Unterschiedliche Gehirnregionen werden aktiviert, die sich jedoch verbinden können. Für manche ist Liebe und Sex strikt zu trennen. Andere sehen einen unabdingbaren Zusammenhang
Lust setzt eine Gehirnregion in Gang, die auf Genusserfahrungen wie gutes Essen reagiert. Bei Liebe hingegen wird das Belohnungszentrum aktiviert: Auch Gewohnheiten und Süchte sind damit eng verbunden. Aktuellen Forschungen zufolge kann man die Liebe als Sucht bezeichnen, kommt sie ja mit der Gewohnheit. Und ist es nicht wirklich so? Was meint man denn mit dem buchstäblichen „sich Zusammenraufen“, mit der Reibung und der Regulation aus Nähe und Distanz in Partnerschaften? Kann man nun Sex und Liebe trennen?
Bedarfsorientierte Suche
Dank Internetplattformen ist das Angebot an Sex- und Liebespartnerschaften längst schon inflationär. Man fackelt daher nicht lang herum und sucht bedarfsorientiert nach „dem perfekten Match“. Da ist zum Beispiel Mona, die betont, welche Vorteile Affären mit verheirateten Männern bringen. Emilia stimmt ihr darin voll und ganz zu. Die Männer habe man dann schließlich nicht ständig um sich, sondern nur für exklusive Stunden. Die Sexualität sei heißer, da heimlich und verboten. Und diese Männer nehmen irgendwann die Türklinke in die Hand, und Mona und Emilia können wieder als selbstbestimmte Wesen ein Eigenleben führen. Dieser Einstellung liegt häufig das irrige Konzept von Autonomieverlust oder zumindest Einbußen an Freiheit zugrunde, sobald man sich in einer Partnerschaft befindet.
Freiheitszuwachs durch Sex ohne Liebe
Somit wird Sex ohne Liebe oder Freundschaft plus oftmals bevorzugt, weil, ja weil wir sozusagen nur die Rosinen aus dem Kuchen picken wollen. Bloß keine Verantwortung übernehmen und eine Bindung eingehen. Gibt es doch Nachschub potenzieller Liebespartnerinnen und -partner im Überfluss, also wozu sich in eine Person verbeißen und sich die Mühe machen –, um dann eines Tages enttäuscht und verlassen zu sein.
Bindungsangst spricht für Sex ohne Liebe
Wer möchte sich in unsicheren Zeiten auch an eine Person ketten, die einen nur will, solange man ihre Bedürfnisse befriedigt und ihre Erwartungen erfüllt?
Objektbeziehungen
Partnerschaften sind an sich gleichwertige Beziehungsmodelle auf Augenhöhe. Unabdingbar hierfür ist der Dialog und das stete Interesse daran. Wem das zu mühsam ist, führt lieber Objektbeziehungen und setzt auf die Trennung von „körperlicher Lust“ und „inniger Liebe“.
Ist Liebe ein Auslaufmodell?
Vor dem Hintergrund der obigen Argumente riecht es fast danach. In Wahrheit ist die Bindungsangst aber eben eine Angst. Ein Symptom unserer Zeit. Zeichen eines soziokulturellen Traumas der Verlassenheitsangst. Der Verlustangst. Um erst gar nichts zu riskieren, spalten viele Menschen ihre Emotionen und ihr Liebesbedürfnis ab und lagern Sexualität von Liebe aus.
Fazit: Nein, Auslaufmodell ist eine wahre Liebesbeziehung, die Sex mit einschließt, gewiss nicht. Doch es bedeutet sicher eine größere emotionale Anstrengung, sich als Mensch auf einen bestimmten anderen Menschen einzulassen.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr.03/2025 erschienen.