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Nordkoreanische Soldaten in der Ukraine: Kims Elite für Putins Krieg

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10 min

Propagandafoto nordkoreanischer Elitesoldaten der staatlichen nordkoreanischen Agentur KCNA

©STR / AFP / picturedesk.com
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Wladimir Putin und Kim Jong Un sind aktuell geradezu ein diplomatisches Traumpaar. Russland braucht, was Nordkorea hat, und umgekehrt. Die beiden Staaten arbeiten vor allem militärisch immer enger zusammen – mit Konsequenzen, die über Russlands Krieg in der Ukraine hinausgehen könnten

Ukrainekrieg: Kein rein regionaler Konflikt

Der Ukrainekrieg war nie ein rein regionaler Konflikt. Doch Waffenlieferungen anderer Staaten sind eine Sache – der Einsatz von Truppen aus Staaten anderer Kontinente eine andere. Nun kämpfen nordkoreanische Soldaten an der Seite Russlands gegen die ukrainische Armee. Etwa 10.000 bis 13.000 Mann sollen bereits nach Russland gebracht worden sein, von ersten Gefechten mit ukrainischen Soldaten wird berichtet.

Ausweitung des Kriegs in der Ukraine

Dieser Schritt birgt großes Gefahrenpotenzial: Würde Nordkorea offiziell mit regulären Truppen der Koreanischen Volksarmee in der Ukraine kämpfen, wäre das eine Eskalation, die letztlich zum Einsatz von NATO-Truppen und einem „dritten Weltkrieg“ führen könnte, warnt der Nordkorea-Experte Rüdiger Frank im Spiegel.

So weit ist es zum Glück noch nicht: Nordkoreaner kämpfen derzeit in Uniformen der russischen Armee, und Russland streitet ab, nordkoreanische Truppen einzusetzen. Die Nordkoreaner tarnen sich als Angehörige der in Sibirien lebenden burjatischen Minderheit, sagte der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umjerow im südkoreanischen Fernsehen.

Nach südkoreanischen Geheimdienstinformationen wurden die ersten nordkoreanischen Soldaten Mitte Oktober nach Wladiwostok gebracht, wo sie ein Trainingsprogramm durchlaufen. Aktuell befinden sie sich nahe Kursk, wo die ukrainische Armee seit drei Monaten auf russischem Gebiet aktiv ist. Präsident Selenskyj warnte, der Einsatz nordkoreanischer Soldaten schaffe „neue Instabilität“ und forderte zusätzliche Unterstützung für die Ukraine.

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 © imago/Gerhard Leber

Nordkorea: Vom Bittsteller zum Partner

Bislang war Nordkoreas Verhältnis zu seinen wichtigsten Verbündeten China und Russland einseitig. Nordkorea profitierte von den Großmächten, konnte aber wenig zurückgeben. Das änderte sich mit Russlands Invasion in der Ukraine. Die russische Armee verfeuert Unmengen an Munition, besonders Artilleriegranaten. Da Nordkoreas Militärtechnik auf sowjetischen Modellen basiert, passt nordkoreanische Munition im Regelfall zu russischen Geschützen. Seit Sommer 2023 soll Nordkorea acht Millionen Artilleriegranaten geliefert haben, sagt der Militärexperte Franz-Stefan Gady gegenüber News.

Nun geht Nordkorea den nächsten Schritt, und macht sich damit zu einem noch wertvolleren Partner für Russland. Bereits im Juni dieses Jahres hatten die beiden Staaten einen Pakt zur gegenseitigen militärischen Unterstützung im Angriffsfall geschlossen. Dieser trat vergangenen Samstag durch Putins Unterschrift in Kraft.

Denn neben Munition verbraucht die russische Kriegsmaschinerie jedoch noch eine weitere Ressource in großen Mengen: Menschen. 700.000 russische Soldaten sollen laut ukrainischen Quellen seit Februar 2022 getötet oder verwundet worden sein, auch NATO-Generalsekretär Rutte spricht von „mindestens 600.000“ – mehr als die Vereinigten Staaten im gesamten Zweiten Weltkrieg (400.000).

Hohe Verluste bedeuten auch einen Verlust von Kampfkraft. Gady erklärt, diese Verluste würden dazu führen, dass erfahrene Soldaten durch schlecht ausgebildete Rekruten ersetzt werden. „Da könnten 10.000 bis 13.000 nordkoreanische Elitekräfte auf dem Gefechtsfeld taktisch einen Unterschied machen.“

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 © Katharina Zimmerman

Geld, Erfahrung, Technologie: Beide profitieren

Wenn es etwas gibt, an dem es Nordkorea nicht fehlt, dann sind es Soldaten. Das kleine Land hat mit geschätzt 1,3 Millionen aktiven Soldaten ein ebenso großes Heer wie Russland. Darunter sind viele Wehrpflichtige: In Nordkorea sind alle Männer verpflichtet, acht Jahre Wehrdienst zu leisten. Frauen unterliegen ebenfalls der Wehrpflicht, für sie dauert diese allerdings „nur“ fünf Jahre. Nordkorea liegt damit weltweit an der Spitze.

