurs als der Gegner der aktuellen Corona-Maßnahmen der Bundesregierung. Er polarisiert zwar stark -58 Prozent der Befragten lehnen ihn ab -, findet aber auch zunehmend Anhänger: In der eigenen Partei, bei den Freiheitlichen, befürworten ihn sogar 80 Prozent. In der Gesamtbevölkerung sind es immerhin auch noch 31 Prozent. Das ist insofern bemerkenswert, als das freiheitliche Wählerpotenzial in Österreich bei maximal bei 30 bis 33 Prozent liegt (bei der letzten Nationalratswahl erreichte die FPÖ 16,1 Prozent). Haselmayer: "Kickl schafft es, damit die wohl höchstmögliche Zustimmung zu erreichen."

Auch interresant: Kickl beansprucht Chefposten der FPÖ

Der FPÖ-Klubobmann positioniere sich zunehmend als Sprachrohr für viele Unzufriedene im Land und sammle diese hinter sich. "Das Verbot der Demonstrationen in Wien war de facto ein Sieg für Kickl, der sich nun gewissermaßen als Märtyrer sieht", sagt der Meinungsforscher, der die FPÖ mit dieser Strategie im Moment auf erfolgreichem Wählerfang sieht. Wenngleich es spannend sei, ob es ihr gelingen werde, diese Stimmen nach Corona zu halten, so der IFDD-Chef.

Die Umfrage legt jedenfalls nahe, dass das, worüber in Politkreisen schon seit Längerem spekuliert wird, bald eintreten dürfte: nämlich ein Richtungsstreit innerhalb der seit dem Ibiza-Skandal schwer angeschlagenen FPÖ. Das glauben auch 44 Prozent der Befragten. Innerhalb der freiheitlichen Wählerschaft sind es sogar 47 Prozent. Dass 30 Prozent die Frage nach einem möglichen Richtungsstreit mit "weiß nicht" beantworten, hat laut dem Meinungsforscher damit zu tun, dass sich etliche Freiheitliche derzeit noch nicht eindeutig deklarieren wollen. Und auch damit, dass Wähler anderer Parteien die FPÖ generell ablehnen. Nur 26 Prozent der Befragten gehen indes nicht von einem Richtungsstreit bei den Freiheitlichen aus.

Match um die Parteiführung

Kickl werde aktuell immer präsenter. Die FPÖ werde sich zwangsläufig klar werden müssen, ob sie weiter eine Doppelspitze - Norbert Hofer als Bundesparteichef und Herbert Kickl als Klubobmann -haben will oder doch eine Einzelspitze, die landläufig als effektiver gilt. Hofer gelte zwar in der breiten Öffentlichkeit als netter und umgänglicher als der radikalere Kickl. Letzterer schaffe es dafür, über das freiheitliche Potenzial hinaus zu wirken. "Klubobmann Kickl gelingt es, Bundeskanzler Kurz immer mehr unter Druck zu setzen. Er startet dadurch eine Wählerrückholaktion." Die FPÖ werde sich die Frage stellen müssen, wer von der Kurz-ÖVP Stimmen zurückgewinnen könne. Das sei offensichtlich Kickl, argumentiert der Meinungsforscher. Das sehen offenbar auch die befragten FPÖ-Wähler so: Für 55 Prozent ist Klubobmann Kickl durchsetzungsstärker, wenn es um ihre politischen Interessen geht. Im Gegensatz schreiben dies nur 32 Prozent Bundesparteiobmann Hofer zu. Bezeichnendes Detail am Rande: Obwohl Kickl außerhalb der eigenen Wählerschaft sehr stark polarisiert, liegt er auch bei den Gesamtbefragten vor Hofer.

Aber nicht nur, wenn es um die Vertretung der parteipolitischen Interessen geht, auch im Rennen um den Vorsitz in der Bundespartei hat Kickl laut Umfrage die Nase vorn. Er liegt bei den FPÖ-Wählern im Moment mit 44 Prozent Zustimmung klar vor Hofer, der auf 30 Prozent kommt. Obwohl in der Vergangenheit neben Hofer und Kickl auch andere Landesparteichefs wie der Oberösterreicher Manfred Haimbuchner, der Wiener Strache-Nachfolger Dominik Nepp, die Salzburgerin Marlene Svazek oder der steirische Ex-Verteidigungsminister Mario Kunasek als mögliche Kandidaten für die Führung der Bundespartei ins Spiel gebracht wurden, betrachtet man diese intern als chancenlos. Von Gernot Darmann (Kärnten) oder Udo Landbauer (Niederösterreich) gar nicht zu reden. Dass Hofer bei den Gesamtbefragten dagegen vor Kickl liegt, erklärt sich damit, dass der aktuelle FPÖ-Chef aus Sicht von Wählern anderer Parteien der angenehmere politische Gegner ist als der sehr angriffige Kickl, so der Meinungsforscher.

Konsequenz für die Regierung

Für Kanzler Kurz und die Türkisen bedeutet die Umfrage, dass sie sich künftig auf noch härtere Zeiten einstellen müssen. Zumal die Grünen als Juniorpartner wegen der umstrittenen Corona-Politik, aber auch wegen des harten Migrationskurses der Regierung selbst gehörig angezählt sind. Gleichzeitig profilieren sich die Neos immer stärker als Oppositionskraft, und auch die Ex-Regierungspartei SPÖ legt wieder zu. Dazu kommt die rechte Brachialpolitik von Kickl und der FPÖ.

Der Kanzler muss also hoffen, dass die aktuellen Lockerungen der Corona-Maßnahmen nicht als virologisches Roulette mit fatalen Folgen enden. Sollten die Infektionszahlen wieder in die Höhe schnellen, sollte im März womöglich erneut ein harter Lockdown nötig sein, dann würde die Stimmung der Bevölkerung wohl noch mehr ins Negative kippen. Und damit Kurz und die ÖVP noch stärker unter Druck bringen, so Haselmayer.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der Printausgabe von News erschienen.

Details zur Umfrage: IFDD - Institut für Demoskopie und Datenanalyse GmbH, Umfragezeitraum 25.01. bis 01.02.2021, 800 Online-Interviews, repräsentativ für die wahlberechtigte österreichische Bevölkerung ab 16 Jahren, max. Schwankungsbreite ± 3,5%, Umfragezeitraum = Feldzeit