Nordkoreas Heer ist aber nicht nur zahlenmäßig stark: 200.000 gut ausgebildete Kommandosoldaten stehen nach südkoreanischen Geheimdienstinformationen im aktiven Dienst der Volksarmee. Zum Vergleich: Österreichs Spezialeinsatzkommando, das Jagdkommando des Bundesheeres, umfasst etwa 400 Soldaten. Selbst die militärische Großmacht USA hat nur wenige Tausend solcher Spezialeinheiten – Army Rangers, Delta Force und SEALs zusammen. Das an Russland geschickte Kontingent soll sich zu einem großen Teil aus solchen Kommandosoldaten bestehen.

Die Gegenleistung Russlands dürfte kurzfristig vor allem aus finanziellen Mitteln bestehen. Etwa 2.000 Dollar soll Nordkorea pro Soldat und Monat erhalten. Und damit nicht genug, wie Rüdiger Frank gegenüber NEWS erklärt:

„Nordkorea kann von Russland auf vielfältige Weise profitieren, etwa durch ein Ende des einseitigen Fokus auf China im Außenhandel, eine Modernisierung der in die Jahre gekommenen Industrieanlagen oder die Lösung des Energieproblems durch den Bau von Atomkraftwerken. Zusätzlich ist es ein enormer Prestigegewinn für Kim Jong Un, wenn sein Land jetzt einer Großmacht wie Russland hilft. Russland kann außerdem Sanktionen und die Einrichtung von Untersuchungskommissionen im Sicherheitsrat blockieren.“

Russland könnte außerdem Waffen und Militärtechnologie an Nordkorea liefern, sagt Frank.

Diese Gefahr sieht auch Militärexperte Gady. Russland könnte in Zukunft komplette Raketensysteme an Nordkorea liefern, etwa die ballistische Kurzstreckenrakete „Iskander“ samt Abschussvorrichtungen, sagt Gady. Damit könnten auch Ziele in Südkorea beschossen werden.

Aus militärischer Perspektive sei ein weiterer Faktor besonders bedeutend: Die Kampferfahrung, die Nordkoreas Soldaten im Krieg sammeln werden: „Die Nordkoreaner werden lernen, was es heißt, in einem von Drohnen übersättigten Gefechtsfeld zu agieren, und selbst die Elemente der Drohnenkriegsführung von den Russen lernen.“ Das könne die Kampfkraft der nordkoreanischen Armee auch auf der koreanischen Halbinsel steigern.

Neben der mangelnden Kampferfahrung seiner Soldaten wird die Schlagkraft der nordkoreanischen Armee momentan noch durch ihre Ausrüstung mit konventionellem Kriegsgerät eingeschränkt. Panzer, U-Boote, Flugzeuge und Schiffe stammen zum Großteil aus alten Sowjetbeständen. Hier könnte Russland bei der Modernisierung helfen.

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Diktatoren unter sich: Russlands Wladimir Purin und Nordkoreas Kim Jong Un in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang im Juni 2024.

 © STR / AFP / picturedesk.com

Sorge in Südkorea und den USA

In Südkorea wächst die Sorge, dass Nordkorea durch die Kooperation mit Russland noch aggressiver gegenüber dem Süden wird. China könnte jedoch einschreiten, da Peking kein Interesse an einem militärischen Konflikt auf der Halbinsel hat, erklärt Rüdiger Frank.

Für die internationale Sicherheit bleibt das nordkoreanische Nuklearwaffenprogramm ein wachsendes Problem. Seit Jahren arbeitet Nordkorea an einer Interkontinentalrakete (ICBM) für Nuklearsprengköpfe. 86 Minuten lang flog kürzlich eine Rakete des neuen Typs Hwasong-19, bevor sie ins Meer stürzte. Vann H. Van Diepen, ein Experte für Massenvernichtungswaffen des US-Thinktanks Stimson Center, nimmt an, dass die Reichweite der nordkoreanischen Raketen bereits jetzt ausreicht, um Ziele überall auf der Welt zu erreichen. Nun gehe Nordkorea den nächsten Schritt und fokussiere sich auf die Entwicklung schwer abzufangender Raketen mit Mehrfach-Sprengköpfen.

Bisher sei das nordkoreanische ICBM-Programm laut Van Diepen ohne substanzielle russische Unterstützung ausgekommen – diese könnte die Entwicklung allerdings weiter beschleunigen und dazu führen, dass sich Kapazität und Zuverlässigkeit der nordkoreanischen Raketen rasch verbessern.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 46/2024 erschienen.

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